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Großer Autozulieferer will deutsche Werke „dichtmachen“: Diese Standorte könnten betroffen sein

Krise in der Autobranche

Großer Autozulieferer will deutsche Werke „dichtmachen“: Diese Standorte könnten betroffen sein

Der Fahrzeug-Zulieferer ZF Friedrichshafen plant tausende Entlassungen – und denkt auch über Werk-Schließungen nach. Diese Fertigungen könnten vom Standort-Aus betroffen sein.

Friedrichshafen – Der Fahrzeug-Zulieferer ZF Friedrichshafen kommt nicht zur Ruhe. Nach der Ankündigung des Konzerns, bis 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Stellen in Deutschland abzubauen, stehen laut Betriebsratschef Achim Dietrich einige Werke der insgesamt 35 Standorte auf der Kippe. Ein ZF-Unternehmenssprecher reagierte prompt und bezeichnete Schließungen als letzten Ausweg – vorher wolle man versuchen, die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Standorte wiederherzustellen.

Geht ZF Friedrichshafen die finanzielle Luft aus? Liste von Werken, „die schnell dichtgemacht werden sollen“

Doch dieses Bekenntnis bringt letztlich wenig, wenn dem Zulieferer in den kommenden Monaten oder Jahren der finanzielle Spielraum schwindet. Rund drei Milliarden Euro Umsatz fehle dem Konzern gegen „Ende des Jahres“, erklärt Betriebsratschef Achim Dietrich im Handelsblatt. Hinzu kommen zehn Milliarden Euro Schulden aus vergangenen Übernahme-Käufen, laufende Transformationskosten für die Elektromobilität, der Druck der billigeren und flexibleren internationalen Konkurrenz sowie der teure Produktionsstandort in Deutschland.

Auch deswegen existiere bereits eine Liste von Werken, „die möglichst schnell dichtgemacht werden sollen“, so Dietrich weiter. Laut einer Analyse der WirtschaftsWoche betreffen die potenziellen Schließungen überwiegend kleinere Standorte mit bis zu 300 Mitarbeitern. Wie eine „Wettbewerbsprüfung“ ablaufen könne, zeigt sich derzeit im ZF-Werk im Gelsenkirchener Stadtteil Schalke. Im Dezember 2023 hatte der Konzern verkündet, den Standort Ende 2024 wegen fehlender Kundenaufträge schließen zu wollen. Laut der IG Metall Gelsenkirchen habe man sich aber vorerst auf eine Machbarkeitsstudie geeinigt, die prüfen solle, ob das Werk mit rund 200 Mitarbeitern nicht doch noch zu retten sei.

großer autozulieferer will deutsche werke „dichtmachen“: diese standorte könnten betroffen sein

ZF Friedrichshafen

Standort-Aus in Gelsenkirchen wohl beschlossen – Werk in Eitorf könnte trotz Widerstand bald folgen

Das Onlineportal BW24 zitiert allerdings diese Woche aus einem internen Papier, dass eine Schließung des Werks alternativlos sei. Ähnlich dürfte es im nordrhein-westfälischen Eitorf laufen. Auch hier hat ZF angekündigt, die Fertigung mit 590 Mitarbeitern Ende 2027 zu schließen. Die dortige Produktion von Stoßdämpfern für Fahrzeuge solle kostengünstig ins Ausland verlegt werden. Mit einem Innovationsplan wollen die IG Metall Bonn Rhein-Sieg und ZF-Betriebsrat diesen Schritt verhindern, um einen Fortbestand des Werks zu gewährleisten – allerdings mit einem neuen Produktfokus und nur noch rund 300 Mitarbeitern.

Dass ZF für die Entwicklung des Plans im April ein extra Budget genehmigte, wirkt angesichts des nun beschlossenen bundesweiten Stellenabbaus sowie der etwaigen Schließungen fast schon skurril.

