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Autos, Bahnen und Fußgänger ausgebremst: Warum Dresden dennoch die Bodenbacher Straße saniert

Für 13 Millionen Euro will Dresden 860 Meter Bodenbacher Straße sanieren. Davon werden Fußgänger, Autos und ÖPNV ausgebremst, Radfahrer profitieren. Richtig glücklich ist mit dem Projekt niemand.

autos, bahnen und fußgänger ausgebremst: warum dresden dennoch die bodenbacher straße saniert

Aktuell fährt die Straßenbahn auf der Bodenbacher Straße in Dresden-Seidnitz im eigenen Gleisbett. Das soll sich ändern. © Sven Ellger

Dresden. Es klingt nach einem schlechten Scherz: Dresden will 13 Millionen Euro ausgeben, um einen kleinen Abschnitt der Bodenbacher Straße in Seidnitz komplett zu erneuern. Im Anschluss daran kommen sowohl Autofahrer, als auch Fußgänger und die DVB langsamer voran als vorher. Dennoch will die Landeshauptstadt so schnell wie möglich bauen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Projekt.

Warum war die Bodenbacher Straße einst “Pilotlinie”?

Bereits seit 1890 gibt es in Dresden eine “Linie 2”, damals noch betrieben als Pferdebahn. 1993 wurde die Linie dann zur “Pilotlinie 2”, inklusive Förderung durch Bundesmittel. Hauptplanungsziel war damals die “störungsfreie Bevorrechtigung des Straßenbahnverkehrs durch Einordnung eines besonderen Bahnkörpers”. Soll heißen, die Bahn bekam in Dresden erstmals mit hohem Nachdruck einen eigenen Raum, um unabhängig vom Autoverkehr schnell durch die Stadt zu kommen. Im Jahr 2014 verkündeten die DVB voller Stolz den erfolgreichen Abschluss der Pilotlinie, auf der auch erstmals das Dresdner Rasengleis getestet wurde.

Für die DVB ist das eigene Gleisbett noch immer ein Hauptziel. Vor allem in den vergangenen Jahren wurden immer wieder Autospuren abgeordnet, um Bus und Bahn mehr Platz geben. Zuletzt geschah dies auf der Tolkewitzer Straße in Richtung Schillerplatz. Auf der Bodenbacher Straße fahren aktuell jeweils im 10-Minuten-Takt die Straßenbahnlinien 1 und 2. Der Streckenabschnitt wird täglich von etwa 10.000 Fahrgästen genutzt. Etwa 16.000 Autos fahren hier pro Tag.

Was hat die Stadt jetzt vor?

So schnell wie möglich will Dresden die Bodenbacher Straße zwischen Schilfweg und Suttnerstraße, also im Bereich der Margon-Arena, komplett sanieren. Im Rathaus hat es dafür verschiedene Vorplanungen gegeben. Der Rat soll jetzt eine Vorzugsvariante beschließen, gebaut werden könnte 2027. Am Mittwoch berät dazu der Bauausschuss.

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Der 860 Meter lange Straßenabschnitt soll, so der Plan im Rathaus, im Bestand saniert werden. Der Straßenraum soll aber komplett neu aufgeteilt werden. Autos und Bahnen teilen sich zukünftig eine Fahrspur. Ampeln sollen dabei so geschaltet werden, dass Straßenbahnen als “Pulkführer” vor der Autokolonne rollen.

Mit dem so neu entstehenden Raum sollen die dringend benötigten ausreichend breiten Rad- und Fußwege entstehen. Insgesamt müssen dennoch 23 Bäume gefällt werden.

Welche Auswirkungen hat der Bau auf den Verkehr?

Dass sich Autos und Straßenbahnen zukünftig einen Fahrstreifen teilen sollen, “führt während der Hauptverkehrszeit zu einem Anstieg der Reisezeiten für den Kfz- und Straßenbahnverkehr. Das Planungsziel eines behinderungsarmen ÖPNV möglichst ohne Verschlechterung gegenüber dem Bestand kann nicht vollumfänglich erreicht werden”, sagt die Stadt in der nun vorliegenden Beschlussvorlage für den Rat.

