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News: Alexej Nawalny, rassistischer Anschlag von Hanau, Goldminen-Unglück in der Türkei, ehemaliger Frontex-Chef Fabrice Leggeri kandidiert bei Europawahl

Der Kreml hat offenbar immer noch Angst vor Alexej Nawalny. Vier Jahre nach den rassistischen Morden von Hanau sind nicht alle Fragen geklärt. Und der ehemalige Frontex-Chef geht in die Politik. Das ist die Lage am Montagmorgen.

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News: Alexej Nawalny, rassistischer Anschlag von Hanau, Goldminen-Unglück in der Türkei, ehemaliger Frontex-Chef Fabrice Leggeri kandidiert bei Europawahl

Sogar Trauern ist verboten

Die Angst des Kreml vor Alexej Nawalny muss unermesslich groß gewesen sein. Da verübt der russische Geheimdienst 2020 erst einen Anschlag mit Nervengift auf ihn, den er gerade so überlebt. Da nimmt ihn, den wohl stärksten, raffiniertesten und auch wagemutigsten russischen Oppositionellen, die Justiz nach Genesung und Rückkehr nach Moskau (er wurde monatelang in Berlin behandelt) sofort in Haft, verurteilt ihn in absurden Verfahren zu 30 Jahren Lager. Und als das alles Nawalny immer noch nicht zum Schweigen bringt, wird er Ende vergangenen Jahres in ein Straflager am Polarkreis verlegt.

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Und Nawalny meldete sich wieder zu Wort, fröhlich und respektlos, trotz der unvorstellbaren körperlichen und psychischen Qualen, die er erdulden musste. Sie scheinen nur seinen Sarkasmus befeuert zu haben. Auf X ließ er wissen, dass er der neue Weihnachtsmann sei und Geschenke entgegen den gewohnten Regeln nur jene bekämen, die sich richtig schlecht benähmen.

Die Nachricht von seinem Tod fiel auf den Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz, wo der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich angereist war, um die Welt um Waffen und Munition für sein angegriffenes Land zu bitten. Gerade erst mussten sich ukrainische Truppen aus der hart umkämpften Stadt Awdijiwka zurückziehen – es ist der größte militärische Erfolg für Russland seit der Eroberung von Bachmut, um das ähnlich verbittert und lange gekämpft wurde. Nawalny hatte Putins Krieg gegen die Ukraine immer verurteilt.

Wie groß die Angst des Kreml vor Nawalny auch nach dessen Tod ist, zeigen die Festnahmen in Moskau, St. Petersburg und anderen Städten. Nicht einmal trauern dürfen Russinnen und Russen um den 47-Jährigen, nicht einmal Blumen niederlegen. Sein Leichnam wurde immer noch nicht seiner Familie übergeben. Wenige Wochen vor der Pseudo-Wahl in Russland soll kein politischer Märtyrer geboren werden.

Die Umstände von Nawalnys Tod sind noch unklar, womöglich werden sie es auch lange Zeit bleiben. Klar ist, wer dafür die Verantwortung trägt. Nur falls demnächst wieder Forderungen aus der lockeren Hüfte geschossen kommen, »man« müsse doch jetzt bald mit Putin »verhandeln«.

    Nie wieder gilt auch für Hanau

    Tobias R. hat nur wenige Minuten gebraucht, um sie in der Nacht vom 19. Februar 2020 umzubringen: Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili-Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin. Danach kehrte R. zurück nach Hause, tötete seine Mutter, dann sich selbst – er konnte also nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Neben den Morden des NSU waren die Angriffe von Hanau wohl die größten rechtsextremistischen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte.

    Seitdem kämpfen die Hinterbliebenen mit ihrem Schmerz über den Verlust ihrer Kinder und Geschwister. Sie ringen auch mit dem Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind (lesen Sie hier die preisgekrönte Geschichte meiner Kollegin Özlem Gezer und meines Kollegen Timofey Neshitov über Hanau). In das sie eingewandert sind. Auch nach vier Jahren bohren offenbar immer noch viele Fragen. Etwa diese hier: Wie es sein kann, dass in jener Nacht Beamte des Sondereinsatzkommandos im Einsatz waren, die selbst Teil einer rechten Chatgruppe waren? An diesen Skandal erinnerte noch einmal dieser Tage Said Etris Hashemi in der Talkshow von Markus Lanz. Hashemi verlor seinen jüngeren Bruder und wurde selbst angeschossen.

    Vier Jahre nach Hanau und 18 Jahre nach dem letzten Mord der Neonazi-Terrorbande des NSU stellt sich die Frage, ob Staat und Gesellschaft wirklich dazulernen. In beiden Fällen fühlen sich Angehörige und Hinterbliebene alleingelassen, nicht ernst genug genommen, darauf weist auch die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung hin.

    Ein Teil der Antwort findet sich in den hohen Zustimmungswerten für die AfD. Ein anderer Teil derzeit Wochenende für Wochenende auf deutschen Straßen, wo Tausende für ihre pluralistische Gesellschaft und Demokratie demonstrieren – auch in Hanau gestern.

