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Audi-Chef Döllner im Gespräch: „Wir planen langfristiger als die Politik“

audi-chef döllner im gespräch: „wir planen langfristiger als die politik“

Hoffnungsträger für Audi: Der elektrische SUV Q6 E-Tron – hier im Tarnkleid auf einer Messe in China – soll bald auf den Markt kommen

Herr Döllner, Audi wirkt derzeit wie ein Sanierungsfall. Es kommen kaum neue Autos auf die Straße, Ihr Vorgänger Markus Duesmann ist über die vielen Probleme zu Fall gekommen. Was müssen Sie jetzt tun?

Audi steht robust da. Wir haben in den vergangenen Monaten schon eine ganze Menge erreicht. Im Vorstand haben wir eine intensive Bestandsaufnahme gemacht und uns eine Audi-Agenda gegeben. Das ist eine sehr ausgewogene Mischung aus Transformations- und Strategieprogramm, in dem es um unsere Produkte und die Technologie geht, um die Marke und um unseren Plan für die wichtigen Märkte China und Nordamerika. Da ist alles drin, was wir brauchen, um Audi wieder weiter nach vorn zu bringen.

Ihr Konkurrent Mercedes hat gerade einen Strategieschwenk vollzogen und seine ambitionierten Ziele in der Elek­tromobilität aufgegeben, weil sich der Markt nicht so entwickelt wie erhofft. Müssen Sie auch umsteuern?

Bis zum Jahr 2026 bringen wir etliche neue batterieelektrische Fahrzeuge, Verbrenner und Plug-in-Hybride auf den Markt. Damit sind wir in allen Segmenten gut aufgestellt für die Übergangsphase, die vor uns liegt. Wir dürfen uns durch die Diskussionen, die derzeit geführt werden, nicht verunsichern lassen. Die Zukunft des Autos ist ganz klar elek­trisch!

Aber die Kunden nehmen die Elektroautos nicht gut an.

Das ist in erster Linie eine deutsche, in Teilen auch nordamerikanische Debatte. Wir planen voraussichtlich für 2026 die letzten großen Weltpremieren neuer Modellreihen mit konventionellen Antrieben und wollen entsprechend 2033 ihre Produktion auslaufen lassen. Die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos und Plug-in-Hybriden steigt in den großen EU-Ländern weiter. Andere Märkte, wie zum Beispiel China, haben andere Rahmenbedingungen, da kann sich der Verbrenner noch etwas länger halten. Die Herausforderung in diesen Märkten wird sein, die Komplexität zu reduzieren, etwa indem wir nicht mehr ein komplettes Verbrennerportfolio anbieten, sondern nur noch einzelne, hochattraktive Modelle.

audi-chef döllner im gespräch: „wir planen langfristiger als die politik“

Audi-Chef Gernot Döllner Anfang März in Ingolstadt

Ihr Vorgänger Markus Duesmann wollte binnen zwei Jahren mehr als 20 neue Modelle auf den Markt bringen. Sie entzerren alles. Nehmen Sie damit Audi nicht die Chance, den Knoten zu zerschlagen?

Wir haben entzerrt, das stimmt. Aber es sind immer noch über 20 Modelle und damit die dichteste Modellanlaufphase, die ich je in meiner Karriere irgendwo gesehen habe. Es bleibt ein Modellfeuerwerk. Es beginnt in diesem Sommer mit der Markteinführung unseres neuen Q6 E-tron, kurz darauf kommt der elektrische Nachfolger des A6. Darüber hinaus stellen wir ab dem zweiten Halbjahr mit dem A5 und dem Q5 auch die ersten Modelle auf der neuen Verbrenner-Plattform vor. Darin zeigt sich unsere „Beidhändigkeit“, also neue Elektro- und hochmoderne Verbrennermodelle parallel auf den Markt zu bringen.

Es heißt, Sie wollen bei Audi die Modellvielfalt reduzieren. Was fällt weg?

Weil unser Zielportfolio ein rein elektrisches ist, werden die heutigen Verbrennermodelle auf lange Sicht wegfallen. Das geschieht Schritt für Schritt und hilft uns langfristig, die Komplexität dieser Übergangsphase im Portfolio wieder zu reduzieren. Wir verschlanken zuerst den Einstiegsbereich, in dem wir für den A1 und den Q2 keine direkten Nachfolgemodelle mehr anbieten. Als Zweites werden wir in allen Modellreihen darauf achten, die Variantenvielfalt und Ausstattungskomplexität zu reduzieren.

Ohne die kompakten A1- und Q2-Modelle verlieren Sie die jungen Autokäufer.

Das ist ein Punkt, den wir im Vorstand auch intensiv diskutiert haben. Wir haben deshalb beschlossen, mittelfristig unterhalb des Q4 E-tron ein zusätzliches elektrisches Modell an den Start zu bringen. So viel kann ich verraten: Es ist ein wunderbares Fahrzeugkonzept, und es wird in Ingolstadt gebaut werden.

