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Audi Q6 e-tron strebt nach Vorsprung durch Technik

Mit zweijähriger Verspätung rollt Audi den neuen Q 6 e-tron an den Start. Das Schwestermodell des Porsche Macan soll neue Standards setzen.

Ursprünglich wollte Audi seinen neuen Q6 e-tron schon 2022 vorstellen. Doch bei Cariad, der Softwareschmiede des Volkswagen-Konzerns, wurde die hochkomplexe Elektronikarchitektur E³ 1.2 für das erste SUV auf der neuen Premium Platform Elektric (PPE) nicht rechtzeitig fertig. Und auch der zweite Starttermin ein Jahr später platzte. Verantwortlich dafür waren diesmal Turbulenzen im Management: Sowohl Cariad als auch Audi bekamen neue Chefs – die sich erst einmal in die neuen Aufgaben einarbeiten mussten bzw. auf Nachbesserungen drängten.

Aber jetzt sollen alle Probleme ausgeräumt sein: Mit zweijähriger Verspätung präsentierte Audi gestern Abend (18. März) in Ingolstadt den neuen Elektro-SUV, der die Lücke zwischen dem Q4 e-tron und dem Q8 e-tron schließen soll. Mit einer 800-Volt-Architektur, hocheffizienten Elektromotoren und einer neuen Zellchemie soll der Stromer die Elektromobilität mit vier Ringen auf ein neues Level heben. Darunter tun sie es nicht in Ingolstadt, wo der Markenclaim „Vorsprung durch Technik“ weiterleben soll.

audi q6 e-tron strebt nach vorsprung durch technik

Kraftvoller Auftritt Nach Ansicht von Exterieurdesigner Philipp Römers kommt beim SQ 6 (links) und Q6 e-tron die Dynamik des Elektroautos optisch am besten in der Heckansicht zur Geltung. Einige Stilelemente wurden hier vom e-tron GT übernommen.

Doch das lange Warten auf das Schwestermodell des neuen, vollelektrischen Porsche Macan und das erste Elektroauto aus Ingolstadt dürfte sich gelohnt haben – nach dem, was wir rund um die Weltpremiere in Gesprächen mit einigen am Projekt beteiligten Ingenieuren erfuhren. So ist der Q6 e-tron im Vergleich zum Audi e-tron der ersten Generation – der mittlerweile auf den Namen Q8 hört – nicht nur 15 Prozent leichter, sondern auch um 30 Prozent sparsamer.

Schnelles Laden mit bis zu 270 kW

Und weil die neuen Elektromotoren nicht nur effizienter arbeiten, sondern die neuen, von CATL aus Thüringen zugelieferten Lithium-Ionen-Akkus dank einer neuen Zellchemie auch eine höhere Leistungsdichte aufweisen, soll der Q6 e-tron deutlich weiter rollen als das geringfügig größere Audi-Modell: Versprochen wird eine Reichweite von 400 Kilometern im Alltagsverkehr mit dem brutto 83 kWh, netto etwa 77 kWh großen Akku. Über 700 Kilometer sollen es in der heckgetriebenen Variante mit dem brutto 100, netto 94,9 kWh fassenden Stromspeicher sein, der später nachgereicht wird. Für die allradgetriebene und 285 kW oder 387 PS starke Version, mit der Audi im Herbst den Verkauf startet, wird eine Reichweite von bis zu 625 Kilometer nach der Verbrauchsnorm WLTP versprochen. .

audi q6 e-tron strebt nach vorsprung durch technik

Ladeports im Heckbereich Der Q6 e-tron wird mit zwei Ladeports ausgeliefert, wovon der rechte für die Aufnahme von bis zu 11 kW Wechselstrom aus der Wallbox vorgesehen ist. Schnell geladen wird über einen CCS-Anschluss auf der linken Seite. Hier liegen bis zu 270 kW an.

Vor allem aber wird der neue Stromer deutlich schneller Strom aufnehmen als der erste Elektro-SUV von Audi, der bereits 2019 auf den Markt kam und bis heute mit einer 400-Volt-Architektur unterwegs ist. Beträgt dort die maximale Ladeleistung 150 kW, kann der A6 e-tron am mit Gleichstrom betriebenen Schnelllader den Strom mit bis zu 270 kW aufnehmen. Und die hohe Ladeleistung liegt nicht nur wenige Minuten an, sondern bis zu einem Füllstand (SoC) von über 30 Prozent. Und bei einem SoC von 80 Prozent sollen noch über 110 kW anliegen.

Mit dem Ergebnis, dass der große Akku spätestens nach 20 Minuten wieder zu 80 Prozent gefüllt ist oder nach zehn Minuten ausreichend Energie für eine Fahrstrecke von 255 Kilometern an Bord ist. Zum Laden stehen wie beim Q8 e-tron wieder zwei Ladeports bereit. Nur befinden sich diese – wie künftig bei allen Elektroautos aus dem VW-Konzern – nun im Heckbereich: Auf der linken Seite kann mit Gleichstrom (DC) und Wechselstrom (AC) geladen werden. Der AC-Anschluss rechts ist standardmäßig für eine Ladeleistung von 11 kW ausgerüstet, gegen Aufpreis verträgt er auch 22 kW.

Hoch effizient und flüsterleise

Die Ingenieure haben eine Menge Grips in den Antrieb des neuen Q6 e-tron gesteckt, um dem Audi-Claim gerecht zu werden. „Die zugkraftunterbrechungsfreie Beschleunigung ist einfach geil“, erzählt Gerhard Fröhlich, der bei Audi für die Entwicklung der Elektroantriebe verantwortlich ist, von den Testfahrten mit dem neuen Auto. Der 2,3 Tonnen schwere SQ6 e-tron erreicht Tempo 100 nach 4,3 Sekunden, abgeregelt werde erst bei 230 km/h.

