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Allein mit E-Antrieb können Lastwagen derzeit nicht funktionieren

allein mit e-antrieb können lastwagen derzeit nicht funktionieren

Wie werden ein Lastwagen in Zukunft angetrieben? Es gibt viele Ideen, von denen kaum welche bereits auf der Straße sind.

Wenn es um den Antrieb für den Lastwagen der Zu­kunft geht, nimmt Iveco-Chef Gerrit Marx kein Blatt vor den Mund: „Dieser Batteriewahnsinn führt uns nicht zum Ziel“, sagte Marx vor wenigen Tagen bei einem Be­such von grünen Abgeordneten und Fachleuten, die sich am Iveco-Standort Ulm über die praktischen Erfahrungen mit Lastwagenmotoren informieren wollten. Der Iveco-Chef mutet ihnen in seiner Präsentation zum Einstieg rhetorisch viel zu, und wären seine Gäste nicht pragmatische Grüne aus Baden-Württemberg mit vielen Berührungspunkten zur In­dustrie, hätte der Besuchstermin in der Lastwagenfabrik allzu leicht mit rhetorischen Duellen oder mit Abbruch unter Protest enden können.

Für den Chef des Lastwagen-Herstellers – kontrolliert von der Agnelli-Familie, mit Gesellschaftssitz in Amsterdam, Hauptverwaltung in Turin und Pilotproduktion für alternative Antriebe in UIm – gibt es zwei klare Prämissen: In seiner Präsentation ist auch eine Kurve mit der steigenden Entwicklung der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre enthalten; Marx sagt, allein schon im Interesse seiner kleinen Kinder wolle er die Kurve nach unten gebogen sehen. Zweitens sagt Marx immer wieder, er verkaufe seine Lastwagen mit jeder Art von alternativem Antrieb, wenn der denn von seinen Kunden, den Spediteuren, bestellt werde. Im Gegensatz zu manchen deutschen Herstellern, die sich mehr auf den batterieelektrischen Antrieb konzentrieren, bietet Iveco so gut wie alle alternativen Antriebsformen an, und auch grüne Politiker sind neugierig, auf dem Ulmer Testgelände auf Proberunden mitgenommen zu werden.

„Lassen Sie die Wissenschaft an den Tisch“

Unter den bereitstehenden Testfahrzeugen ist ein batterieelektrisch betriebener Lastzug, dessen Zugmaschine wegen der schweren Batterien 5 Tonnen mehr wiegt als ein gewöhnlicher Diesellaster. Doch die Frage nach dem Laden der riesigen Batterien ist aus Sicht von Marx noch nicht geklärt: „Da wird zwar von Megawatt-Chargern gesprochen, aber die gibt es nicht“, sagt der Iveco-Chef. Und selbst wenn solche Ladestationen mit einer maximalen Ladeleistung von 1000 Kilowatt (kW) aufgebaut würden, bestehe das Risiko, dass in der Nachbarschaft das Licht ausgehe. Auf dem Gelände von Iveco in Ulm zeigt Marx später zwei Prototypen von 375-kW-Ladesäulen. An denen dauert es fast zwei Stunden, einen E-Lastwagen aufzuladen, am aktuell existierenden Personenwagen-Schnelllader mit höchstens 175 kW Ladeleistung dagegen dreieinhalb Stunden. Einem Spediteur, der davon lebt, dass seine Langstrecken-Lastwagen rollen, seien so lange Standzeiten derzeit nicht zuzumuten, sagt Marx. Von Iveco-Technikern kommt die Nachfrage, wie die alternative elektrische Energie für die Lastwagen gespeichert werden solle: „Wenn am Tag die Sonne scheint, fährt der Lastwagen; den Strom benötigt er dann in der Nacht.“

Ganz anders sehe die Kalkulation na­türlich im lokalen Lieferbetrieb aus. Da bietet Iveco mit dem großen Lieferwagen Daily bereits jetzt Elektroantrieb mit bis zu 111 Kilowattstunden Batteriekapazität, 400 Kilometer Reichweite und 30 Mi­nuten Ladezeit für jeweils 100 Kilometer Strecke. Umgekehrt sieht Iveco-Chef Marx so schnell keine Chance auf alternative Antriebe für spezielle Gefährte wie etwa Mähdrescher – der koste schon jetzt 500.000 Euro und sei für wenige Tage im Jahr dann pausenlos im Einsatz. Da könne man nicht eine Million Euro als Kaufpreis verlangen und dann die Arbeit immer zum Laden unterbrechen.