      Dieses Gold glänzt nicht

      . Einfach so. Als die Welt noch eine andere war, wäre dies wohl nicht passiert. Ein Minenunglück erschüttert dieser Tage die Türkei, aber es ist ein Ereignis unter ferner liefen. Ich muss mich korrigieren: Es erschüttert einen Teil der Türkei, denn auch dort ist die Aufnahmekapazität für Schrecklichkeiten inmitten einer außer Kontrolle geratenen Inflation, der noch frischen Erinnerung an das verheerende Erdbeben vom letzten Jahr mit mehr als 50.000 Toten und politischem Dauerstress irgendwann ausgeschöpft.

      Beim Grubenunglück in Soma vor bald zehn Jahren war die halbe Welt in der westtürkischen Stadt, damals starben 301 Bergleute.

      Es waren gigantische Erdmassen, die Rede ist von zehn Millionen Kubikmeter Schlamm und Geröll, die bereits Dienstagnachmittag in einer offenen Goldmine in der Provinz Erzincan ins Rutschen kamen. Nach offiziellen Angaben sollen neun Arbeiter verschüttet worden sein. Umweltschützer und Experten haben nun große Sorge, dass der zyanidhaltige Abraum das Wasser in der Region verseuchen könnte – der Euphrat ist gleich um die Ecke. Das Gold wird mit einer Zyanid-Lauge aus dem Gestein gewaschen, eine so umstrittene wie effektive Methode.

      Vorwürfe werden nun laut, dass die Verantwortlichen die Sicherheit vernachlässigt hätten. Die Hoffnung, dass die Arbeiter noch lebend gerettet werden können, schwindet.

      Das türkische Umweltministerium hat die Mine geschlossen. 2022 war die Mine schon mal einige Monate stillgelegt worden, Zyanid war durch einen Rohbruch ausgetreten. Nach der Zahlung einer Geldstrafe durch die Betreiber war sie jedoch wieder geöffnet worden.

        Lesen Sie hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel

        • Die Zeitenwende muss endlich beginnen: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz redet der ukrainische Präsident den westlichen Verbündeten ins Gewissen. Die Kriege der Zukunft werden nicht mehr nur auf den traditionellen Schlachtfeldern geführt.

        Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

        Die Startfrage heute: Welche Jahre sind mit der sogenannten Novemberrevolution in Deutschland verknüpft?

        Verlierer des Tages…

        …ist Fabrice Leggeri, der frühere Chef der europäischen Grenzschutzagentur Frontex.

        Vor zwei Jahren ist der Franzose über seinen Umgang mit den illegalen Pushbacks von Migranten gestürzt. Nun hat er bekannt gegeben, dass er bei der Europawahl Anfang Juni für den weit rechts stehenden Rassemblement National von Marine Le Pen kandidieren will.

        Über Monate hatte Leggeri versucht, die Pushbacks und die Rolle von Frontex-Mitarbeitern dabei zu vertuschen, wie Recherchen des SPIEGEL, Lighthouse Reports und der französischen Zeitung »Le Monde« ergaben. Sie offenbarten auch das Wesen eines Mannes, der in seinen Ansichten mit der Zeit immer radikaler wurde. »Empathie für Frauen und Kinder, die in der Ägäis ausgesetzt werden, ließ er nicht erkennen«, schrieben die Kolleginnen und Kollegen damals. Womöglich wächst nun einfach zusammen, was zusammengehört.

          Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

          • Trump verhökert jetzt Turnschuhe – selbstverständlich in Gold: Donald Trump wurde jüngst zu einer 350-Millionen-Geldstrafe verdonnert. Da kann er Nebeneinkünfte gut gebrauchen. Der jüngste Lizenzartikel könnte schon bald die Füße von MAGA-Fans zieren.

          • »Oppenheimer« räumt bei Baftas ab: Gleich siebenmal gewinnt Christopher Nolans Epos über den Erfinder der Atombombe in London. Auch »Poor Things« und »Anatomie eines Falls« mit Sandra Hüller wurden geehrt.

          • Dänemark will gesamte Artilleriemunition an Ukraine spenden: Dänemark geht mit einer Symbolgeste voran und schickt seine Artilleriebestände restlos an die ukrainische Front. Auch Tschechien hat offenbar Hunderttausende Granaten für den Kampf gegen Russland aufgespürt.

          Diese Geschichte möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

          »Servus Trainer, wann können wir wieder Tischtennis spielen?«: Es ist noch nicht lange her, da trainierten hier Turner, Volleyballer, Badmintonspieler. Nun stehen in der Mehrzweckhalle im bayerischen Bad Tölz Wolfratshausen Betten für Flüchtlinge. Und das sorgt für Verteilungskämpfe vor Ort. Mein Kollege Jan Friedmann berichtet über den Hallenzoff im Landkreis, der beispielhaft steht für Konflikte und Konfrontationen in deutschen Kommunen, die Flüchtlinge zugewiesen bekommen. Es ist ein Streit über Sportanlagen und Gemeindesäle. Doch es geht auch um diese Frage, schreibt Jan: »Wie viele Geflüchtete kann, wie viele will Deutschland noch aufnehmen?«

          Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

          Ihr Özlem Topçu, stellvertretende Ressortleiterin Ausland

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