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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Andrea Dosoli (Yamaha)

Liebe Freunde der Superbike-WM,

knapp 60.000 Fans verfolgten am zurückliegenden Wochenende im Autodrom Most die Rennen der Superbike-WM. Die Besucherzahlen in Most entiwckelten sich sehr positiv und erreichten bei der 2024er-Auflage ein wirklich erfreuliches Niveau. Bei hochsommerlichen Bedingungen sahen die Zuschauer tollen Rennsport und nutzten das offene Fahrerlager, um ihren Idolen ganz nah zu sein.

Das Event hat sich mittlerweile im WSBK-Kalender etabliert. Die zu Beginn doch sehr präsenten kritischen Stimmen bezüglich der Sicherheit sind im vierten Jahr praktisch verstummt. Die Verantwortlichen in Most haben einiges unternommen, um den Fahrern und Fans ein schönes Rennsport-Wochenende zu bieten.

Raum für Verbesserungen gibt es jedoch weiterhin beim Verkehrskonzept. Die Parkplatz-Situation war dem Besucheransturm erneut nicht gewachsen. Einige Tagesbesucher klagten über langen Stillstand unmittelbar vor dem Erreichen des Autodrom Most. Das bekommen andere Veranstalter deutlich besser hin.

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Andrea Iannone

Motorsport zum Anfassen: Die Fans kommen nah an die Fahrer heran

Foto: Team Go Eleven

Im kommenden Jahr läuft der Fünfjahres-Vertrag mit WSBK-Rechteinhaber Dorna aus. Die Signale, die ich im Fahrerlager aufgeschnappt habe, deuten aber auf eine Verlängerung hin, auch wenn mit Brünn eine weiterhin reizvolle Alternative bereitsteht. Für die Fans aus Deutschland ist Most aber schon auf Grund der Nähe zur Grenze die durchaus interessantere Option.

Zehn Siege in Folge: BMW seit dem 21. April 2024 ungeschlagen

Aus sportlicher Sicht stand das Wochenende klar im Zeichen von BMW-Überflieger Toprak Razgatlioglu, der mühelos alle drei Rennen gewann. Ab der ersten Runde am Freitag war klar, dass der WM-Leader erneut derjenige ist, den es zu schlagen gilt. Genau genommen stellte sich eher die Frage: Wer wird Zweiter?

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Toprak Razgatlioglu

Toprak Razgatlioglu hat momentan keine echten Gegner

Foto: BMW Motorrad

Wie dominant Razgatlioglu wirklich war, konnte man nicht am Vorsprung sehen, mit dem er die Rennen gewann. Ich bin mir sehr sicher, dass da noch reichlich Luft nach oben war. Bei seinen Medienterminen unmittelbar nach den Rennen wirkte der Türke komplett entspannt, während der Großteil der Kollegen ziemlich am Ende war.

Die Erinnerungen an den Reifenschaden im Vorjahr spielten definitiv eine Rolle. Auch in diesem Jahr gab es keine absolute Sicherheit, was die Haltbarkeit der Pirelli-Hinterreifen betrifft. Nach dem Sieg in Lauf eins am Samstag sah Razgatlioglus Hinterreifen nicht gut aus. Der Türke zeigte dann am Sonntag, dass er nicht nur schnell sondern auch clever ist. Er teilte sich die Rennen perfekt ein und ließ Nicolo Bulega zu Beginn das Tempo machen.

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Toprak Razgatlioglu schreibt mit BMW die Geschichte der Superbike-WM um

Foto: WorldSBK.com

Mit seinem Überholmanöver in Kurve 16 sendete Razgatlioglu dann ein klares Statement. Es ist einfach nur beeindruckend, wie spielerisch er seine BMW umlegen konnte, während Bulegas Ducati deutlich träger wirkte. Fakt ist: Razgatlioglu macht nicht nur auf der Bremse den Unterschied aus.

Viel zu wenig Leistung und Topspeed: Wann reagiert Yamaha endlich?