Dass sich Ihre Modellneuheiten wie der Q6 E-tron teilweise um mehr als zwei Jahre verzögert haben, hängt mit dem Chaos in der VW-Softwaresparte Cariad zusammen. Wann löst sich das Dilemma auf?

Cariad ist integraler Bestandteil des VW-Entwicklungsnetzes und bleibt es auch. Der Grundgedanke, an einer Stelle für alle Konzernmarken synergetisch Software zu entwickeln oder zu koordinieren, ist absolut richtig. Die einzelnen Konzernmarken haben gemeinsam mit Cariad großen Einfluss, die Zusammenarbeit und die Lieferfähigkeit nach vorn zu entwickeln. Wir haben mindestens einmal im Monat einen Workshop auf Vorstandsebene mit Cariad und den Marken des Konzerns, um diesen Prozess zu flankieren. Die Modelle, die jetzt kommen, werden zeigen, dass diese mit der neuen Software absolut wettbewerbsfähig sind und wir die Herausforderungen in den Griff bekommen haben.

Sie waren lange bei Porsche und sind ein Vertrauter von Konzernchef Oliver Blume. Audi kennen Sie nicht so gut. Wie kommt das in Ingolstadt an?

Ich kenne Audi seit vielen Jahren aus gemeinsamen Entwicklungsprojekten. Der Q6 E-tron und das entsprechende Porsche-Modell sind auf einer gemeinsamen Plattform entwickelt worden, und an diesem Projekt war ich beteiligt. Ich wurde hier bei Audi gut aufgenommen. Mit meinem gesamten Führungsteam pflege ich einen intensiven und regelmäßigen Dialog und spüre großen Zuspruch.

Sie sollen Kontakt zum früheren Audi- und VW -Chef Martin Winterkorn aufgenommen haben, um Audi besser zu verstehen.

Als Chef von Audi bin ich auch Mitglied im Aufsichtsrat des FC Bayern München und sehe Herrn Winterkorn regelmäßig beim Fußball. Das ist die Geschichte dahinter. Übrigens habe ich seit meinem Amtsantritt insgesamt mehr als hundert Gespräche mit Stakeholdern und im Management von Audi geführt, um mir ein umfassendes Bild zu machen.

Was können Sie von der Managergeneration eines Martin Winterkorn lernen?

Ganz sicher den absoluten Fokus auf Qualität im umfassenden Sinne. Genau wie den auf Produkt und Technik. Daher sind das auch Schwerpunkte in unserer Audi-Agenda. Im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass man von jeder Generation etwas lernen kann. Deswegen ist mir der Austausch mit den Mitarbeitenden bei Audi wichtig. Für diesen Dialog habe ich feste Formate etabliert.

Martin Winterkorn stand auch für einen sehr autoritären Führungsstil. Markus Duesmann wiederum hat sich in Grabenkämpfen aufgerieben.

Über die Vergangenheit kann ich wenig sagen. Ich pflege eine offene Diskussionskultur und habe sicherlich selbst eine starke Meinung. Die stelle ich aber zur Diskussion und fordere diese Diskussion auch ein. Die Expertise liegt immer im Team, und deswegen stelle ich viele Fragen. Das mag für manchen anstrengend sein, es geht aber immer um Inhalte und um das Unternehmen. Man sollte Klarheit nicht mit Autorität verwechseln. So haben wir in den vergangenen Monaten im Vorstands- und im Führungsteam gemeinsam gute Lösungen entwickelt – wie zum Beispiel die Audi-Agenda.

Jetzt muss Ihr Entwicklungsvorstand Oliver Hoffmann seinen Posten abgeben, Sie übernehmen das Ressort zusätzlich. Ist das das Ende eines Machtkampfs?

Die Geschichte startet an einem ganz anderen Punkt. Audi hat im Juli 2022 entschieden, in die Formel 1 einzusteigen. Im Herbst haben wir uns gemeinsam dieses Engagement noch einmal angeschaut und jetzt beschlossen, die Vorbereitung zu beschleunigen. Dazu gehört auch die vollständige Übernahme des Rennstalls Sauber aus der Schweiz und die damit verbundene Management-Kontrolle ab Januar 2025. Oliver Hoffmann wird für Audi als Generalbevollmächtigter des Vorstands das Thema Formel 1 führen und hierfür auch den Vorsitz der Verwaltungsräte aller Sauber-Gesellschaften übernehmen.

Aus dem Audi-Vorstand scheidet er aber aus. Wie ist denn jetzt Ihr Verhältnis?

Das ist sehr gut, was man schon daran sieht, dass Oliver Hoffmann eine Schlüsselfunktion übernimmt als Verwaltungsratsvorsitzender von Sauber. Wir sprechen hier von einem langfristigen und sehr umfangreichen Engagement. Auch unsere Motorenentwicklung für die Formel 1 in Neuburg wird er als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Audi Formula Racing GmbH verantworten. Andreas Seidl hat als CEO des Audi F1 Teams die Verantwortung für die Umsetzung des F1 Projekts und die Leitung des Audi F1 Teams.

