- Aufmerksamkeit unter der Lupe
- Mehr Support für Schussel
- Goldstandard für Sicherheit
- Bei der Zuverlässigkeit nachbessern
Guck’ mal, wer da gähnt: Assistenzsysteme erkennen Müdigkeit und mahnen zu einer Pause.
Kaum fährt man drei, vier km/h über dem Tempolimit, fiept und blinkt es im Cockpit des neuen Prius.
Selbst wenn man den Warner ausschaltet, ist er nach dem nächsten Anlassen wieder aktiv. Auch das ist keine Sonderlocke von Toyota. Die Japaner stehen mit dem neuen Warnsystem keineswegs allein da: Kaum ein Auto, das in diesen Wochen vorgestellt wird, kommt ohne diesen erhobenen Zeigefinger in den Handel, egal ob Neuentwicklung oder Modellpflege.
Mit solchen Sicherheitssystemen verfolgt die EU gute Absichten, stellt die Geduld vieler Autofahrerinnen und Autofahrer aber mitunter auf eine harte Probe. Feststeht: Der Einfluss der Elektronik nimmt zu. Lange bevor der Autopilot reif ist, vollends das Kommando zu übernehmen, haben sich Assistenzsysteme zu teils vorlauten Besserwissern entwickelt, die dem Menschen im Dienst der Sicherheit sehr genau auf die Finger schauen.
Aufmerksamkeit unter der Lupe
Ging es dabei bislang meist ums Fahren selbst, also um Tempo, Abstand oder Fahrspur, rückt nun zusehends die Fahrerin oder der Fahrer ins Blickfeld. Was einst ein simpler Müdigkeitswarner war, überprüft neuerdings mit gestrengen Kameraaugen die Aufmerksamkeit und setzt einen Ordnungsruf ab, sobald der Blick zu lange auf der Navi-Karte oder – verbotenerweise – gar auf dem Smartphone-Display geruht hat.
Das beginnt mit einem einfachen akustischen Warnsignal, dessen Lautstärke mit dem Gefahrenpotenzial der Situation zunimmt. Reagiert der Fahrer nicht auf die immer deutlicher werdenden Warnungen, kann das Auto sogar selbstständig am Straßenrand anhalten und andere Verkehrsteilnehmer durch Einschalten des Warnblinklichts warnen, erläutert Volvo.
Mehr Support für Schussel
Mit der ausgefeilteren Innenraum-Überwachung erhalten auch Schussel zunehmend Unterstützung: Immer mehr Hersteller wie Mercedes, Audi oder Porsche erinnern beim Aussteigen etwa daran, bloß nicht das gekoppelte Mobiltelefon im Auto liegen zu lassen.
Und Marken wie Kia oder Hyundai mahnen, noch einmal nach dem Nachwuchs und dem Haustier auf der Rückbank zu schauen. Volvo setzt beim EX90 sogar auf ein Innenraum-Radar, mit dem die gesamte Kabine überwacht wird: Egal ob Kind oder Katze: Registriert die Elektronik noch ein Lebewesen im Wagen, lassen sich zum Beispiel die Türen nicht ohne weiteres verriegeln, sagt Lotta Jakobsson, Sicherheitsentwicklerin bei Volvo.
Goldstandard für Sicherheit
Weil die fünf Sterne im Euro-NCAP-Test nach wie vor als Goldstandard für Sicherheit in der Autowelt gelten, erfüllen die Hersteller – wenn immer möglich – freiwillig die Euro-NCAP-Vorgaben, auch wenn sie über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Das bestätigen die Entwicklungsingenieure der Autohersteller unisono.
Und die Prüforganisation ist mit ihrem Programm auch nach 25 Jahren noch nicht fertig. „Trotz großer Sicherheitsentwicklungen bei Autos ist unsere Arbeit noch nicht getan“, sagt Niels Ebbe Jacobsen, der Präsident der Vereinigung, und ist überzeugt, dass das Euro-NCAP-Programm das Potenzial hat, die Fahrzeugsicherheit in den nächsten zehn Jahren noch weiter zu verbessern.
Allerdings provozieren Assistenzsysteme mitunter auch Ärger und Unbill. In Internetforen häufen sich die Berichte genervter Autofahrerinnen und Autofahrer. Und auch Experten haben bereits mögliche Nachteile solcher Systeme identifiziert: „Auch wir sehen in unseren Untersuchungen, dass Fahrerassistenzsysteme Systemgrenzen haben, die erwartete Wirkungen einschränken oder zu unangemessenen Eingriffen führen„, sagte etwa kürzlich Allianz-Unfallforscher Marcel Borrack dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».
Bei der Zuverlässigkeit nachbessern
Und nach einer Mitgliederbefragung kommt der Österreichische Automobilclub ÖAMTC zu dem Schluss: „Moderne Assistenzsysteme können die Sicherheit erhöhen, bei der Zuverlässigkeit muss aber noch dringend nachgebessert werden.“
Währenddessen nimmt die Zahl der Assistenten weiter zu, wie der ÖAMTC mit Blick in die Zulassungsvorschriften erhoben hat: Die fordern für alle Neuwagen ab spätestens 2024 unter anderem einen Müdigkeits- und einen Geschwindigkeitswarner als Serienausstattung.
Doch manche Hersteller gehen im Namen der Sicherheit noch darüber hinaus. Das zeigt etwa das Beispiel des chinesischen Newcomers Nio. Autos wie der EL7 oder der ET5 sind mit einem digitalen Beifahrer namens Nomi ausgestattet, der sich als Animation mit Glubschaugen in einer Halbkugel auf dem Armaturenbrett dreht.
Im normalen Betrieb gibt sich Nomi kumpelhaft und ist mit den Insassen per Du. Doch sobald einem der zahlreichen Assistenzsysteme ein Fahrfehler auffällt, wechselt der Tonfall und es ist vorbei mit der Freundschaft. Dann tönt es plötzlich streng und bestimmt aus den Lautsprechern: „Bitte bleiben Sie konzentriert.“ (dpa)