Im Hause Porsche hat man es nicht so mit Zurückhaltung – eigentlich. Doch wenn es um den berühmten Entenbürzel geht, gab es bislang nur dreimal ein Okay vom Vorstand. Beim Carrera RS 2.7, beim 997 Sport Classic und nun bei der Neuauflage des Letzteren. Wir sind das ungleiche Trio gefahren.
- Porsche baut mehr RS 2.7 als nötig
- Knüppelhart und störrisch?
- RS die reinste Freude
- 19-Zöller den klassischen Fuchs-Felgen nachempfunden
- Der 992 eine andere Hausnummer
- Sport Classic mit nahezu perfekter Lenkung
Ahnengalerien sind oft ein wenig mit Vorsicht zu genießen. Ist der Stammbaum wirklich so stringent, wie es den Anschein hat? Oder soll hier nur mit der Aura einer Markenikone schnelles Geld verdient werden? Im Falle dieser drei müssen wir tatsächlich etwas weiter ausholen, denn auf den ersten Blick eint sie nur die Gestaltung ihrer Heckspoiler. Dabei war der Bürzel Anfang der 70er nicht nur ein Styling-Merkmal. Er hatte tatsächlich einen aerodynamischen Sinn, wurde vielfach im Windkanal getestet, die perfekte Höhe und der Anstellwinkel penibel genau herausgearbeitet. Heute führe so ein 992 Sport Classic mit dem Standard-Ausfahrspoiler des Carrera wahrscheinlich nicht viel anders. Die Technik hat sich weiterentwickelt, doch die Verbindung geht viel tiefer. (911er im Zehnkampf: Wir suchen den besten!)
Der Spoiler ist nur das offensichtliche Kennzeichen, die ursprüngliche Kombination aus Heckantrieb und Handschalter ist es, die den Neuen wieder so begehrenswert macht. Schließlich basiert er auf dem Turbo – und den gibt es nur mit Allrad und Doppelkuppler. Porsche hat sich also mächtig ins Zeug gelegt und nicht einfach eine optische Hommage geschaffen. Bevor wir uns jedoch mit dem 992 beschäftigen, spulen wir 50 Jahre zurück. Wer Anfang der 70er einen bösen Elfer wollte, für den war der RS 2.7 genau richtig: 210 PS waren vor 50 Jahren eine Ansage, auch wenn es natürlich stärkere Sportwagen gab. Aber in Kombination mit nur knapp einer Tonne Fahrzeuggewicht stempelte der Zwosiebener 0-100-Zeiten in den Asphalt, die sich mit den ganz Großen messen lassen konnten.
Die Entwicklungsautos lagen sogar nur um die 900 Kilo – komplett entkernt und mit sämtlichen machbaren Abspeck-Maßnahmen. Als da wären: leidlich bespannte Sitzwannen anstelle der komfortablen Möbel aus dem 2.4 S, hinten flogen die Sessel komplett raus, genau wie die Türverkleidungen, die durch kunstlederbespannte Türpappen ersetzt wurden. Statt Griffe gab es Schlaufen – das kennen wir doch von den heutigen GT-Modellen. Der Neue durchleidet dieses Diät-Ritual nicht, er wiegt ja auch rund die Hälfte mehr als der RS. Der Veteran hört dort jedoch nicht auf: Dünnblech wo möglich, Stoßfänger aus Kunststoff anstelle der bislang üblichen Chrom-Stoßstangen. Selbst die Scheiben bestanden aus dem dünnsten vertretbaren Glas. Dieser ganze Verzicht auf Material hatte natürlich zur Folge, dass der Sound viel ungefilterter beim Fahrer ankam.
Porsche baut mehr RS 2.7 als nötig
Ihn auf die Straße zu bringen, ist jedoch eine besondere Herausforderung. Nicht etwa, weil die Kupplung besonders hinterlistig wäre oder er nicht anspringt. Etwas holprig, aber doch unproblematisch erwacht der 2,7 Liter zum Leben, räuspert sich erst ein paarmal, um dann in einen sprotzelnden Leerlauf zu verfallen. Nun kommt aber die eigentliche Herausforderung: Einen der unteren Gänge einzulegen, ist für Fahrer großen Wuchses eine echte Arbeit. Zwischen dem Lenkrad und dem langen Schaltknüppel ist ohnehin nicht viel Platz – und genau da spreizt sich der rechte Oberschenkel in die Quere. Die einzige Möglichkeit: Den rechten Knöchel unnatürlich abklappen, dann ist zumindest mal der Erste drin. Jetzt lässt sich aber kaum noch Gas geben.
