Der Urahn des i3 war vor rund 30 Jahren fast serienreif
In diesen Tagen und Wochen startet BMW elektrisch durch: der iX und der i4 weisen in die Zukunft. Aber kennen Sie auch das Gefühl? Bei so mancher vollmundig angepriesenen Neuheit denkt man sich: Alles schon mal dagewesen. Alter Wein in neuen Schläuchen. Genauso ging es mir kürzlich, als ich 2018 für kleines Geld auf der Techno Classica in Essen den Prospekt des BMW E1 erwarb.
Zweimal E1
Aber der Reihe nach. 1991 zeigte BMW den ersten E1, den 3,46 Meter kurzen Prototypen eines Elektroautos mit vier Sitzen. Anfang 1993 folgte die Konzeptstudie Z13 mit Verbrennungsmotor. Beide Ideen wurden im gleichen Jahr zur zweiten Version des E1 zusammengelegt. Damit lag BMW im Trend, denn man musste sich etwas einfallen lassen, um den Flottenverbrauch zu senken. Erzrivale Mercedes dachte ähnlich und stellte zur gleichen Zeit die ersten Studien für die künftige A-Klasse und den Smart vor.
Rot-Grüne BMW-Koalition
Sehen wir uns den BMW E1 aus dem Prospekt genauer an: Ein 3,67 Meter langer Dreitürer mit hoch angesetzten Heckleuchten, aber einer Frontpartie, die den 5er (E39) von 1995 vorwegnahm. Ausführliche technische Daten lieferte BMW auch: Breite: 1,64 Meter, Höhe: 1,49 Meter. Radstand: 2,45 Meter. Leergewicht: zwischen 800 und 960 Kilogramm und 290 bis 860 Liter Kofferraum. Und zwar bei allen drei Varianten.
Vorläufer des i3
Der Clou war aber nicht die Hybridversion als zweite Möglichkeit, sondern der grellgrüne E1 auf 80 Prozent der Prospektseiten. Bei ihm handelte es sich 20 Jahre vor dem i3 um ein reines E-Auto, bei dem Motor und Getriebe in die Hinterachse integriert wurden.
Die Batterie? Nicht wie heute Lithium-Ionen-Technik, sondern Natrium-Nickel-Chlorid. 32 Kilowatt Dauerleistung (umgerechnet knapp 45 PS) und 150 Newtonmeter Drehmoment wurden genannt. 19 Kilowattstunden Energie passten in die Akkus des Europa-E1, die US-Version bekam 24 Kilowattstunden verpasst und wog deshalb 60 Kilogramm mehr.
Erstaunliche Reichweite
Ach ja: Maximal 125 km/h konnte der Elektro-E1 schnell sein. Nur mal zum Vergleich: Bei der ersten Version des aufwändig konstruierten BMW i3 wurde als Normreichweite 190 Kilometer angegeben.
Reelle Chancen auf die Serie
Natürlich bestand die Fahrgastzelle des E1 nicht wie beim i3 aus Kohlefaser, sondern aus Aluminium. Hinzu kam die Außenhaut aus Thermoplast-Kunststoff, sowie ein Dach und die Klappen aus Alu. Offenbar fehlte nicht viel zur Serienfertigung des E1. Man schrieb 1993 im Prospekt: “Der BMW E1 ist eine Studie mit reellen Chancen, heutige Automobile sinnvoll zu ergänzen. […] Wenn auch der Markt diese Konzeption bestätigt, könnte aus der Studie schon in naher Zukunft greifbare Realität werden.”
Doch BMW schränkte auch ein: “Wäre die Batterietechnik schon ebenso ausgereift wie das Fahrzeug selbst, könnte der E1 ohne weiteres schon heute in Serie gehen.”
Mini statt E1
Doch es sollte anders kommen. Im März 1994 brachte BMW den 4,21 Meter langen 3er Compact auf den Markt, im gleichen Jahr wurde Rover übernommen. Davon übrig blieb für München lediglich der Mini. Ihn brachte BMW im Jahr 2001 komplett neu auf dem Markt. Länge: 3,63 Meter, also fast exakt so lang wie der E1. Basismotor: 90 PS und 140 Newtonmeter, auch ähnlich wie beim Verbrenner-E1.
Immerhin: Den Enkel des damaligen Mini gibt es seit 2020 auch rein elektrisch mit Reichweiten bis zu 270 Kilometer. Und so kommt mir beim Schmökern im E1-Prospekt oft der Was-wäre-wenn-Gedanke: Was wäre gewesen, wenn BMW nicht Rover übernommen hätte?
Bildergalerie: Vergessene Studien: BMW E1