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Der "Verrückte" erzählt: Was Suzuki besser gemacht hat als Honda & Yamaha

Davide Brivio leitete einst mit Erfolg das MotoGP-Team von Suzuki

Der Methodenwechsel, dem die europäischen Hersteller in der MotoGP-WM – angeführt von Ducati – an den Tag gelegt haben, hat Honda und Yamaha ins Abseits gedrängt. Die beiden japanischen Hersteller waren nicht in der Lage, sich so anzupassen, wie es einst Suzuki gelungen ist, indem man die Ressourcen des Werks mit der Management-Agilität des Rennteams kombiniert.

In einer Entscheidung, die alle überraschte – von den Teammitgliedern selbst bis hin zum Rest des Fahrerlagers – entschied Suzuki in der ersten Hälfte der Saison 2022, sein MotoGP-Team am Ende der Saison zuzusperren.

Trotz des brutalen Schlags für das in Hamamatsu ansässige Team, das die meiste Zeit des Jahres mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert war, hat man die Königsklasse der Motorrad-WM sportlich gesehen auf die bestmögliche Weise verlassen, mit zwei Siegen in den letzten drei Rennen.

Diese beiden Siege von Alex Rins auf Phillip Island und in Valencia bestätigten, dass die Suzuki GSX-RR eines der besten Motorräder in der Startaufstellung war, wenn nicht sogar das kompletteste von allen. Auf Basis desselben Prototyps wurde Joan Mir zwei Jahre zuvor (2020) Weltmeister und holte damit zwei Jahrzehnte nach dem Titelgewinn von Kenny Roberts jun. (in der 500er-Saison 2000) die WM-Ehren zu Suzuki zurück.

Die Suzuki GSX-RR, Jahrgang 2022, kombinierte die Agilität der besten Yamaha mit der zusätzlichen Leistung, die die Ingenieure gefunden hatten. Sie ermöglichte es Rins und Mir, auf den Geraden gegen die übermächtigen Ducati zu bestehen. Das Motorrad war die perfekte Metapher, um zu erklären, was von denjenigen erreicht wurde, die für die Formulierung und die Ausführung des MotoGP-Projekts verantwortlich waren. Am Ruder damals? Davide Brivio.

Franco Morbidelli, Marc Marquez

Was Davide Brivio bei Suzuki gelungen ist

Brivio hat es geschafft, die japanischen Ingenieure mit dem in Europa ansässigen operativen Teil des Rennteams in Einklang zu bringen. Die japanischen Ingenieure leben und arbeiten in Japan und sind für das Design und die Entwicklung des Motorrads verantwortlich, während die Techniker in Europa versuchen, die Leistung auf der Rennstrecke zu optimieren.

Zwei Realitäten, die weit voneinander entfernt sind, wie jeder weiß, der heute mit jemandem bei Honda oder Yamaha spricht, ohne dass dabei ein Aufnahmegerät läuft. KTM und Aprilia haben schon vor langer Zeit verstanden, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können, wenn sie wichtige Teile von der Konkurrenz mieten.

Dies ist eine logische Praxis, die nicht nur auf die MotoGP-Klasse beschränkt ist. Ein Beweis dafür ist der Qualitätssprung, den Aston Martin in der Formel-1-Saison 2023 gemacht hat, indem man von Red Bull und Mercedes einige der wichtigsten Mitglieder “gestohlen” hat. Das, was Suzuki getan hat, steht für Honda oder Yamaha nicht zur Debatte, denn dort sieht man sich nur ungern außerhalb ihrer Grenzen nach Talenten um.

“Anfangs wurde ich bei Suzuki fast wie ein Verrückter behandelt. Sie sagten, ‘so machen wir das nicht’.” Davide Brivio

Der Erfolg von Suzuki kann natürlich nicht an einer einzelnen Person festgemacht werden, aber die meisten Mitglieder des Teams sind sich einig, dass Davide Brivio das Mastermind ist, das die ganze Sache geformt hat.