Knüppelhart und störrisch?
Irgendwie schaffen wir es dennoch anzurollen und stehen prompt an der Ampel vor dem Porsche-Kreisel am Museum. Also: das gleiche Prozedere noch mal, jetzt aber mit Publikum, von dem der Großteil seine Handykameras auf uns richtet. Klappt zum Glück; keine Blamage … Wir drehen den Ersten unnatürlich lang, schalten direkt in den Dritten, denn mit dem Zweiten ist es dasselbe Gefrickel. Aber jetzt, da wir in Fahrt sind, ist alles gut. Im Auto riecht es nach Sprit und Schmierstoffen, das Parfum echter Enthusiasten. Überraschend: So knüppelhart und störrisch wie erwartet geht es gar nicht zu im legendären Elfer. Die Kupplung lässt sich gefühlvoll dosieren, die Lenkung arbeitet leichtgängig – zumindest in voller Fahrt –, auch wenn um die Mittellage herum weniger Spiel wünschenswert wäre. Aber hey, das Auto geht auf die 50 zu. Das sei ihm verziehen.
Fahrwerksseitig hat er nichts übrig für Kompromisse, das zeigt er dem Fahrer schon bei den ersten Gullydeckeln. Verstärkt wird das Ganze freilich von den nur alibihalber gepolsterten Schalen mit ihrer kuriosen Neigungsverstellung über zwei Rändelschrauben. Welchen Nutzen die Fahrwerkshärte bietet, merken wir spätestens auf den verwundenen Nebensträßchen im Stuttgarter Hinterland.
RS die reinste Freude
Willig lässt er sich in Kehren schmeißen, bleibt lang neutral und leidet trotz der hecklastigen Gewichtsverteilung nur in dezenten Ansätzen an Untersteuern. Natürlich treiben wir ihn hier auf öffentlichen Straßen nicht ans Limit, das Museum hätte ihn gern wieder in einem Stück zurück, sagte man uns vorher. Verständlich. Dennoch ist es beeindruckend, wie weit es der RS abstimmungsseitig im Vergleich zu den meist hinterlistigen Elfern der 70er-Jahre gebracht hat. Es ist eine Freude, mit ihm aus der Kurve herauszubeschleunigen. Leicht zuckt es an der Hinterhand, ab etwa 3500 Touren schiebt er mit Nachdruck voran, schraubt sich linear bis nach oben zum Drehzahllimit bei 7300 Touren – stets begleitet von einem immer heiserer werdenden Boxersound, der nichts anderes als süchtig nach mehr macht.
- Motor: B6, hinten längs
- Hubraum: 2687 cm3
- Leistung: 154 kW (210 PS) bei 6300/min
- max. Drehmoment: 255 Nm bei 5100/min
- Antrieb: Heck/ 5-Gang manuell
- L/B/H: 4147/1652/1320 mm
- Leergewicht : 960 kg (DIN)
- 0–100 km/h: 5,8 s
- Spitze: 245 km/h
- Preis: ab 34.700 Mark (1973)
Wer das zu rund einem Viertel des Preises erleben will: Als Carrera 2.7 gab es die gleiche Antriebseinheit mit 210 PS und 255 Nm später auch in der G-Serie (1974–76), und was der RS 2.7 im Hause Porsche an Sportlichkeit losgetreten hat, müssen wir in diesem Magazin nicht extra betonen. Trotzdem sollte es 37 Jahre dauern, bis Porsche die Karosserieform wiederbelebte, die all das rennsportliche Image im Elfer-Bereich erst begründete. Das geschah auf der IAA 2009 mit dem 997 Sport Classic. Und welch ein durchschlagender Erfolg er doch war. Innerhalb von wenigen Tagen waren die Auftragsbücher hoffnungslos überzeichnet, und die Porsche-Händler, die für ihre besten Kunden eines der 250 geplanten Exemplare ergattern konnten, durften sich auf die Schulter klopfen. 201682 Euro verlangte Porsche für einen Sport Classic. Das ist mehr als doppelt so viel, wie seinerzeit für die technische Basis Carrera S zu berappen war. Der stand im Februar 2010 nämlich ab 97.676 Euro in der Preisliste.
19-Zöller den klassischen Fuchs-Felgen nachempfunden
Unter dem Widebody – er war übrigens der einzige Sauger mit diesem Feature – laufen 305er-Walzen auf bildhübschen 19-Zöllern, die den klassischen Fuchs-Felgen nachempfunden sind. Durch diese Modifikationen ist er weit mehr als ein seltener und sammelnswerter Schönling. Er kann auch Kurven – und wie: Durch seine vorhersehbare Sauger-Charakteristik und den famosen Grip an der Hinterachse schnalzt er sich wie am Gummiband aus den Kurven heraus, die feinnervige Lenkung gehört auch heute noch zu den besten.