Eigentlich wollte Ihre Schwestermarke Porsche, die VW-Konzernchef Oliver Blume in Personalunion führt, auch in die Formel 1 einsteigen. Ist das jetzt Geschichte?

Ich kann nicht für Porsche sprechen, nur für Audi. Unser Weg in die Formel 1 ist von den Aufsichtsratsgremien bestätigt und jetzt mit einem noch habhafteren Plan unterlegt worden. Ausschlaggebend war für uns, dass in der Formel 1 von 2026 an das neue Reglement in Kraft tritt, das viel stärker auf Elektrifizierung und auf CO2-Neutralität setzt. In dieser und der nächsten Saison fährt Sauber noch mit einem Motor von Ferrari, danach gibt es ein Werksteam mit Verbrennungsmotor, E-Antrieb und Batteriepack von Audi. Wie das Team dann genau heißen wird, steht noch nicht final fest.

Der ganze VW-Konzern muss sparen. Auch bei Audi läuft ein Effizienzprogramm. Wie passt das mit dem teuren Engagement im Motorsport zusammen?

Wir haben ein Programm gestartet, das sicherstellt, dass Audi im Jahr 2030 seine Zielrendite von 13 Prozent erreicht. In unserer Markengruppe „Progressive“ mit Bentley, Lamborghini und Ducati haben wir uns 14 Prozent vorgenommen. Mit unserem Performance-Programm haben wir alle relevanten Kosten- und Erlöspositionen adressiert, um diese ambitionierten Renditeziele zu erreichen. Einen Widerspruch zur Formel 1 gibt es nicht. Das ist die wertvollste und wichtigste Rennsportserie der Welt. Wir haben einen positiven Businessplan für unseren Formel-1-Einstieg und stehen fest hinter diesem Projekt.

Mit Ihrem Sparprogramm reagieren Sie auch auf die schwache Auslastung Ihrer Autofabriken. Am schlimmsten sieht es am Standort Brüssel aus. Werden Sie das Werk schließen?

Im Dezember 2022 ist in Brüssel die Produktion des Q8 E-tron und Q8 E-tron Sportback gestartet. Beide Modelle werden noch mehrere Jahre produziert werden. Wir arbeiten in enger Zusammenarbeit mit dem Volkswagen-Konzern kontinuierlich an einer optimalen Werkebelegung für unser Produktionsnetzwerk. Das gilt auch für den Standort Brüssel. Wir prüfen aktuell verschiedene Szenarien für eine mittelfristige Folgebelegung.

Müssen Sie andersherum nicht noch ein Werk in Nordamerika eröffnen, spätestens wenn dort wieder Donald Trump regiert und Strafzölle auf Autoimporte verhängt?

Nordamerika ist ein zentrales Handlungsfeld unserer Audi Agenda. Wir haben in dem Markt ambitionierte Wachstumsziele und prüfen aktuell unterschiedliche Ansätze für eine Fertigung von Elektromodellen in Nordamerika. Eine Entscheidung gibt es noch nicht. Fest steht, die Nachfrage in den USA nach E-Modellen von Audi wächst enorm. Unabhängig von der aktuellen politischen Diskussion verfolgen wir dort eine langfristige Strategie, die über die Legislaturperiode von Politikern hinausgeht.

In China scheint der Druck noch größer zu sein. Wie reagieren Sie auf die Expansion der lokalen Autohersteller?

China hat für mich absolute Priorität. Seit meinem Antritt im September war ich dreimal dort, um mit unseren Joint-Venture-Partnern FAW und SAIC unsere Neuaufstellung weiterzuentwickeln. Es geht dort nicht nur um neue Modelle, sondern auch um die Frage, wie wir uns mit den batterieelektrischen Fahrzeugen noch eine Spur progressiver positionieren, um den vielen neuen Anbietern zu begegnen, die wir auch im Premiumsegment sehen.

Reicht das, um die Kurve zu kriegen?

Mit rund 730.000 verkauften Fahrzeugen in China hatte Audi 2023 ein sehr erfolgreiches Jahr. Gleichzeitig setzen wir alles daran, einerseits diejenigen zu halten, die unsere Marke schätzen, und andererseits neue Kunden zu gewinnen, vor allem im elektrischen Premiumsegment.

Wie schwierig ist das, wenn ein Rivale wie Tesla, der auch als Premiumanbieter wahrgenommen wird, die Preise so stark senkt?

Unsere Pläne sind unabhängig davon, was ein einzelner Wettbewerber macht. Mit unseren neuen Fahrzeugen, die jetzt Schritt für Schritt kommen, verjüngen wir unsere Modellpalette. Damit sind wir gut gerüstet, auch was die Preispositionierung betrifft.

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