Größere Stammwerke in Friedrichshafen oder Schweinfurt bleiben bestehen – mit weniger Mitarbeitern

Neben Gelsenkirchen und Eitorf stehen 13 weitere Werke im Fokus der „Wettbewerbsüberprüfung“ (siehe Tabelle, Quelle Wirtschaftswoche). Vom hessischen Langenhagen (300 Mitarbeiter) angefangen bis zum Werk in Ingolstadt (102) haben sie alle gemein, dass die Anzahl der Mitarbeiter sich unterhalb der magischen Grenze von 300 bewegt. Diese seien ohnehin weniger effizient als die Boliden-Werke in Friedrichshafen (9.970), Schweinfurt (9.556) oder Saarbrücken (9.212), schätzen Sanierungsexperten. Außerdem wirke eine vollständige Schließung der Standorte im Vergleich zu den Stamm-Fertigungen weniger radikal.

Werk-Standorte Mitarbeiter
Langenhagen (Niedersachsen) 300
Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz) 297
Damme 253
Bremen 240
Gronau (Niedersachsen) 230
Kressbronn 219
Wagenfeld (Niedersachsen) 210
Aschaffenburg (Bayern) 194
Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) 193
Kreuztal (Nordrhein-Westfalen) 159
Radolfzell (Baden-Württemberg) 145
Regensburg (Bayern) 116
Ingolstadt (Bayern) 102

Diese bleiben dennoch nicht verschont: ZF werde in fast allen größeren Werken in Deutschland Stellen abbauen. Davon seien nicht nur die Fertigungen betroffen, sondern auch „die Controller, die Einkäufer, die Entwickler, die Verwaltung, die Buchhaltung“, wie es Dietrich auf einer Protest-Kundgebung im Januar erklärt hatte.

Sonderweg im ZF-Werk in Passau: Rund 4.500 Mitarbeiter sollen scheinbar ab November in Kurzarbeit

Einen softeren Weg wählt ZF Friedrichshafen in Passau. Ab November sollen laut der Passauer Neuen Presse (PNP) rund 4.500 Mitarbeiter der Werke Grubweg und Patriching in Kurzarbeit gehen. Eine geringe Nachfrage im Bau- und Landwirtschaftssektor von der im Werk gefertigten Industrietechnik sei der Grund für diesen Schritt. Der Konzern bliebe seit geraumer Zeit auf den Getrieben und Achsen für Land- und Baumaschinen sowie für Sonderfahrzeuge sitzen. Zwar steht noch eine offizielle Bestätigung von Seiten der Werksleitung aus, doch beruft sich die PNP auf Teilnehmer einer Betriebsversammlung im September.

Damit bliebe im zweitgrößten Industriebetrieb in Niederbayern immerhin vorerst eine größere Entlassungswelle aus. Kurzarbeit ist darauf ausgelegt, dass die Mitarbeiter 60 Prozent ihres Gehalts bekommen und bei einer anziehenden Auftragslage umgehend wieder zur Vollzeit zurückkehren können. Bliebt nur die Frage, wie groß die Geduld in der schwäbischen Konzernzentrale in Friedrichshafen ist.

Nicht nur ZF Friedrichshafen in der Krise: Deutsche Autozulieferer verlieren Weltmarktanteile

In einer Analyse der Unternehmensberatung Pwc lautet die Prognose hingegen düster: So hätten die „erfolgsverwöhnten deutschen Zulieferer“ seit 2019 bereits circa drei Prozentpunkte Weltmarktanteil verloren. Der Trend gehe in Richtung Asien, die technologieoffener agieren.

Lea Corzilius, ZF-Personalvorständin und Arbeitsdirektorin, gibt sich gegenüber der Lokalzeitung Wochenblatt noch zurückhaltender: „Wir als ZF können uns nicht von den schwierigen Rahmenbedingungen in der Automobilbranche abkoppeln, wie etwa dem verzögerten Anlauf der E-Mobilität und hohen Produktionskosten vor allem am Standort Deutschland.“

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