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Analyse: Robotaxi-Pläne bei Tesla könnten auf grundlegende Strategie-Wende hinauslaufen

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Bild: Tesla (Musk bei Besuch deutscher Gigafactory)

Kommt der Tesla für 25.000 Dollar oder kommt er nicht? Ende vergangener Woche berichtete Reuters, Tesla habe seine Arbeit an diesem von CEO Elon Musk zuletzt in diesem März bestätigten Elektroauto eingestellt und konzentriere sich stattdessen voll auf ein „Robotaxi“-Projekt. Musk warf der Nachrichten-Agentur Lügen vor, überraschte aber kurz darauf mit der Ankündigung, Tesla werde ein solches Robotaxi im August vorstellen. Seitdem wird intensiv darüber diskutiert, wie das alles zusammenpasst. Manche Beobachter sehen einen grundlegenden Strategie-Wechsel bei Tesla dahinter.

Tesla-Chef mit frühem Autonomie-Plan

In Zusammenhang mit der neu angefachten Robotaxi-Aufregung erinnerte CEO Musk an den zweiten Teil eines Master-Plans für Tesla, den er im Juli 2016 veröffentlicht hatte. Darin wiederholte er die Ankündigung aus dem ersten Teil von 2006, zunächst einen Sportwagen (den ersten Roadster) zu bauen, dann ein bezahlbareres Auto und dann ein noch bezahlbareres, und kündigte zusätzlich Lösungen für Schwerlastverkehr und urbanen Passagier-Transport an. Schon damals schrieb der Tesla-Chef zudem von autonomem Fahren, das vor allem ein Software- und dann ein Zulassungsproblem darstelle.

Das habe er schon vor acht Jahren geschrieben, erklärte Musk in seinem aktuellen X-Hinweis auf den alten Aufsatz, wollte also offenbar den Eindruck erwecken, dass Tesla sich immer noch streng nach diesem Plan entwickelt. Doch wenn dem so ist, könnte an dem Reuters-Bericht vom Ende des 25.000-Dollar-Tesla etwas dran gewesen sein: Ein Fahrzeug zu niedrigeren Kosten als für das Model 3 sei wahrscheinlich nicht erforderlich, schrieb Musk im zweiten Master-Plan. Denn autonomes Fahren bedeute, dass private Autos in einer geteilten Tesla-Flotte eingesetzt werden könne, was ihre wahren Kosten dramatisch verringere.

Elektroauto-Verkauf bei Tesla gesunken

Ohne direkt auf den Musk-Aufsatz Bezug zu nehmen, ließen seit der neuen Robotaxi-Ankündigung mehrere Analysten erkennen, dass sie die Angaben von Reuters trotz des Lügen-Vorwurfs des CEO für glaubwürdig halten. Die Agentur hatte ihren Bericht in den Zusammenhang mit chinesischer Elektroauto-Konkurrenz gestellt, die immer schlagkräftiger wird. Mit einer Vielzahl von Modellen hatte BYD im vierten Quartal 2023 erstmals mehr reine E-Fahrzeuge verkauft als der US-Pionier, und auch andere Hersteller aus China wachsen in diesem Bereich rapide.

Tesla dagegen verkaufte im ersten Quartal 2024 weniger Elektroautos als vor einem Jahr, und als erste große Bank soll in dieser Woche Piper Sandler für dieses Jahr sogar einen leichten Rückgang der Produktion auf knapp unter 1,8 Millionen Fahrzeuge vorausgesagt haben. Andere Häuser sind etwas optimistischer, doch in der Tendenz sinken die Prognosen seit Monaten, und von dem alten Ziel von 20 Millionen Verkäufen in 2030 spricht inzwischen auch Tesla selbst nicht mehr. Nach Darstellung des Unternehmens von Ende 2023 befindet es sich derzeit zwischen zwei Wachstumsphasen, von denen die nächste vom Fahrzeug der nächsten Generation getrieben werde.

Robotaxi-Ankündigung wirft Fragen auf

Darunter wurde allgemein das von Musk im März 2023 als Elektroauto mit 50 Prozent niedrigeren Kosten als bei Model 3 und Model Y angekündigte Fahrzeug verstanden, das von manchen hartnäckig als Model 2 bezeichnet wird, obwohl der CEO diesen Namen ausgeschlossen hat. Zusammen mit einem nicht näher beschriebenen Modell werde es auf 5 Millionen Verkäufe jährlich kommen, schätzte der Tesla-Chef später öffentlich.