Noch mehr aber begeistert Fröhlich, wie lautlos der Antrieb dabei arbeitet: „Hier haben wir den größten Sprung nach vorne gemacht.“ Gab der erste e-tron beim Beschleunigen noch Geräusche wie eine Straßenbahn von sich, sei bei dem neuen Stromer davon nichts mehr zu hören. Durch einen anderen Rotoraufbau und eine veränderte Positionierung der Magneten, auch durch eine spezielle Formung des Gehäuses arbeiteten die aus dem Audi-Werk Györ zugelieferten Motoren nun praktisch geräuschlos. Fröhlich: „Da sind wir einzigartig.“

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Jeder für sich Das Cockpit des Q6 e-tron mit dem Curved Display hinter dem Lenkrad ist klar Fahrerorientiert. Für den Beifahrer gibt es ein 10,9 Zoll großes Extra-Display, über das unterwegs Filme geschaut werden können, ohne den Fahrer abzulenken.

Baureihenleiter Robert Meyer, ehemals Leiter der Konzernstrategie bei Volkswagen in Wolfsburg, sieht aber beim Q6 e-tron den Vorsprung durch Technik noch an anderen Stellen. Beispielsweise durch den Einsatz einer elektrischen Ölpumpe, um die im Motor entstehende Hitze schneller abzuführen: Laute Lüftergeräusche, die andere Elektroautos gerne an der Ladestation entwickelten, werde man beim Q6 e-tron nicht hören, versichert er. Durch die sogenannte Rotorölkühlung konnte zudem die Leistungsdichte um 20 Prozent gesteigert werden, erzählt er voller Stolz. In Summe aller Maßnahmen liege die Leistung – bezogen auf das Gewicht des Antriebs – um 60 Prozent über dem des e-tron der ersten Generation. Meyer: „Das ist ein großer Schritt nach vorn.“

Neue Elektronik-Architektur E³ 1.2

Den werde man dank der neuen Elektronikarchitektur E³ 1.2 auch beim Bedienkomfort, Reaktionsschnelligkeit und Entwicklungsfähigkeit des neuen Audi erleben, versprach Ali Safiei von Cariad. Ja, die Entwicklung des Systems habe aufgrund der hohen Komplexität und der vielfältigen Anforderungen länger gedauert als ursprünglich geplant. Aber dafür biete das System nun eine Vielfalt an Möglichkeiten, um den Alltag mit einem Elektroauto zu erleichtern. Etwa durch die Nutzung von Plug & Charge („Das Auto wird zur Ladekarte“) und einer innovativen, vorausschauenden Ladeplanung. Safiei: „Das ist ein echter Technologiesprung.“ Abstürze des Systems, verspricht er, müsse niemand befürchten – auch da seien Audi-Kunden auf der sicheren Seite.

audi q6 e-tron strebt nach vorsprung durch technik

Neue Lichtsignatur Der Audi Q6 e-tron hat noch den klassischen Single Frame. Aber die Anordnung der Leuchten deutet bereits die Weiterentwicklung an: Die Hauptscheinwerfer werden vom Tagfahrlicht getrennt und sind tagsüber fast unsichtbar.

Auf eine Möglichkeit zum bidirektionalen Laden müssen die Käufer des Audi e-tron allerdings verzichten – derartiges war noch nicht vorgesehen, als das Lastenheft für das Elektroauto geschrieben wurde. Hier merkt man ein wenig, dass die Fahrzeugentwicklung – bis auf die Software – eigentlich schon vor zwei Jahren abgeschlossen war.

Dass der Q6 e-tron jetzt endlich auf die Straße rollt, freut auch Exterieur-Chefdesigner Philipp Römers – er hat mit dem Projekt in Gedanken längst abgeschlossen, freut sich schon auf die nächsten Elektroautos von Audi, die in den kommenden „endlich“ präsentiert werden können. Die noch dynamischere Sportback-Variante des Q6 e-tron, die Version mit verlängertem Radstand für den chinesischen Markt, aber auch der A6 e-tron – die Aufholjagd bei Audi hat gerade erst begonnen.

Preise beginnen bei 74.400 Euro – erst einmal

Von der momentanen Schwächephase, mit der die Antriebswende in Deutschland und anderen Teilen Europas, aber auch in Nordamerika gerade zu kämpfen hat, lassen sie sich in Ingolstadt nicht kirre machen. Auch nicht im Vertrieb. Die Preise für den Q6 e-tron stehen – und werden bis zur Markteinführung im dritten Quartal nicht mehr verändert, versichert Vertriebschefin Hildegard Wortmann. Nun denn: Bestellt werden kann der neue Stromer ab sofort in zwei Quattro-Versionen, zu Preisen ab 74.400 Euro bzw. 93.800 Euro (SQ6 e-tron). Die Versionen mit Heckantrieb (mit großem und kleinerem Akku) folgen zum Jahreswechsel, der Sportback im kommenden Jahr.

In der neuen Batteriefabrik, die in Ingolstadt eingerichtet wurde, arbeiten sie schon auf vollen Touren im Dreischicht-Betrieb, damit die Bestellungen schnell abgearbeitet werden können: Bis zu 100.000 Akku können hier derzeit jährlich montiert werden, eine eigene Modulfertigung soll in Kürze hinzukommen – die Antriebswende ist bei Audi nicht mehr aufzuhalten. „Die Zukunft des Autos ist ganz klar elektrisch“, ist sich Audi-Chef Gernot Döllner sicher. Daran sei nicht mehr zu rütteln.

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