Um Lastwagen sofort klimaneutral zu betreiben, bietet sich aus der Sicht von Marx Biomethan an. Damit ließen sich 6 bis 8 Prozent des Schwerverkehrs abwickeln. Der Treibstoff enthält kein fossiles CO2, doch entstehen bei der Verbrennung der in Kreislaufwirtschaft gewonnenen Biogase noch kleine Mengen an CO2. „Lassen Sie die Wissenschaft an den Tisch, und sehen wir nicht nur absolutistisch auf den Auspuff“, sagt Marx.

Unter seiner Führung und in Kooperation mit Nikola, dem amerikanischen Anbieter von Lastwagen mit alternativen Antrieben, ist Iveco schon weit beim Testen von Wasserstoff-Lastern, wo ge­tankter Wasserstoff in Brennstoffzellen in Strom umgewandelt wird. Noch sind die Brennstoffzellen aber nicht so haltbar, dass sie ein ganzes Nutzfahrzeug-Leben von 500.000 Kilometern überdauern. Für spannender und preisgünstiger hält Marx die Möglichkeit, wasserstoffbetriebene Verbrennermotoren als Stromgeneratoren für elektrisch angetriebene Fahrzeuge zu verwenden. Die Schlussfolgerung lautet aber generell: „Es genügt, einmal mit Spediteuren zu sprechen, um deren Motive für den Lastwagenkauf zu verstehen.“

Große Lastwagenbatterien sind sehr empfindlich

Die grünen Gäste zeigen sich nachdenklich, aber nicht verunsichert in ihren Überzeugungen. „Der batterieelektrische Antrieb hat auf jeden Fall die Nase vorn“, urteilt der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel. Bis die Versorgung von Brennstoffzellenlastern mit grünem Wasserstoff gesichert sei, werde noch zu viel Zeit vergehen. „Die Frage ist nicht, was eine bestimmte Technik in diesem Moment leisten kann, sondern was für einen Weg für eine bestimmte Technik bis zum Einsatz zurückgelegt werden muss“, sagt Gastel. Während es für Personenfahrzeuge eine Festlegung auf den Elektroantrieb gebe, sei man bei Nutzfahrzeugen noch technologieoffen. „In der Testphase ist alles erlaubt.“

Der grüne Landtagsabgeordnete Michael Joukov, Ökonom und Inhaber des Direktmandats für Ulm, propagiert den Betrieb von Lastwagen mit Stromabnehmern von der Oberleitung ähnlich wie bei der Straßenbahn. Der Iveco-Chef, der so viele verschiedene Antriebslösungen entwickelt, ist von der Idee wenig be­geistert: Große Lastwagenbatterien re­agierten empfindlich, wenn wegen Un­ebenheiten der Fahrbahn der Ladestrom mit Unterbrechungen ankäme. Zudem gebe es zu viel Verschleiß an den Stromkabeln, und schließlich koste ein Versuchsfahrzeug mit Stromabnehmer, Batterie und dennoch auch mit Dieselmotor derzeit 1,5 Millionen Euro.

Die grünen Gäste, neben Politikern auch Fachleute aus Arbeitskreisen zur Mobilität, bleiben nach der Einführung des Iveco-Chefs und den Proberunden auf dem Testgelände skeptisch: „Der Unternehmenschef wirkt doch noch so jung, und dennoch hat er so traditionelle Meinungen vertreten“, sagt eine Teilnehmerin. Sie selbst arbeite bei einem Zulieferer für Elektroantriebe, der gute Geschäfte mache, künftig auch mit Antrieben für Nutzfahrzeuge. „Wenn man von Entwicklung spricht, dann bedeutet das doch, dass sich etwas verändern kann und muss.“

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