In den 80ern kam die Allradwelle, seitdem werden bei einer Vielzahl von Autos zwei Achsen angetrieben. Eine innovative technische Spielerei, oder lohnt sich das? Hier zwei Meinungen!
Nachdem der Kombi in den 70er-Jahren gesellschaftsfähig und in den 90ern zum Transport-Star wurde, kam in den 80ern der Allradantrieb verstärkt auf. Bald darauf entstand das SUV, in viele Pkw wurde Allradantrieb verbaut. Was zuvor nur für Berufsgruppen gedacht war, die in der Land- und Forstwirtschaft tätig sind, galt nun in Autos ohne Leiterrahmen als technisch machbar – und innovativ. Attraktiv für Leute, die in den Bergen leben, waren sie immer schon, nun aber auch verfügbar als Audi quattro, BMW E30 oder Fiat Panda 4×4. Sind solche Autos sinnvoll? Hier zwei Meinungen dazu!
Jan-Henrik Muche: “Ich plädiere für das Recht auf sinnfreien Luxus und komplexe Technik”
Natürlich brauche ich keinen Allradantrieb. Ich wohne in Frankfurt, fahre im Winter einen 40 Jahre alten Porsche 944 mit 195er-M+S-Reifen. Das reicht. Der Cayenne S, der Future Classic für die ganze Familie, steht währenddessen abgedeckt in der Halle und wartet auf besseres Wetter. Ein SUV mit V8 und Allrad brauche ich im Sommer erst recht nicht, aber es macht Spaß. Das ist der Punkt!
“Recht auf komplexe Technik ohne Berechtigungsschein”
Ich plädiere für das Recht auf sinnfreien Luxus und setze mich für den freien Zugang zu komplexer Technik ohne Berechtigungsschein ein. Allrad nur für Alpenanrainer und Förster? Wär ja noch schöner!Ich hatte mal einen VW Golf Country, der war innerstädtisch sinnlos, aber unterhaltsam. Den Sohn musste ich reinheben, der Kofferraum war zu klein (wegen der angetriebenen Hinterachse), und die Ersatzteilpreise lagen auf Brezelkäfer-Niveau. Aber er hat uns zum Lachen gebracht. Ob das ein normaler Golf 2 auch geschafft hätte?Und wenn wir über die Sinnhaftigkeit von Allradantrieb bei Klassikern reden, die im Winter ja eh nicht rausdürfen, muss ich gestehen, dass der Country meine Sichtweise verändert hat. Auf einmal besaß ich einen Klassiker, den ich nicht trotz, sondern wegen der kalten Jahreszeit fuhr. Dass ich heute wieder im 944 unterwegs bin, bestätigt meine Theorie: Ich brauche keinen Allrad – aber ich finde gut, dass es ihn gibt. Für alle, nicht nur für Geländewagen.
Malte Büttner: “Allrad bietet einen Traktionsvorteil. Die vielen Nachteile gleicht das aber nicht aus”
Treue Leser haben es in den letzten Ausgaben natürlich bemerkt, ich fahre Mercedes G-Modelle und habe mir als Winterauto eine alte M-Klasse besorgt. Und jetzt stelle ich mich hin und ziehe über Allradler her? Ja. Zumindest, wenn es um Pkw geht.
Bild: Sven Krieger / AUTO BILDOder der BMW im Vergleich: Ein Sechszylinder von Baur und dann noch als iX, verrückt, dass überhaupt 114 Stück entstanden. Denn so großartig so eine Rarität als Oldie ist, so sinnlos war er als Neuwagen. Finden Sie mal irgendjemanden, der bei der Erinnerung an das Fahrverhalten eines heckgetriebenen E30 nicht feuchte Augen bekommt. Mit Allrad fährt er erwachsener? Das ist die Antwort auf die Frage, die keiner gestellt hat. Ich besitze einen 525i Touring von 1993. Den gab es auch als iX mit vier angetriebenen Rädern. Aber dann hätte ich ihn stehen gelassen. Weil er für mich dann kein echter BMW mehr wäre.
“Ich werde nie verstehen, warum 911er mit 4×4 geordert werden”
Bei einem Audi, der sonst nur scharrende Vorderräder zu bieten hat, mag Allrad auch auf der Straße als Krücke funktionieren. Als Ersatz für die klassische Standardbauweise (Motor vorn, Antrieb hinten) halte ich ihn aber für ungeeignet. So werde ich auch nie verstehen, warum 911er statt gewichtsoptimiert gern mit 4×4 geordert werden. Da beim Oldtimer auch Wintervorteile nicht zählen, bleibt am Ende nur die Faszination für die aufwendige, aber teure Technik.