- Auto-Überwachung für Schussel
- Goldstandard für Sicherheit im Auto
- Wenn dem Assistenzsystem ein Fahrfehler auffällt
Moderne Assistenzsysteme warnen Fahrer immer stärker vor Gefahren oder wenn sie sich ablenken lassen. Neue EU-Sicherheitsregeln machen nun einen Geschwindigkeitswarner zur Pflicht. Was die Hersteller planen – und wie der Fahrer in den Fokus rückt.
Assistenzsysteme erkennen Müdigkeit und mahnen zu einer Pause. Doch das ständige Piepen nervt auch oft dpa-tmn/Christin Klose
Kaum fährt man drei, vier km/h über dem Tempolimit, fiept und blinkt es im Cockpit des neuen Prius. In dem Hybridauto setzt Toyota bereits jetzt die neuesten Sicherheitsregeln der EU um und hat deshalb einen Geschwindigkeitswarner eingebaut, der eigentlich erst 2024 Pflicht für alle Neuwagen wird. Selbst wenn man den Warner ausschaltet, ist er nach dem nächsten Anlassen wieder aktiv.
Die Japaner stehen mit dem neuen Warnsystem keineswegs allein da: Kaum ein Auto, das in diesen Wochen vorgestellt wird, kommt ohne diesen erhobenen Zeigefinger in den Handel, egal ob Neuentwicklung oder Modellpflege.
Ging es dabei bislang meist ums Fahren selbst, also um Tempo, Abstand oder Fahrspur, rückt nun zusehends der Fahrer ins Blickfeld. Was einst ein simpler Müdigkeitswarner war, überprüft neuerdings mit gestrengen Kameraaugen die Aufmerksamkeit und setzt einen Ordnungsruf ab, sobald der Blick zu lange auf der Navi-Karte oder – verbotenerweise – gar auf dem Smartphone-Display geruht hat.
Ein besonders ausgefeiltes Aufmerksamkeitssystem verbaut Volvo in seinem kommenden E-SUV EX90. „Wir beobachten, wohin der Fahrer schaut und wie oft und wie lange seine Augen geschlossen sind“, erläutert Emma Tivesten vom Volvo-Safety-Center in Göteborg. „Dadurch können wir viel über seinen aktuellen Gemüts- und Gesundheitszustand erfahren und ihm situationsgerecht zusätzliche Hilfe anbieten.“
Das beginnt mit einem einfachen akustischen Warnsignal, dessen Lautstärke mit dem Gefahrenpotenzial der Situation zunimmt. Reagiert der Fahrer nicht auf die immer deutlicher werdenden Warnungen, kann das Auto sogar selbstständig am Straßenrand anhalten und andere Verkehrsteilnehmer durch Einschalten des Warnblinklichts warnen, erläutert Volvo.
Auto-Überwachung für Schussel
Mit der ausgefeilteren Innenraum-Überwachung erhalten auch Schussel zunehmend Unterstützung: Immer mehr Hersteller wie Mercedes, Audi oder Porsche erinnern beim Aussteigen etwa daran, bloß nicht das gekoppelte Mobiltelefon im Auto liegenzulassen.
Und Marken wie Kia oder Hyundai mahnen, noch einmal nach dem Nachwuchs und dem Haustier auf der Rückbank zu schauen.
Das Navi lässt es nicht erahnen: Volvos EX90 erfasst, wohin der Fahrer schaut und wie oft und wie lange seine Augen geschlossen sind dpa-tmn/Volvo
Volvo setzt beim EX90 sogar auf ein Innenraum-Radar, mit dem die gesamte Kabine überwacht wird: Egal ob Kind oder Katze: Registriert die Elektronik noch ein Lebewesen im Wagen, lassen sich etwa die Türen nicht ohne Weiteres verriegeln, sagt Lotta Jakobsson, Sicherheitsentwicklerin bei Volvo.
Was nicht ohnehin schon vom Gesetzgeber als sicherheitsrelevante Serienausstattung vorgeschrieben ist, forciert etwa die Prüforganisation Euro NCAP mit ihrem Punkte-Schema. Die Abkürzung steht für European New Car Assessment Programme, was so viel bedeutet wie Europäisches Neuwagenbewertungsprogramm. Mitglieder der Euro NCAP sind etwa Verkehrsministerien, Automobilclubs oder auch Versicherungsverbände.
Goldstandard für Sicherheit im Auto
Weil die fünf Sterne im Euro-NCAP-Test nach wie vor als Goldstandard für Sicherheit in der Autowelt gelten, erfüllen die Hersteller – wenn immer möglich – freiwillig die Euro-NCAP-Vorgaben, auch wenn sie über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Das bestätigen die Entwicklungsingenieure der Autohersteller unisono.
Und die Prüforganisation ist mit ihrem Programm auch nach 25 Jahren noch nicht fertig. „Trotz großer Sicherheitsentwicklungen bei Autos ist unsere Arbeit noch nicht getan“, sagt Niels Ebbe Jacobsen, der Präsident der Vereinigung, und ist überzeugt, dass das Euro-NCAP-Programm das Potenzial hat, die Fahrzeugsicherheit in den nächsten zehn Jahren noch weiter zu verbessern.
Wenn dem Assistenzsystem ein Fahrfehler auffällt
Und nach einer Mitgliederbefragung kommt der österreichische Automobilclub ÖAMTC zu dem Schluss: „Moderne Assistenzsysteme können die Sicherheit erhöhen, bei der Zuverlässigkeit muss aber noch dringend nachgebessert werden.“
Währenddessen nimmt die Zahl der Assistenten weiter zu, wie der ÖAMTC mit Blick in die Zulassungsvorschriften erhoben hat: Die fordern für alle Neuwagen ab spätestens 2024 unter anderem einen Müdigkeits- und einen Geschwindigkeitswarner als Serienausstattung.
So sieht Nios digitaler Beifahrer Nomi aus, der kumpelhaft, aber auch sehr streng sein kann dpa-tmn/Nio
Doch manche Hersteller gehen im Namen der Sicherheit noch darüber hinaus. Das zeigt etwa das Beispiel des chinesischen Newcomers Nio. Autos wie der EL7 oder der ET5 sind mit einem digitalen Beifahrer namens Nomi ausgestattet, der sich als Animation mit Glupschaugen in einer Halbkugel auf dem Armaturenbrett dreht.
Im normalen Betrieb gibt sich Nomi kumpelhaft und ist mit den Insassen per Du. Doch sobald einem der zahlreichen Assistenzsysteme ein Fahrfehler auffällt, wechselt der Tonfall und es ist vorbei mit der Freundschaft. Dann tönt es plötzlich streng und bestimmt aus den Lautsprechern: „Bitte bleiben Sie konzentriert.“
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