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Expedition im Südwesten Afrikas - Motorradtour durch Namibia

Andreas Prinz, Stephan Fritsch und Dirk Schäfer hatten bereits 2014 einen Motorradreisefilm über die Pyrenäen produziert. Jetzt wollten sie in Namibia einen Kinofilm drehen: eine packende Mischung aus Abenteuerreise, graandiosen Landschaften und bemerkenswerten Menschen. Ob das geklappt hat?

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Expedition im Südwesten Afrikas – Motorradtour durch Namibia

Eine Woche waren Andi und ich gerade mit unseren Ténéré 700 im Süden Namibias unterwegs. Dort nahmen wir jede Menge Storys für einen Film auf, der tatsächlich einmal Kinoreife bekommen soll. Weil wir das alleine nicht schaffen, treffen wir uns planmäßig mit Kameramann Stephan, der uns in den kommenden zwei Wochen begleiten wird. Wegen seiner umfangreichen Ausrüstung kann er nicht auf ein Motorrad zurückgreifen, sondern muss in einem Toyota Landcruiser fahren. Als wir ihm jetzt mit gelindem Stolz die Aufnahmen der vergangenen Tage präsentieren, kommentiert er unser Werk mit dem eingangs zitierten Satz: “Da ist schon viel Schönes dabei!” Was wie ein Lob klingt, bedeutet tatsächlich: “Leute, da müssen wir aber noch eine Schippe drauflegen!”

Die Dünen von Swakopmund

Die Piste ist breit wie eine Autobahn, das Tempolimit liegt bei geschmeidigen 100 Stundenkilometern. Dennoch ist Kühlung außerhalb von Stephans Toyota Mangelware. Das Thermometer meiner Yamaha konstatiert veritable 43 Grad Celsius. Wie soll das erst werden, wenn die Piste nicht mehr so einfach ist? Ein bisschen Optimismus verbreitet die Bluetooth-Sprechanlage, mit der wir drei verbunden sind und Stephan selbst. Besser gesagt der Bordkühlschrank des Landcruisers. Aber noch sind wir im wahrsten Sinn des Wortes in der Aufwärmphase. “Da vorne”, höre ich Andi, “sind doch schon die Dünen von Swakopmund.” Die goldgelben Sandberge künden nicht nur Namibias hübschen Küstenort, sondern auch unsere erste Verabredung an.

Chris Nel ist Experte in Sachen “Leben in der Wüste”. Und er führt uns genau in die goldgelben Dünen, an denen wir vorbeikamen. In dem Haufen Sand soll es Leben geben? “Mehr, als ihr denkt”, sagt er und macht sich barfuß auf den Weg zum Fuß einer Düne. Binnen vier Stunden zaubert er Tiere aus dem Sand, die so ungewöhnlich sind wie ihre Namen. Darunter eine Art Mini-Krokodil, das wie ein Turbo-U-Boot unter dem Sand durchpflügt. Ein possierlicher Gecko mit transparenter Haut und gewaltig bunten Augen, mit denen er die Nacht zum Tag macht. Käfer, die einen Handstand machen, um Tautropfen einzufangen und sie zu trinken. Stephan kommt mit dem Filmen, Andi und ich mit dem Staunen kaum nach.

Ehemals größte Zinnmine der Welt

Es gibt Tage, da kommt man sich mit seiner ultimativen Navigationsausstattung komisch vor. Zum Beispiel jetzt, als wir auf den Minenort Uis zuhalten. Den Ort können wir noch lange nicht sehen. Aber ein schneeweiß in der Sonne glänzender Berg ragt unverkennbar wie der Kölner Dom aus der Ebene. Verfahren unmöglich. Der Berg ist eigentlich eine Abraumhalde der ehemals größten Zinnmine der Welt und besteht aus reinem Quarzsand. Mehrere Wege führen durch den Schneesand hinauf zu einem formidablen Aussichtspunkt. Da ich schon ein paarmal hier war, fräse ich voraus. Plötzlich eine Weggabelung: rechts steil bergan, links leicht bergab. Da wir nach oben wollen, drehe ich nach rechts und gebe Gas. Vergeblich! 50 Meter weiter hat der Quarzsand den Wettkampf mit den Pirellis gewonnen. Zu steil und … wir sind auf der falschen Piste! Während wir die Ténérés um 180 Grad talwärts drehen, keucht Andi: “Ich glaub, ich hätte es geschafft. Wenn du nicht im Weg gestanden wärst.” Den zweiten Satz sagt er nicht, was ich ihm hoch anrechne. Aber was für ein Optimismus! Wieder auf der richtigen Piste leisten wir uns keine Schnitzer mehr, und mit einem inneren “Yippie!” erreichen wir das Gipfelplateau. Unter uns, auf einem Teppich von Landschaft, breitet sich das bescheidene Uis wie eine Spielzeugstadt aus. Ein strammer Wind bläst flüchtige Atlantikwolken über uns und die Stadt. Zeit zum Abstieg und zur Begegnung mit einer echten Persönlichkeit.