Der Italiener, der derzeit in der Formel 1 bei Alpine arbeitet und dort das Nachwuchsprogramm leitet, wurde von Suzuki beauftragt, die MotoGP-Rückkehr im Jahr 2015 zu leiten – vier Jahre nachdem er die Rennserie verlassen hatte. Das erlaubte ihm, eine Strategie zu entwickeln, die darauf abzielte, so viel Verständnis wie möglich zwischen Japan und Europa aufzubauen.

Auch wenn es, wie Brivio selbst im Gespräch mit der spanischen Ausgabe von ‘Motorsport.com’ zugibt, alles andere als einfach war, dies zu erreichen. “Ich hatte eine gewisse Glaubwürdigkeit, denn ich hatte mit Yamaha und Valentino [Rossi] gewonnen. Aber bei meinen ersten Besuchen in Japan bin ich durchgedreht. Es waren achtstündige Meetings, bei denen wir erschöpft waren. Ich war vier oder fünf Mal im Jahr in Japan”, erinnert sich Brivio am Telefon.

Was bei Honda und Yamaha anders ist als bei Suzuki

Das Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Fall Suzuki und dem von Honda und Yamaha ist das Vertrauen. Der Schlüssel in diesem Zusammenhang war die freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Brivio und Ken Kawauchi – ein Tandem, das gut zusammenpasste und das die notwendige Gelassenheit im Unternehmen erzeugte.

“Shinichi Sahara rief mich an”, erinnert sich Brivio. “Er erzählte mir, dass Suzuki die MotoGP-Rückkehr plant und dass die Ingenieure in Japan bereits das Motorrad vorbereiten. Sie hatten aber keine Struktur. Ich sagte ihnen, dass ich ihnen helfen würde und ich begann damit, die Einkaufsliste zu erstellen. Ken sagte mir, welche Teile wir brauchen und ich machte mich auf die Suche nach ihnen.”

Saharas ersten Wunsch vergisst Brivio nie: “Er bat mich, herauszufinden, ob Rossi bereit wäre, ab 2014 mit uns Rennen zu fahren.” Nachdem er den japanischen Manager mit einem Schlag auf den Boden der Tatsachen geholt hatte – Rossi war absolut unerreichbar – begann Brivio, seine Ziele zu konkretisieren.

“Wir haben Manu Cazeaux geholt, der für die Koordination der technischen Seite zuständig war. Mit ihm haben wir die Performance-Abteilung aufgebaut. Nach und nach sind wir gewachsen”, sagt der heutige Alpine-Mitarbeiter, der an diesem Wochenende in Spa ist, wo das letzte Rennen vor der Formel-1-Sommerpause stattfindet.

Als Suzuki seine Tore schloss, haben die anderen Teams die Mitglieder dieser Abteilung schnell unter Vertrag genommen, da sie deren Wert erkannt haben. Honda hat Kawauchi geholt, um die Japaner-Quote noch weiter zu erhöhen.

Aus seiner Perspektive und mit der Erfahrung seiner Rolle als ‘Architekt’ von Suzukis MotoGP-Rückkehr, versteht Brivio die Frustration, die sowohl HRC-Teammanager Alberto Puig als auch Yamaha-Rennleiter Lin Jarvis angesichts des Widerwillens ihrer Muttergesellschaften, ihnen mehr Verantwortung zu übertragen, empfinden.

“Anfangs wurde ich bei Suzuki fast wie ein Verrückter behandelt. Sie sagten: ‘so machen wir das nicht’. Nach einer Weile aber fingen sie an, mir ein wenig mehr zu vertrauen, bis sie sich entspannten”, sagt Brivio. Und ein ehemaliger Suzuki-Techniker, der jetzt in der Box eines anderen MotoGP-Teams an einem der europäischen Motorräder arbeitet, merkt an: “Wir waren wie eine Familie. Suzuki hat sich sehr auf uns verlassen. Kann man sich das bei Honda oder Yamaha vorstellen? Auf keinen Fall.”

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