Was verhältnismäßig harmlos klingt, bedeutet teils spürbare Wartezeiten. Die planerisch berechneten mittleren Reisezeiten für Autos erhöhen sich je Richtung um eine Minute. Die Straßenbahn wird in Richtung Westen um sieben, in Richtung Osten um 51 Sekunden langsamer. An der Marienberger Straße müssen Bahnen anderthalb Minuten warten.

Die Wartezeiten für Fußgänger liegen je nach Kreuzung bei 13, 66, 97 oder 98 Sekunden. Die Qualitätseinstufung nahezu aller Wartezeiten für den ÖPNV und für Fußgänger liegen auf einer Skala von A bis F zukünftig bei F. Die Wartezeiten für Autos liegen bei C und D und damit ebenfalls außerhalb des grünen Bereiches (A und B).

Warum soll dennoch gebaut werden?

An der Bodenbacher Straße nahe der Margon-Arena wird das Gymnasium LEO gebaut. Im Rat wurden dafür bereits sämtliche Beschlüsse getroffen. Geplanter Baustart: Juli 2023. Dresden investiert in diesen dringend benötigten Neubau für 900 Schülerinnen und Schüler 63 Millionen Euro. Bereits 2025 sollen die ersten Klassen dort unterrichtet werden.

Dabei gibt es aber ein Problem: Eine Betriebserlaubnis in voller Auslastung erhält die Stadt für die Schule nur, wenn im Umkreis ausreichend sichere Rad- und Gehwege vorhanden sind. Aktuell ist das nicht so. Im Bereich des eigenen Bahnkörpers können Radfahrende meist nicht unter Einhaltung des seitlichen Mindestabstands von 1,50 Metern überholt werden. Auch die Gehwege sind viel zu klein.

Kommen, so die Sorge im Rathaus und in der Landesdirektion, am Morgen hunderte Schüler gleichzeitig an, kann deren Sicherheit auf den zu schmalen Gehwegen und nicht vorhandenen Radwegen nicht garantiert werden. “Es gibt Handlungsbedarf hinsichtlich der Verkehrssicherheit für den Schulverkehr und die Berücksichtigung der Anforderungen für den Fußgänger- und Radverkehr”, heißt es dazu in der Ratsvorlage.

Wie reagiert die Politik?

“Momentan ist niemand im Rat mit der aktuellen Lösung zufrieden”, sagt Stadtrat Veit Böhm (CDU). Vor allem die extrem hohen Sanierungskosten von mindestens 13 Millionen Euro ärgern. “Es gibt genug Straßen, die in einem erbärmlichen Zustand sind. Die Bodenbacher Straße ist hingegen in Ordnung.” Aus seiner Sicht soll ein Beschluss über die Vorlage vertagt werden. Die Verwaltung solle nach Alternativen suchen, den Radweg zum Beispiel abseits der Bodenbacher Straße führen.

Auch die Grünen sind mit den Plänen der Stadt nicht einverstanden. Stadträtin Susanne Krause: “Die Verbesserungen für den Radverkehr wiegen die Verschlechterungen für den ÖPNV nicht auf. Würden wir dort keine Schule brauchen, würden wir die Maßnahme so nicht bauen.” Per Änderungsantrag soll die Baumreihe an der Marienberger Straße erhalten und ein noch sichererer Radweg geplant werden. Dem aktuellen Plan der Stadt will man jetzt nicht zustimmen.

De DVB wollen sich erst nach der Beratung der Pläne durch den Bauausschuss äußern. Auch das Rathaus äußerte sich auf Nachfrage nicht zu Details, bestätigte aber den direkten Zusammenhang zwischen sicheren Rad- und Fußwegen und der Eröffnung des Gymnasiums.

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