Aber an dieser Stelle soll es nicht um den Gewinner des Wochenendes gehen sondern um denjenigen, der im übertragenen Sinne schlecht geschlafen hat. Und dieses Mal fällt meine Wahl auf jemanden, der das Event gar nicht vor Ort sondern aus dem entfernten Japan verfolgt hat: Yamaha-Projektleiter Andrea Dosoli.

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Andrea Dosoli

Wie kann Andrea Dosoli das WSBK-Projekt wieder auf Kurs bringen?

Foto: Motorsport Images

Denn blendet man das Podium von Yamaha-Werkspilot Andrea Locatelli im finalen Rennen aus, dann sah die Bilanz für Yamaha ziemlich ernüchternd aus. Von Siegen sind die Weltmeister der WSBK-Saison 2021 ohne die Superkräfte von Toprak Razgatlioglu meilenweit entfernt. Der Grund für die schwache Performance ist leicht zu erkennen.

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Yamaha R1

In die Jahre gekommen: Die Yamaha R1 benötigt dringend ein Update

Foto: S. Fränzschky

Im Vergleich zur BMW M1000RR und der Ducati Panigale V4R ist die Yamaha R1 einfach nicht mehr konkurrenzfähig. Der Topspeed ist eine offensichtliche Schwäche der R1. Auf den Geraden sind die Yamaha-Piloten für ihre Gegner leichte Beute.

In kurvigen Passagen hat die R1 weiterhin ihre Stärken, nur fällt es den Yamaha-Piloten schwer, Manöver zu setzen. Dafür müssen sie viel riskieren und ihre Reifen übermäßig stark beanspruchen. Das alles nur, um dann auf der nächsten Geraden wieder mühelos überholt zu werden.

Wann nimmt Yamaha seinen Fahrern den Maulkorb ab?

Spricht man die Yamaha-Piloten auf den technischen Stand der R1 an, dann hört man eine Dauerschleife von PR-Floskeln. “Wir müssen uns verbessern”, “wir arbeiten hart”, “wir müssen einen Schritt machen” und so weiter und so fort.

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Remy Gardner

Remy Gardner darf nicht sagen, wie viel Leistung der Yamaha R1 fehlt

Foto: Yamaha

In Most wurde Remy Gardner von einem meiner Kollegen gefragt, wie viel Leistung der R1 im Vergleich zur Konkurrenz fehlt. Der Australier, der durchaus eine konkrete Vorstellung vom Leistungsdefizit hat, grinste und schaute fragend in Richtung seines Pressesprechers, der die anwesenden Journalisten aufforderte, bitte zur nächsten Frage überzugehen.

Riccardo Gugliemetti, der die Superbike-WM für GPOne begleitet, platzte daraufhin der Kragen. Der Italiener schimpfte, weil er diesen “Bullshit” nicht mehr ertragen kann und appellierte an Yamaha, den Fahrern endlich den Maulkorb abzunehmen, um die offensichtlichen Probleme besprechen zu können.

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Die Yamaha R1 wird ab 2025 nur noch als Trackday-Version angeboten

Denn Fakt ist, dass die Piloten anderer Marken durchaus Probleme thematisieren, auch wenn das ihren Arbeitgebern nicht immer schmeckt. So hört man in letzter Zeit von den Ducati-Piloten regelmäßig, dass die Panigale V4R das Ende ihres Lebenszyklus erreicht hat und ein neues Modell sehnsüchtig erwartet wird.

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Sylvain Guintoli

WSBK 2016: Sylvain Guintoli auf der Werks-Yamaha

Foto: GP-Fever.de

Das Totschweigen der Probleme passt aber irgendwie zu dem, was man bei Yamaha sieht: Stillstand. Blendet man das kleine Modellupdate in der Saison 2020 aus, dann hat sich bei der R1 seit ihrem WSBK-Debüt 2016 nicht sonderlich viel getan. Es ist definitiv zu wenig, um gegen BMW und Ducati zu bestehen, deren Superbike-Projekte deutlich engagierter wirken.

Bringt Yamaha für die WSBK-Saison 2025 eine neue R1?

