Auto

Wissenschaftsforum für Mobilität in Duisburg und eine autonome Taxifahrt in Wuhan

Die Stimmung hätte angenehmer nicht sein können: Man kennt es mittlerweile ja kaum noch, dass man vorträgt, zuhört, den anderen ausreden lässt und freundlich diskutiert. Das 16. Wissenschaftsforum der Uni Duisburg-Essen, organsiert von Prof. Dr. Heike Proff, bot wieder zahlreiche spannende Einblicke und Denkanstöße.

wissenschaftsforum für mobilität in duisburg und eine autonome taxifahrt in wuhan

(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Man hätte sich eigentlich fünfteilen müssen, denn nach dem Eröffnungspodium teilten sich die Sessions in fünf Züge mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die von unterschiedlichsten Fakultäten, Unternehmen und Vortragenden bestritten wurden. Wir konnten leider nur einigen beiwohnen. Da ging es zum Beispiel um den Einfluss des Absatzanteils von Elektrofahrzeugen auf die Unternehmensbewertung der Autohersteller in Relation zum Umsatz, EBITDA und EBIT, den Paul Donnermeyer und Prof. Dr. Benjamin Jung von der Hochschule Osnabrück aufzeigten. Wobei sie herausfanden, dass hier schon kleine Änderungen Großes bewirken können, was sich allein am Vergleich der Jahre 2021 und 2022 zeigte.

Klimaziele quo vadis?

Martina Klein und Julia Braun von der Uni Cottbus-Senftenberg fragten dann: Klimaziele quo vadis und bewerteten die Klima- und Nachhaltigkeitsberichte europäischer Autohersteller. Denn der Druck, die CO2-Werte zu senken, stieg und man entwickelte die sogenannten „Scopes“ entlang der Wertschöpfung weiter. Während Scope 1 und 2, die direkt mit der Produktion zusammenhängen, schnell stark optimiert werden können und hier auch schon viel passiert ist, ist das bei Scope 3 schon schwieriger: „Upstream“ betrifft das die Materialanlieferung und Logistik, „downstream“ die Nutzung der Fahrzeuge bis zu deren Lebensende. Nachdem man auch kleinste Unternehmen wie Mc Laren oder Morgan bewertete, wundert es nicht, dass 14 von 32 Fahrzeugherdstellern noch gar kein Klimaziel kommuniziert haben. Interessant: Große börsennotierte Hersteller müssen hier ohnehin melden, bei den Kleinen gibt es große Unterschiede: Einige performen hier schon sehr gut, andere haben noch gar keinen Zeitrahmen für die CO2-Reduktion oder gar – neutrale Produktion angekündigt. Interessant ist, was die Hersteller dann über Reduktion und über Kompensation mit Zertifikaten abbauen. Interessant war laut Klein und Braun auch das Kleingedruckte, das oft interessante Fußnoten enthält und die Tatsache, das die Hersteller ihre Ziele oft anpassen und sich so die Datenmodulation wieder ändert.

Das Panel zu China war vollbesetzt

Wir haben dann gewechselt in den Track 4, der Wettbewerb mit chinesischen Anbietern. Für Unity sprachen Philipp Wibbing und Steffen Menzefricke, die fragten, wie viel Innovation wir noch hinbekommen? Denn nicht selten passiert es, das Patente in China ein zweites Mal eingereicht werden und dann gegen die Europäischen stehen. Trotzdem gibt man sich bei Unity optimistisch: Ähnlich hätte man die Bedrohung einst von Japan gesehen und teils mit Gegeninnovationen geantwortet. Wibbing weiß jedenfalls: „In den Chefetagen der deutschen Autoindustrie ist aktuell eine Menge los“. Auch das Ausphasen der E-Modelle bei VW und Mercedes-Benz sei keine gute Idee gewesen, weder die IDs noch die EQs wurden in China angenommen. Was insofern verheerend ist, als der Verbrenner in China prinzipiell als Auslaufmodell gilt.

Warum das so ist, erklärt Prof. Dr. Anja Senz, Sinologin an der Uni Heidelberg. Sie erklärt, dass das Elektroauto für China strategisch, volkwirtschaftlich und sicherheitspolitisch gesehen werden muss. Es bedeutet für viele den Aufstieg in die Mittelschicht, weshalb Carsharing in China eher nicht populär ist. Die strategische Bedeutung für den Staat ist auch die Demonstration der eigenen Innovationskraft, zudem geht es um die Reduktion der Schadstoffe im Transportsektor und damit auch um eine Verringerung der Abhängigkeit von Ölimporten aus dem Südchinesischen Meer und Russland. Den China kann seinen Ölbedarf nicht von sich aus decken. Und: Man möchte vom Schriftzug „made in china“ hin zu „designed in china“ hin zu Hightech-Gütern. Interessant ein Zitat, das Senz dazu fand: Denn diese Entwicklung „spiegelt die systemischen und institutionellen erfolge und die Überlegenheit Chinas wider.“

Interessant ist, dass man in China wegen der Gewinnsucht der Unternehmen außerdem auf eine „deformierte industrielle Entwicklung“ vereist, die Marktwirtschaft damit quasi umdreht. Dass man sich hier in China ab und an komplett verplant, zeigen riesige Auto-, Moped- und Fahrradfriedhöfe in diversen Städten, die vor allem Sharingfahrzeuge beherbergen, wozu es Bilder aus Hangzhou gibt, die Bloomberg 2023 aufnahm. Auf Nachfrage gaben die Hersteller an, dass die Autos für Auktionen gesammelt oder in andere Städte verbracht würden. So oder so sind sie eine ziemliche Verschwendung der Ressourcen.

