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Audi: Der Streit um die Dienstwagen geht weiter

Audi nahm Außendienstlern ihre Dienstwagen. Viele klagten erfolgreich dagegen. Jetzt gibt Audi die Autos zwar wieder heraus. Einige Kläger fühlen sich aber übervorteilt. Sie wollen mehr.

audi: der streit um die dienstwagen geht weiter

Audi: Der Streit um die Dienstwagen geht weiter

Anfang März hisste Audi die weiße Fahne. Über Monate hatte ein merkwürdiger Streit geschwelt: Ausgerechnet ein Autobauer hatte seinen Außendienstlern im Vertrieb ihre Dienstwagen genommen. Als viele Betroffene klagten und ein Urteil nach dem anderen, insgesamt über 20, zuungunsten Audis gesprochen wurde, kam der Zwist ganz oben in Ingolstadt an. Personalvorstand Xavier Ros (52) griff ein: Audi gab die Dienstwagen zurück; in der Öffentlichkeit verbreitete sich die Ingolstädter Erzählung, im Außendienst herrsche wieder Frieden.

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Für die Mehrheit der Fälle trifft das auch zu. Komplett zu den Akten legen kann Audi das Thema nach Informationen des manager magazins aber noch nicht. Eine hohe einstellige Zahl der klagenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die vorgeschlagene Vereinbarung von Audi nicht unterschrieben. Sie lassen ihre Klagen nicht fallen.

Ursprünglich hatten sich rund 40 der etwa 120 Betroffenen aus dem Vertrieb Deutschland vor Gericht gegen die Audi-Argumentation gewehrt, sie könnten ihre Arbeit, etwa die Betreuung von Händlern, hauptsächlich im Homeoffice erledigen und bräuchten deshalb keine Dienstwagen mehr. Das hätte die Vertriebler nicht nur in ihrer Mobilität beeinträchtigt, es hätte sie auch viel Geld gekostet: In einem der Urteile ist von einem geldwerten Vorteil von 1119 Euro brutto pro Monat für den Mitarbeiter die Rede.

Audi berief sich zusätzlich auf eine Vertragsklausel, die besagt, die Außendienstler müssten zu mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit auf Dienstreisen mit dem Auto unterwegs sein. Mit einer Ausnahme erklärten bislang alle mit den Fällen befassten Arbeitsgerichte die Regelung für unwirksam. Und das abweichende Urteil aus Dortmund räumte schließlich das Landesarbeitsgericht Hamm ab.

Als die Aussicht auf Erfolge vor Gericht sich der Null näherte, änderte Audi die Strategie: Der Hersteller bot den Außendienstlern an, ihnen die Dienstwagen zurückzugeben. Außerdem bekamen sie eine Kompensationszahlung: ein Prozent des Bruttolistenpreises des zuletzt gefahrenen Fahrzeugs pro Monat ab dem 30. Dezember 2023. Zum Jahresende mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Autos abgeben. Eine Zusatzkompensation von 300 Euro brutto pro Monat lobte Audi auch noch aus. Den entsprechenden Vorschlag von Ende Februar, mit der Bitte um Unterschrift bis zum 11. März, konnte das manager magazin einsehen.

Offiziell teilt Audi mit: „Gerade im Außendienst bedeutet Flexibilität häufig auch, individuell mobil zu sein. Deshalb haben wir gemeinsam mit den Kolleg_innen entschieden, den persönlichen Dienstwagen wieder als Mobilitätsoption anzubieten.“ Mitarbeiter hätten über „einen Erfolg auf ganzer Linie“ gejubelt, hieß es in Medien.

Audi baut neue Klauseln ein

Audis Problem: Das sehen nicht alle so. Etwa Friedrich Meyer (57), der Rechtsanwalt vertritt einige der Kläger und riet ihnen: Bloß nicht unterschreiben. Fast alle seiner Mandanten, so berichtet Meyer, sind seinem Rat gefolgt. Der Jurist warnte, Audi habe den Mitarbeitern eine Vereinbarung vorgelegt, „ich würde fast sagen: untergeschoben“, die sie im Vergleich zur bisherigen Regelung benachteiligt.

Die 50-Prozent-Regel, die vor Gericht nicht standhielt, hat der Hersteller zwar gestrichen. Dafür behält sich Audi vor, die Dienstwagen aus anderen Gründen wieder einzuziehen. Die „Vertragsergänzung Funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug“ führt sie auf:

  • Gründe in der Person (zum Beispiel Verlust der Fahrerlaubnis),

  • wirtschaftliche Gründe (zum Beispiel Kostensenkungsmaßnahmen, Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Audi AG),

  • verhaltensbedingte Gründe (zum Beispiel vertragswidrige Nutzung des funktionsabhängigen Geschäftsfahrzeugs).

Wer unterschreibt, könnte sein Auto beim nächsten Sparprogramm also wieder verlieren. „Es wird eine unwirksame und damit gar nicht bestehende Regelung durch eine wirksame ersetzt“, kritisiert Meyer. „Audi kann ihnen damit die Dienstwagen viel einfacher entziehen.“

Rechtsanwalt Meyer stört sich noch an einem anderen Passus im Audi-Schreiben. Unter Punkt 4 heißt es: „Sofern Ihrerseits Klage eingereicht wurde, verpflichten Sie sich, auf eine möglichst kostenneutrale Beendigung des Verfahrens hinzuwirken, bspw. durch Klagerücknahme oder gerichtlicher Vergleich gegen Kostenaufhebung.“

Laut Meyer bedeutet das: „Wer geklagt hat und die Vereinbarung trotzdem unterschreibt, soll die Prozesskosten für die zweite Instanz tragen – obwohl die Urteile definitiv gegen Audi ausgefallen wären.“ Audi ließ Fragen zu der Kritik unbeantwortet.

Mit den Anwälten des Ingolstädter Autobauers wird sich Friedrich Meyer in nächster Zeit wohl noch das ein oder andere Mal vor Landesarbeitsgerichten treffen. Er ist sich sicher: Die ausstehenden Urteile werden ähnlich ausfallen wie das aus Hamm vom 23. Januar. „Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ist grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss“, schreiben die dortigen Richter in ihrer Urteilsbegründung. Heißt: Audi darf dem Kläger den Dienstwagen nicht wegnehmen, solange er für das Unternehmen arbeitet.

An eine höhere Instanz als die Landesarbeitsgerichte werden derartige Fälle nicht verwiesen, sagt Rechtsanwalt Meyer. Ein Ende des Streits ist auch für Audi also zumindest absehbar – in einigen Fällen dürfte es aber anders ausfallen, als von Xavier Ros und Co. gewünscht.

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