Basil fährt wie der Teufel!

Der Typ scheint eine bizarre Mischung aus Charakteren. Er könnte Burt Munro sein, wenn der denn keine Africa Twin führe. Könnte auch der Bulle von Tölz sein, wenn der eine Herberge betriebe. Oder Gandalf der Graue, wenn dieser der Braukunst so zugetan wäre wie der Zauberei. So aber ist Basil Carlitz einfach ein urwüchsiger Endfünfziger, der Motorräder ebenso liebt wie die Biere dieser Welt. Eine stattliche Flaschensammlung, die sich ausnimmt wie die Bibliothek belesener Herrschaften, hat er schon zusammengetragen. Aber wir sind hier, um mit Basil und seiner Africa Twin eine Runde zu drehen. Und ihn dabei natürlich zu filmen. Klingt easy, doch Andi hatte mich schon gewarnt: Basil fährt wie der Teufel! Er wird recht behalten. Basil will uns seinen Lieblingsplatz mit Ausblick auf Namibias bekanntesten Berg, die Spitzkoppe, zeigen. Kaum haben wir das letzte Haus von Uis hinter uns gelassen, gibt Basil der betagten Twin die Sporen. 110, 120, 130, 140 … Um nicht in Basils Staubfahne zu vernebeln, versuche ich, leicht versetzt Anschluss zu halten. An Filmen ist jetzt nicht mehr zu denken. Wer wollte bei diesem lebensverneinenden Pisten- tempo noch an einer Kamera herumfingern?

Die Spitzkoppe, das Matterhorn Namibias

Erst als wir auf einen Steinbruch zuhalten, nimmt Basil die Hand vom Gas. Auf einer überdimensionalen Tischplatte aus purem Marmor halten wir an. Ich spüre meinen Puls im Hals. Basil ist die Ruhe selbst. “Schau, da hinten ist sie, die Spitzkoppe!” Wir sehen erst mal nichts außer den würfeligen Felsformationen des Damaralands. Erst nachdem die Augen von der Nahsicht auf die Piste wieder auf Fernsicht umgestellt haben, sehen wir sie am dunstigen Horizont. Die Spitzkoppe, das Matterhorn Namibias.

Basil rast wieder nach Uis zurück und wir peilen die Spitzkoppe an. Deren bizarre Formation ist das, was von einem Vulkanschlot übrig blieb, der die Erdkruste nie durchbrach. Im Lauf der Zeit erodierte alles um den granitharten Schlot herum weg, sodass er freigelegt wurde. All die anderen Berge ringsherum schrumpelten zu Riesenmurmeln. Eine schmale Piste windet sich zwischen den Murmeln hindurch und wir driften ihr hinterher. Was für eine Landschaft! Was für eine Fahrt! Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Das dicke Ding dieses Tages soll erst noch kommen.

Mit dem Motorrad in den Vulkankrater

In einer Monsteretappe fahren wir zur Küste, an der zig Schiffe in schwerer See gestrandet sind, weiter zur Robbenkolonie von Cape Cross mit mehreren Tausend Tieren und wieder landeinwärts zu einem Highlight, von dem wir nicht ahnen, dass es zu einem werden wird: dem Messum-Krater. Der ehemalige Vulkan ist über Millionen von Jahren immer flacher geworden. Daher kann man an einigen Stellen in den 22 Kilometer weiten Krater hinein- und wieder hinausfahren. Wir wählen die südliche Zufahrt über eine knüppelharte Strecke. Die Orientierung ist zunächst einfach und wir steuern das Zentrum des Ex-Vulkans an. Danach wird es jedoch spannender. Und unangenehmer. An der östlichen Ausfahrt der Caldera verzweigen sich immer mehr Spuren. Trotz GPS muss Andi die Route durch die labyrinthischen Täler mehrmals korrigieren. Dann sind wir endlich im richtigen Tal. Unverkennbar, denn unsere Spuren sind nicht die einzigen. Eigentlich ist das ein Untergrund, bei dem man den Luftdruck noch mal ordentlich reduzieren sollte. Aber erstens ist es bullenheiß, zweitens Schatten nicht in Sicht, und drittens ist die Passage nur ein paar Hundert Meter lang. Wie man sich täuschen kann!

