Lifestyle

„Bus“ von Christina Röckl: Ein einziges Lächeln genügt

„bus“ von christina röckl: ein einziges lächeln genügt

Immer nur grimmig schauen, ist auf die Dauer nur schwer durchzuhalten.

Rund und gelb wie die Sonne leuchtet das Lachgesicht eines Männleins im Finstern, das ganz allein an der Haltestelle wartet: auf den Bus, dessen grimmer Scheinwerferblick schon drohend die Nacht durchschneidet. Im Inneren des Gefährts geht es nicht lichter zu. Herabgezogene Mundwinkel sieht man, wohin man in den Sitzreihen blickt. Versammelt ist ein buntes Panoptikum verschiedenster Gestalten mit Turmfrisuren, Fellgesichtern, Hörnern oder Hüten. Lustig mögen sie aussehen, doch so benehmen sie sich nicht. Ihre Augenbrauen, mittig oder an der Seite herabgezogen, verraten: Hier sitzen bloß traurige oder wütende Wesen, Seite an Seite, und starren geradeaus. Dass der neue Passagier mit Strahlemiene ein fröhliches „Hiiiii!“ in die Runde wirft, kommt da gar nicht gut an. Die anderen, zur Menge vereint, wollen offenbar Misslaune kultivieren. Oder haben sie Angst vor einem Lächeln?

Der Strahlemann bleibt gleichwohl, wer er schon vor dem Einsteigen war. Und fragt pantomimisch den Sitznachbarn: Läuft da nicht ein cooles Kätzchen mit Tigerstreifen im Fell und Sonnenbrille auf der Nase neben dem Bus durch das Dunkle, „hmm?“ – „Yeah“, antwortet die Schirmmütze des Mitfahrers schon, bevor ihr Träger einstimmt: „Jaaa“. Und schon breitet sich eine Sprechblase mit Lachlauten zwischen zweien aus, die einen Dritten tatsächlich zum zaghaften Mundwinkel-nach-oben-Ziehen bringt.

Wie mit Fingerfarben kühn auf eine Fensterscheibe gemalt, setzt die mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Buchkünstlerin Christina Röckl in ihrem neuen Bilderbuch „Bus“ eine kleine Geschichte von der großen Ansteckungskraft der guten Laune in Bilder. Worte braucht sie dazu kaum, es genügen langgezogene Laute wie der Emphase oder des Zweifels wie „Ahhh!“ und „Haaa?“. Die Erzählung zeigt sich in Darstellungen voller skurriler Details, die sich beim Wieder-und-wieder-Betrachten erschließen. Da gibt es einen Miniaturhasen in der Westentasche eines Peace-Zeichen-Trägers zu entdecken, ein Monokel im Gesichts des Typs mit dem Amöbenkörper und ein zwitscherndes Vögelchen im Haar des Rotschopfs. Vor allem aber gilt es der Spur des Lächelns zu folgen, das im Bus bleibt, auch nachdem sein Importeur sich winkend verabschiedet hat. Draußen wird es außerdem immer heller, bis man die phantastische, fast urwaldartige Landschaft sieht, durch die das Gefährt seine Bahn zieht, hin zu Hochhäusern mit locker hingetupften Fenstern.

„bus“ von christina röckl: ein einziges lächeln genügt

Flirtet der Schirmmützenträger etwa mit dem Topfschnittmädchen? Ist das der Hut des Blaukopfs auf der Running-Gag-Katze? Aber sicher, sein Sitzplatz im Bus ist nun ja leer, und wem sonst ruft man deshalb „Byeeeee“ hinterher? Geschichten erfinden sich fast von selbst zu den Bilddoppelseiten, auf denen es immer witziger zugeht, bis am Ende ein kakophonisches Geplapper die Reisegesellschaft ergreift, mit hellvokaligem „Lililili“, „Wiff“ und „heieieieiei“. Verschieden sieht die diverse Versammlung jetzt erst aus, da Bewegung in sie und die Mimik jedes Einzelnen gekommen ist, mit rollenden Augen, pochenden Herzen oder roten Wangen. Da muss sogar der Bus irgendwann grinsen, und Leser, ob klein oder groß, tun es auch. Auf wen aber die kleine Katze am letzten Halt wartet, wird nicht verraten.

Christina Röckl: „Bus“.Verlag Kunstanstifter, Mannheim 2024. 36 S., geb., 22,– €. Ab 3 J.

TOP STORIES

Top List in the World