Der 992 eine andere Hausnummer
Dabei liegt er wunderbar neutral, das versteifte und nochmals 20 Millimeter tiefere Fahrwerk erlaubt Kurventempi, bei denen jeder Beifahrer instinktiv mitbremst. Irgendwann fährst du dich mit dem 997 Sport Classic in einen Rausch – vor allem weil er im Vergleich zu seinem modernen Nachfolger so schön handlich geblieben ist, ohne die gedrungene Enge des Ur-Modells zu verströmen. Der 992 ist dann wieder eine ganz andere Hausnummer. Hier hat sich Porsche eher auf technische Highlights fokussiert als auf eine möglichst große optische Nähe. An den Felgen lassen sich allerhöchstens noch mit viel Fantasie Fuchs-Anleihen erkennen, der Bürzel und das Dach mit den beiden Beulen sind zwar vorhanden, doch das war’s. Vorn ist die Haube aus Kohlefaser und neu designt, um die Linien des ebenfalls aus dem leichten Verbundmaterial bestehenden Daches aufzugreifen. Sehr schick und zeugt von Liebe zum Detail, hat mit dem Urahnen jedoch nichts mehr zu tun. Genauso wenig wie der 3,8-Liter-Biturbo im Heck, der – wie auch die Schürzen und die komplette technische Basis – vom Turbo stammt. Aber zu zwei ganz wichtigen Details hat man sich dennoch hinreißen lassen: Heckantrieb und Handschalter – wie bei den anderen beiden auch. Und genau hier liegt die Besonderheit des Sport Classic, denn Turbo und Turbo S gibt es nur allradgetrieben und PDK-geschaltet. Dafür hat Porsche alles, was sonst so gut und teuer ist, mit an Bord gepackt: Das zehn Millimeter tiefere Sportfahrwerk mit aktivem Wankausgleich und die Sportabgasanlage gehören zum Serienumfang, auch Hinterachslenkung, Vorderachs-Liftsystem und die Keramikbremse mit 420er-Scheiben vorn und 390ern auf der Hinterachse sind stets mit dabei.
Auch im Interieur hat der 992 so gar nichts mehr mit seinem kargen Vorfahren zu tun. Mit seinen gemessenen 1557 Kilogramm hat er gegenüber einem vergangenes Jahr von uns gemessenen Turbo zwar knapp 100 Kilo abgespeckt, wer jedoch angesichts der reichhaltigen Komfortausstattung im Interieur von Leichtbau spricht, dem ist nicht mehr zu helfen. Einst sollte die Uhr aus dem Cockpit fliegen, nun ist die volle Infotainment-Breitseite Pflicht. Sitze und Innenraum bietet Porsche wahlweise in Schwarz oder Cognacfarben an. Letzteres erinnert entfernt an das espressobraune Interieur des 997. Die Sportsitze haben stets das Pepita-Muster in der Mittelbahn, genau wie in den Türtafeln. Offenporiges Holz und der manuelle Schaltknüppel runden das Nostalgie-Paket ab.
Sport Classic mit nahezu perfekter Lenkung
Und wie fährt sich das? Erstaunlicherweise gleichsam phänomenal und weniger überragend als vermutet. Ein handgerissener Carrera S geht besser auf 100, dafür spielt der Sport Classic seine 100 Mehr-PS beim Durchzug wieder aus. Mit seiner nahezu perfekten Lenkung erschnüffelt er die Scheitel der nächsten Landstraßenbiegung fast von allein, der irrwitzige Grip am Kurvenausgang ist dank der sensiblen Regelsysteme für Amateure wunderbar erlebbar – wer gern mit einer leicht losen Hinterhand herumspielt, für den ist der ESP-Sport-Modus wie gemacht. Also die letzte Vorstufe der hemmungslosen Quertreiberei. Mehr braucht es auf der persönlichen Lieblings-Landstraße auch nicht – und anderswo wird der Sport Classic auch nicht anzutreffen sein. Für die Rennstrecke gibt es schließlich schnellere und leichtere Gefährte(n). Die heißen meist GT3 – im Optimalfall sogar mit dem Zusatz “RS”. Und Letzterer baut dann auch die finale Brücke zum historischen RS 2.7. Eine weiße Außenhaut mit farbigem Zierstreifen und passenden Felgen. Diese Huldigung bedingt im Hause Porsche nämlich nicht der Bürzel, sondern das Kürzel.