Das Auto ist für viele immer noch Privileg, trotzdem hat man geringe Markenaffinität. Denn das Auto ist Ausdruck familiärer Bindung in der Mittelschicht, welche ihre Familie gut befördern will und das lässt sie sich etwas kosten: Denn zum Erwerb addieren sich die Kosten der Nummernschild-Lotterie (in vielen Städten gibt es mittlerweile zu viele Autos) dazu kommen Versicherung und Parkplätze – all das ist teuer! Den Kaufentscheid bestimmen also soziale Aspekte, außerdem gibt es teils hohe Steuern auf Verbrenner. Und wie gesagt, dabei geht es weniger um die Marke, wichtiger sind gewährte Subventionen und teils intelligente Funktionen. Zudem geht es um Würde, das E-Auto wird in China gern als „grüner Traum der gesamten Menschheit“ verkauft und man bedient gern auch Nationalstolz, so auch BYD mit den Modellen der Qin-Dynastie.

Trotzdem ist auch in China längst nicht alles Gold, was glänzt und das Land befindet sich aktuell ökonomisch eher in schwierigem Fahrwasser, was aber verschwiegen wird, da es keinen freien Diskurs darüber gibt. Aber durchaus unterschwellige Verärgerung über die Ressourcenverschwendung oder auch den Bau der „Seidenstraße“ im Ausland, denn es gäbe auch im Land noch viel Bedarf an besseren Verkehrswegen. Interessant ist auch, dass das Missmanagement bei lokalen Verwaltungen noch stärker ins Gewicht fällt, und die Verärgerung ist dann auch lokal stärker als über Peking.

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Vollautonome Taxifahrt

Den Abschluss machten Chen Xu und Dennis Chen. Xu lebt seit 24 Jahren in Deutschland, hat die deutsche Staatsbürgerschaft und arbeitet für die P3 Automotive GmbH. Er war zuletzt in Wuhan unterwegs und brachte einen Film von einem Arcfox-Taxi mit, das in komplett autonom zum Ziel fuhr! Der Fahrer sprach „digital“ mit ihm. Interessant: Fragt man chinesische Hersteller nach ihren Motiven, wollen sie mitnichten „die Welt erobern“, sondern Partnerschaften und natürlich gute Deals machen. Das Problem laut Xu ist, das solche industriellen Anstrengungen auch immer gern politisch umgedeutet werden.

Die Elektromobilität schreitet zwar voran, wird aber auch dezent kritisch gesehen: So sank Teslas Absatz 2024 im ersten Quartal um 8,5%, Mercedes-Benz verschob seine Elektrifizierungsziele von 2025 auf 2030 und in Japan werden generell wenige Maßnahmen für die Elektrifizierung getroffen. Trotzdem bleibt auch die Regierung hier offen: Tesla erfüllt jetzt offiziell die neuen chinesischen Sicherheitsbedingungen für Fahrassistenz, welche selbst viele chinesische OEMs noch nicht schaffen. Elon Musk wurde in China sehr wohlwollend empfangen. Und auch Honda, Nissan und Toyota schließen neue Kooperationen in China. Überrascht hat den eingefleischten BMW-Fahrer Nio: Er war erstaunt über ihr Wissen und den potenziellen Unterhaltungswert für seine achtjährige Tochter. Auch das stoische Fahrwerk des EL8 mit Sektgläsern auf der Haube demonstriert Kompetenz.

Fakt: Bei Akkus und Chips ist China voraus

Und was auch klar ist: Bei Chips und Akkus ist China Europa und den USA mittlerweile voraus. Da helfen auch niedrige R&D Kosten: An den Unis arbeiten viele Ingenieure mit sehr niedrigem Gehalt, was Kostenvorteile bringe. Und der Markt wächst: 2023 wurden in China 8,1 Millionen Autos zugelassen und 1,2 Millionen exportiert. Große Zahlen.

Großes Finale mit positivem Ausblick für die Mobilitätswende

Das große Finale durfte dann der Autor dieser Zeilen moderieren. Er traf einmal mehr auf Anja Senz, die für Track vier Stand, den neuen Wettbewerb mit IT und Asien. Track 5 – das Adressieren und Incentivieren der (potenziellen) Kunden vertrat Prof. Dr. Johannes Weyer von der TU Dortmund. Track eins – neue Player im Mobility-Management, vertrat Prof. Dr. Michael Stephan, für den eher technischen Track zwei – neue Player im Mobility-Engeneering stand Prof. Dr.-Ing. Benedikt Schmülling und Track drei, Städte und ihre Einwohner – wie sie Mobilität beeinflussen – vertrat Prof. Dr. Kai Nagel aus Berlin. So unterschiedlich wie die Fakultäten der Professoren war auch ihre Herkunft aus ganz Deutschland. Und trotz teils verschiedener Ansichten herrschte am Ende Einigkeit: Individuelle Mobilität in Form von Autos wird so schnell nicht verschwinden, aber Mobilität wird sich dramatisch weiterentwickeln, einfach, weil sie es muss! Und das muss nicht immer linear stattfinden: Denn gerade in der Hochschulforschung kann man auch mal auf ganz andere unerwartete Ergebnisse kommen. Das fliegende Auto mit Atomantrieb kam bis heute nicht, aber mit dem Smartphone hätte vor Jahrzehnten keiner gerechnet. Was uns besonders gefiel: Der immer freundliche Umgangston und die Begeisterung aller für Neues!

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