Motorrad

Bremsenrubbeln: Darum passiert es

Eine rubbelnde Bremse nervt nicht nur, sondern vermindert obendrein die Sicherheit und erhöht den Verschleiß. Wir beleuchten Ursachen und Lösungen.

bremsenrubbeln: darum passiert es

(Bild: Clemens Gleich)

In meiner mittlerweile recht langen Zeit als Fahrzeugtester habe ich eine Menge rubbelnder Bremsen an Testmaschinen erlebt – aus den unterschiedlichsten Gründen. Da ich gerade wieder ein hartnäckiges Bremsenrubbeln an meinem eigenen Motorrad in die Enge treibe, berichte ich zudem von Lösungen aus der Praxis. Bremsenrubbeln hat immer den gleichen Effekt: Die Bremswirkung der Beläge ändert sich über den Scheibenverlauf, was zu spürbaren Vibrationen in Lenker/Lenkrad und im Restfahrzeug führt. Die Ursachen hierfür sind recht unterschiedlich.

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Oberste Schicht

Die bei mir und wahrscheinlich generell häufigste Ursache liegt in der obersten Schicht der Scheibe. Dort kann sich ein unterschiedlicher Reibwert bilden, wenn zum Beispiel die Beläge an der Scheibe stark festrosten (je nach Materialpaarung Scheibe-Beläge). Beim Auto gab es so etwas früher zudem häufiger bei organischen Belägen beim Einbremsen: Die Beläge werden heiß, man kommt beim Einbremsen (oft ungewollt durch Verkehrsfluss) zum Stehen, und die Beläge pappen einmal an. Der Ursprung für ein Rubbeln kann dann bereits gelegt sein. Es kann jedoch auch durch trockene Verschmutzungen oder komplexes Zusammenwirken mehrerer Faktoren passieren. Typisch für Probleme auf der obersten Schicht ist, dass das Rubbeln verstärkt (oder überhaupt erst bemerkbar) wird, wenn die Bremse auf Betriebstemperatur kommt (“Heißrubbeln”).

In solchen Fällen würde man denken: “Haja, das bremst sich ja wieder weg.”, weil das bei normalem Flugrost üblicherweise der Fall ist. Die Rubbel-Stellen jedoch verändern lokal den Materialübergang Belag-Scheibe, sodass sich der unterschiedliche Reibwert dauerhaft perpetuiert. Es gibt hier nur eine Abhilfe: Die oberste Schicht muss runter. Ich habe schon häufiger gelesen, dass Leute mit Schleifpapier diese Stellen ausschleifen. Die Reibwertsprungstellen sind bei Flugrost meistens deutlich erkennbar am Belagabdruck. So ein Abschleifen hat bei mir noch nie geklappt. Sie müssen da auch etwas vorsichtig sein, damit Sie nicht so viel Material abnehmen, dass Sie damit den Grundstein für ein späteres Rubbeln aus Materialungleichheit legen.

bremsenrubbeln: darum passiert es Flugrost an einer Einzelscheiben-Bremsanlage mit deutlich erkennbarem Belag-Knutschfleck. In diesem Fall bremste sich das wieder weg. So etwas kann aber durchaus zu dauerhaftem Rubbeln führen.

Bei mir half bei so etwas nur Bremsscheibe abdrehen (Auto) oder neu parallel einschleifen (Motorrad). Damit sich das gegenüber neuen Scheiben lohnt, müssen die Bremsscheiben entsprechend teuer sein. Bei 0815-Alltagsautoscheiben sind meistens neue Scheiben billiger. Abdrehen kostet 40 bis 90 Euro pro Scheibe. Beim Motorrad kostet parallelschleifen je nach Anbieter 100 bis 200 Euro pro Scheibe. Neue Scheiben kosten 160 bis 270 Euro pro Scheibe, sodass es hier ähnlich wie beim Auto aussieht: lohnt sich eher für die teuren Sport-Bremsanlagen. Voraussetzung ist natürlich eine ausreichende Mindestdicke, die nach dem Materialabtrag noch stimmt. Kohlefaser-Keramik-Bremsscheiben (CMC) sind gegen die meisten solchen Oberflächenursachen immun.

Seitenschlag

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Eine perfidere Variante kennen viele KTM-Kunden: Jede neue Bremsscheibe rubbelt nach einigen tausend Kilometern immer wieder, und zwar auch schon kalt (“Kaltrubbeln”). Der Grund hierfür ist ein leichter Seitenschlag der Radaufhängung, der im KTM-Werk Mattighofen beim Umspannen der Felgen zur Radlageraufnahmen-Einfräsung gern passiert. Er ist im normalen Fahrbetrieb (anders als ein starker Seitenschlag) nicht bemerkbar, lässt aber die Scheibe ungleichmäßig abnutzen. Nach entsprechender Zeit wird sie ungleichmäßig dick und rubbelt.