Nach dem Master-Plan konnte es sich bei dem zweiten Projekt um einen Van mit vielen Sitzplätzen handeln. Aus einer Ende 2023 erschienenen Musk-Biografie ging jedoch hervor, dass Tesla parallel an einem echten Robotaxi ohne Pedale und Lenkrad arbeitet, das auf der gleichen Plattform basieren soll wie das konventionellere Elektroauto, für das der CEO zuvor einen Preis von 25.000 Dollar genannt hatte.

Produziert werden sollte der neue Basis-Tesla nach Musk-Aussage von Ende Januar ab der zweiten Hälfte von 2025, also schon relativ bald, was Beobachter für wenig realistisch hielten. Laut Reuters wurde dieses Projekt vorerst sogar aufgegeben, und trotz des vermeintlichen CEO-Dementis gehen inzwischen viele Analysten davon aus, dass es zumindest deutlich später kommt. Diesen Eindruck verstärkte Musk, indem er vergangene Woche ohne nähere Angaben eine „Robotaxi-Vorstellung“ für diesen August ankündigte, während er zu dem 25.000-Dollar-Tesla keine neuen Angaben machte. Sein Design-Chef Franz von Holzhausen wurde in dieser Woche konkret danach gefragt, hatte aber ebenfalls nicht mehr zu bieten als ein allgemeines „stay tuned“.

Eine neue Anlage-These für Tesla?

Analysten spekulieren jedenfalls, Tesla könne seine Wachstumsambitionen im reinen Elektroauto-Geschäft zurückstellen und stattdessen verstärkt versuchen, mit einem System für autonomes Fahren eine bedeutende Stellung in diesem Zukunftsbereich zu erringen. Bislang wurde beides parallel verfolgt, was für Anleger den Vorteil hatte, dass steigende Verkaufszahlen bei Elektroautos den ausbleibenden Tesla-Durchbruch bei autonomem Fahren abfederten. Jetzt ist Musk möglicherweise zu dem Schluss gekommen, dass eine stärkere Autonomie-Fokussierung mehr Aussichten auf Erfolg hat.

Auf diese Weise könne er sich dem harten Wettbewerb um das billigste Elektroauto entziehen und Tesla als KI-Akteur statt als Volumen-Hersteller von Autos positionieren, schrieb dazu laut Berichten von dieser Woche die Deutsche Bank. Nachteilhaft daran sei aus Sicht des Marktes, dass damit die kurzfristigste Möglichkeit für das Unternehmen verlorengehe, wieder mehr Wachstum und steigende Gewinne zu erreichen. Auf der anderen Seite wären Robotaxi-Fortschritte bei Tesla von Konkurrenten schwieriger zu imitieren, was sich wirtschaftlich gesehen als Vorteil erweisen könne.

Potenziell bedeute die noch unbestätigte Umorientierung eine Veränderung der Anlage-These für Tesla, schrieb das Deutsche-Bank-Team, und ein Kommentar von der Investmentbank Morgan Stanley geht in die gleiche Richtung. Möglicherweise werde das Unternehmen bei dem Robotaxi-Event im August anerkennen, dass die Auto-Branche eine der schwierigsten der Welt und der Konkurrenzkampf bei bezahlbaren Elektroautos am intensivsten sei, heißt es in einem Kommentar von diesem Dienstag, der auf X veröffentlicht wurde. Vieles spreche aber dafür, dass Tesla beim Rennen um autonomes Fahren ein bedeutender Akteur oder sogar Gewinner sein könne. Das Geschäftsmodell werde sich deshalb zunehmend in Richtung von weniger kapitalintensiven Aktivitäten bewegen.

Konkretes KI-Geschäft in ferner Zukunft

Für CEO Musk ist Tesla schon lange kein Auto-Hersteller mehr, auch wenn Umsatz und Gewinn bislang klar vom Elektroauto-Verkauf dominiert werden. Stattdessen sei es ein KI/Robotik- und Erneuerbare-Energien-Unternehmen, wiederholte er in dieser Woche auf X. Sollte das nächste Elektroauto tatsächlich weit verschoben sein, dürften Anleger bald keine andere Wahl mehr haben, als sich dieser Deutung anzuschließen. Bis sich der strengere KI-Fokus wirklich auszahlt, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen: Die Deutsche Bank verwies auf erhebliche technische und regulatorische Hürden auf dem Weg zu echten Robotaxis, und Morgan Stanley rechnet damit, dass dieses Geschäft erst nach 2030 richtig in Schwung kommen würde.

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