Nach 40 Kilometern Tiefsand sind wir fix und fertig. Obwohl … Stephan steigt ziemlich relaxt aus dem Landcruiser, während Andi wie ein matter Käfer auf dem Rücken liegt und ich wie eine Marionette ohne Fäden im Sattel zusammengesunken bin. Aber hier, mitten auf der Ebene hinter dem Messum-Krater, können wir nicht bleiben. Die einzige Alternative: das Rhino-Camp, knapp 60 Kilometer von hier. Die Sonne sinkt und die sandigen Ebenen werden zu steinigen Canyons. Wir tasten uns behutsam vor, um ja nicht einen Platten oder gar unsere Felgen zu riskieren. Ein praller Vollmond leuchtet das Rhino-Camp matt aus, als wir endlich eintreffen. Normalerweise könnten wir uns jetzt eine einfache Dusche in einem der hölzernen Krale gönnen. Aber gestern, so berichtet der Platzwart, sind Elefanten durchs Camp gezogen und haben die ohnehin bescheidene Campingeinrichtung zerstört. Das vorhandene Wasser verschwand in ihren Rüsseln.

Vom Rhino-Camp nach Twyfelfontein

Am nächsten Morgen gibt es erfreulich wenige Menschen, die unser angeschlagenes Äußeres interessiert. Wir sind ohnehin fast alleine im Rhino-Camp und niemand außer uns nimmt den Weg nach Twyfelfontein unter die Räder. Dorthin ist es so weit wie von Frankfurt nach Mannheim. Allerdings fehlt uns hier eine verbindende A 5. Deshalb werden wir etwas länger als die eine Stunde nach Mannheim brauchen. In verschachtelten Canyons staut sich die Mittagshitze und ausgerechnet hier fahre ich die Vorderhand der Yamaha platt. Glück im Unglück: Meine T7 hat einen Hauptständer, sodass der Ausbau leichtfällt. Stephan steuert aus dem Landcruiser den Kompressor zum Aufpumpen bei und nach 20 Minuten sind wir wieder flott. Abgesehen vom Filmequipment wäre der Toyota eigentlich überflüssig. Aber heute werden wir ihn auf jeden Fall brauchen, denn diese Etappe übersteigt die Reichweite der Ténérés. 40 Kilometer vor Twyfelfontein müssen wir auf die Reichweitenverlängerung im Landcruiser zurückgreifen. Das Einzige, was jetzt fehlt, ist ein gescheites Café mit Kaffee und Kuchen. Gibt’s nicht? Doch!

Schwarzwälder Kirsch- und Quarktorte in Outjo

Outjo ist ein Durchgangsort auf dem Weg zu Namibias berühmtem Nationalpark Etosha. Für uns aber liegt die Berühmtheit hier im Ort. An einem kleinen Platz betreibt Anastasia Gabathuler ihr Farmhouse, eine Mischung aus Restaurant und Café. Zu den Spezialitäten zählen unter anderem Schwarzwälder Kirsch- und Quarktorte, aber vor allem Anastasia selbst! Sie gehört zur Nation der Damara, die etwa zehn Prozent der namibischen Bevölkerung stellt. Mit ihr könnten wir auf Englisch sprechen, aber sie macht es uns noch viel leichter. Denn Anastasia spricht ein herrliches Schwyzerdütsch, das oft von einem ansteckenden Lachen unterbrochen wird. Was für eine Herzensperson! Ihre Konditorausbildung hat Anastasia in der Schweiz absolviert und bekommt von ihrer eidgenössischen Schwiegermutter immer die neuesten Rezepte geschickt. Wir essen Kuchen, interviewen Anastasia und könnten so langsam weiterfahren, denn wir wollen ja noch etliche weitere besondere Menschen treffen für unser “10 Leben in Namibia”-Projekt. Aber Stephan hat Einwände: “Da war schon viel Schönes dabei.” Andi und ich schauen uns fragend an, während Stephan schon wieder die Kuchenkarte studiert. Ja, da war wirklich viel Schönes dabei!

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