Sie könnten so eine Scheibe abdrehen oder parallelschleifen, wenn die ungleiche Abnutzung nicht schon zu stark fortgeschritten ist. Bei starkem solchem Verschleiß lohnt sich das Schleifen/Abdrehen im Hinblick auf die verringerte Restdicke selten. Am besten drehen Sie Ihre Räder spätestens nach dem ersten, verdächtig frühen Bremsscheibentausch einmal an der Fühlerlehre entlang und messen den Seitenschlag. Das kostet selbst bei eigenem Werkzeugkauf nicht viel und die Daten sind sehr wertvoll, und sei es nur als Ausschlusskriterium.

bremsenrubbeln: darum passiert es Bremsscheiben abdrehen lassen lohnt sich meistens nur bei entsprechend teuren Sport-Bremsanlagen.

Die Abhilfe ist hier außer einer neuen oder zurechtgeschliffenen Scheibe zusätzlich die Begradigung des Bremsscheibenlaufs, denn ohne die steht der neuen Scheibe das gleiche Schicksal bevor. Die einfachste Ursache sind stark ungleichmäßig angezogene Schrauben, die die Bremsscheibe aus der idealen Ebene ziehen oder Verschmutzungen bei der Montage. Nach Werkstattbuch (also meistens über Kreuz), mit den korrekten Anzugsdrehmomenten mit Schraubensicherung und Drehmomentschlüssel anziehen und dabei alle Teile penibel sauber halten kann also bereits helfen.

Teurer wird es, wenn das Rad insgesamt krumm läuft (der oben beschriebene KTM-Fehler). Hier müssen Sie, und ich sage das aus schmerzlicher Erfahrung, aufpassen, dass die Werkstatt nicht einfach die Aufnahme der Bremsscheibe neu abdreht (was fast jede Werkstatt kann). Wenn sie das tut, spannt sie das Rad über die krumme Achsfräsung ein und fräst die krumme Ebene einfach neu krumm nach, was nichts bringen kann. Nein, die Radlager müssen raus und die Aufnahmen gerade neu gefräst werden. Das kann fast keine Werkstatt, das Rad muss daher oft an diese Spezialwerkstätten verschickt werden. Bei mir hat das 200 Euro für eine Motorradfelge gekostet, was mir besser gefiel als 470 Euro für eine neue Felge.

Ungleichmäßiger Verschleiß

Eine andere Ursache als ein per Messuhr einfach zu messender Seitenschlag ist schwieriger zu diagnostizieren: ungleichmäßige Scheiben-Materialstärke ohne Seitenschlag. Ich habe gelesen, das könne schon beim falschen Einbremsen passieren, wenn sich also noch kein zuverlässiger Materialübertrag bilden konnte. Ich bremse neue Scheiben immer ein. Am besten eignet sich hierzu natürlich eine abgesperrte Strecke oder ein großer Platz – irgendetwas, bei dem Sie nicht ungeplant mit heißer Bremsanlage anhalten müssen. Am schnellsten geht es in meiner Erfahrung auf der Rennstrecke, weil dort viel, unterschiedlich, aber zuverlässig ohne Stopp gebremst wird. Dabei bremse ich vorsichtig die erste Übertragsschicht auf dem Platz auf und fahre dann meine normalen Turns in stetig steigender Geschwindigkeit.

bremsenrubbeln: darum passiert es Frisch parallel neu eingeschliffene Bremsscheibe mit im schrägen Licht erkennbarer Schleifstruktur

Eine andere Ursache kann in schlechtgängigen Bremskolben (und bei Schwimmsätteln: Bolzen oder Scharnieren) liegen. Hier können sich minimale Fertigungstoleranzen, die ansonsten unproblematisch wären, zu letztlich kaum mehr zu behebbarem Rubbeln aus ungleichmäßiger Abnutzung auswachsen. Bei ausgebauten Belägen sollten die Kolben bei (vorsichtiger!) Bremsbetätigung gleichmäßig herauskommen. Zur besseren Beobachtung den Kolben der anderen Fahrzeugseite blockieren. Kolben vor allem beim Motorrad vor dem Hereindrücken säubern, NICHT mit Dreck wieder reinquetschen.

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