Es kursiert das Gerücht, dass Yamaha an einem neuen Aeropaket für die R1 arbeitet. Neben der ebenfalls in die Jahre gekommenen Kawasaki ist die Yamaha das einzige WSBK-Bike ohne Aeroelemente.

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Ducati Panigale V4R

WSBK 2019: Die Ducati Panigale V4R brachte die MotoGP-Winglets in die Superbike-WM

Foto: Ducati

Ducati brachte die MotoGP-ähnlichen Winglets 2019 in die Superbike-WM. Honda zog 2020 nach und BMW hat seit dem Wechsel von der S1000RR zur M1000RR in der Saison 2021 ebenfalls Aeroelemente an der Verkleidung. Seit dem Update der BMW im Vorjahr verfügt die Verkleidung über ein sehr auffälliges Aeroelement an der Front.

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BMW M1000RR

Bei der zweiten Version der BMW M1000RR wuchsen die Winglets weiter an

Nur frage ich mich, was eine Aeroverkleidung bringen soll, wenn Yamaha nicht mehr Leistung findet. Denn mehr Luftwiderstand würde den Topspeed der R1 weiter reduzieren und das gilt es um jeden Preis zu verhindern. Der Motor benötigt eine Überarbeitung. Dass das aktuelle Triebwerk am Limit ist, belegen die vielen Motorschäden in Misano.

Profitiert Yamaha von den neuen WSBK-Regeln 2025?

Ein Hoffnungsschimmer am Horizont ist die bevorstehende Spritfluss-Limitierung. Denn wenn ab der WSBK-Saison 2025 der Fluss des Treibstoffs begrenzt wird, dann wird das in erster Linie die leistungsstarken Bikes treffen.

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Topspeed: Führt die Spritfluss-Limitierung die Yamaha R1 näher an die Konkurrenz?

Bei Ducati glühen bereits die Köpfe. Die Ingenieure arbeiten fieberhaft daran, Lösungen zu finden, um möglichst wenig Spitzenleistung zu verlieren. Aber auch BMW und Honda werden sicher Federn lassen, während Yamaha und Kawasaki tendenziell weniger Probleme erwarten.

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Alvaro Bautista, Dominique Aegerter

Liegen die Superbikes ab 2025 enger zusammen?

Foto: Circuitpics.de

Nur täuscht diese Aussicht nicht darüber hinweg, dass das sportliche Image von Yamaha in den zurückliegenden Jahren einen Knacks erlitten hat. Nach der Traumsaison 2021 mit Titeln in der MotoGP und Superbike-WM ging es bergab. Toprak Razgatlioglu kaschierte die technischen Defizite mit seinem schieren Talent. Der Verlust des Ausnahmekönners zeigt, wo Yamaha in der Superbike-WM tatsächlich steht.

In der MotoGP tut sich etwas, aber in der WSBK …

Beim Yamahas MotoGP-Projekt erkennt man erste Fortschritte. Änderungen der Struktur, neues Personal und eine deutliche Beschleunigung der Abläufe lassen hoffen, dass die Japaner in der Zukunft wieder zu alter Stärke finden. Klar ist aber auch, dass das ein Prozess ist und es keine Wunder über Nacht gibt.

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Fabio Quartararo

An der Yamaha M1 sah man zuletzt einige Änderungen

Ich wünsche mir ein ähnlich starkes Bekenntnis zum Superbike-Projekt, auch wenn die Nachfrage nach Sportmotorrädern nicht mehr so groß ist, wie sie in der Vergangenheit einmal war.

Vielleicht erkennen aber auch die hochrangigen Yamaha-Manager in Japan, dass die isoliert betrachteten Verkaufszahlen der Sportmodelle nicht alles sind und ein technisch interessantes Topmodell auf die komplette Modellpalette abstrahlt.

Wohin steuert Yamahas WSBK-Projekt? Teilt mir eure Meinung auf Facebook unter “Sebastian Fränzschky – Motorsport-Journalist” mit. Dort gibt es meine Texte, Insiderinfos, Meinungen und Einschätzungen zu aktuellen Themen. Und natürlich die Möglichkeit, diese Kolumne zu diskutieren!

Sportliche Grüße,

Sebastian Fränzschky

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