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Camper-Oldie für 1.800 Euro bekommt zweites Leben

Der Mängelbericht zwei Seiten lang, der Motor ölig, der Endtopf abwesend? Das sind ja doch wohl keine Argumente, die gegen den Erwerb des ersten gemeinsamen Campers sprechen! Das dachten sich Marc und Evi jedenfalls, als sie den Campingbus-Oldtimer auf Mitsubishi L300 erwarben, um ihn zu restaurieren.

“Ein wenig schrullig schaut er schon aus”, gibt Marc Ryszkowski lächelnd zu, während wir den Mitsubishi L300 umkreisen, in den er so manches Reparaturblech eingeschweißt hat, um ihn wieder auf die Piste zu bringen. “Aber gerade der schrullige Auftritt macht ihn ja auch so sympathisch”, wirft Evi Heindl ein, während sie die Heckküche, für sie ganz klar das Highlight des Wagens, nach Ersatzbatterien für die Lampions durchstöbert. Das scheint noch ein wenig zu dauern, und so beginnt Marc die Geschichte von Rudi zu erzählen, der anfangs nur noch “Rudi Rost” genannt wurde.

Der Kauf

camper-oldie für 1.800 euro bekommt zweites leben Andreas Becker

Kantige Linienführung und ein Alko-Frontschutzbügel – der außergewöhnliche Campingbus feiert am 29. Juni 2022 seinen 30. Geburtstag.

“Das erste Mal bewusst wahrgenommen hatten wir den L300 auf Mallorca, in inseltypischem Zustand”, blickt er zurück. “Das war 2018, im folgenden Frühjahr entdeckten wir dann unseren Rudi in der Nähe von Stuttgart.” Dass es sich um einen eher raren Ausbau der Marke Burow handelte, das war weder relevant noch kaufentscheidend, wobei “Evi ob der schönen und intelligent angeordneten Innenausstattung direkt Feuer und Flamme” war. Marc indes war ein wenig zurückhaltender.

Eine Weile zuvor hatte er ein Coupé der legendären Mercedes-Baureihe W 123 saniert: “Ich wusste also, wie sehr gerade die Karosseriearbeiten ausufern können. Da wir zudem direkt nach dem Studium auf Jobsuche waren, musste alles irgendwie ‚low-budget-mäßig‘ ablaufen.”

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Mit Charme und Häkeldecke – so sieht der restaurierte Innenraum heute aus. Bis das Auto wieder lief, war es ein langer Weg.

Entsprechend zahm war der Kaufpreis, 1.800 Euro haben Marc und Evi investiert. Immerhin der Dreier-Radträger wurde als Verhandlungsmasse mit auf den Weg gegeben, als der Camper auf dem Anhänger in die Südwestpfalz gebracht wurde. “Das Auto war zwar noch zugelassen. Aber die Hauptuntersuchung war schon ein Jahr überzogen, die Karosserie von vorne bis hinten durch, der Endtopf fehlte und der Motor verlor literweise Öl. Das war auch der Hauptgrund für die Hängerüberführung. Der Mängelbericht umfasste zwei Seiten und beinhaltete fast alle Baugruppen.” Eine Liste des Horrors, die die beiden bedächtig, aber bestimmt abgearbeitet haben.

Der Neuaufbau

Geschehen konnte dies in einer kleinen Garage mit grandioser Grube, der Ort der Wiederbelebung gehört zum Haus von Marcs Großmutter. “Dort waren wir dann jedes freie Wochenende zum Schrauben”, erinnert sich Evi an die vielen Kilometer, die sie von Heidelberg in die Pfalz abgeritten haben. “Meist am Freitagnachmittag ging es los, um den ganzen Samstag und den halben Sonntag arbeiten zu können.” So wurde also am Blech gebrutzelt und an der Technik geschraubt.

Die beiden haben mal improvisiert, mal mit nonchalanter Lässigkeit gearbeitet. Nur aufgegeben haben sie nie. Grobmotorische Fertigkeiten hatte Marc während seines Kunstgeschichtestudiums in Saarbrücken erwerben können, “in den Ferien hab ich oft in der Industrie gearbeitet, außerdem haben mich ältere Fahrzeuge schon immer begeistert, auch als Schrauber, deshalb konnte ich die Schweißarbeiten selbst erledigen”.

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Die Heckküche bietet sowohl eine Spüle wie auch einen Zweiflammen-Gasherd.

Evi kümmerte sich um die Details und vor allem um den etwas verwohnten Innenraum, es existieren jedoch auch Beweisfotos, die sie bei der Rostbehandlung zeigen. “Gemäß unserer denkmalpflegerischen Maxime und dem fehlenden Geld strebten wir die größtmögliche Substanzschonung an”, versichern die beiden lächelnd, während er liebevoll den Arm um ihre Schulter legt. So sieht echte Camperliebe aus – was will man sich angesichts solcher Emotionen ob der Flickstücke an den Radläufen echauffieren oder das großzügig eingenietete Blech an der Heckklappe thematisieren!

Wie bei jeder Restaurierung gab es Momente des Innehaltens und der überraschend großen Fortschritte. So war das Hitzeschutzblech über der Auspuffanlage als Ersatzteil nicht mehr erhältlich, es wurde kurzerhand aus der Edelstahlhaut einer alten Wäschetrocknertrommel gedengelt, die durchgerostete Hecktraverse raubte ähnlich viele Stunden, “der massive Ölverlust am Motor war dafür innerhalb einer Viertelstunde durch den Einbau einer neuen Ventildeckeldichtung behoben, Glück gehabt”. Wieder zwei Punkte abgehakt.

Am Ende hieß es dann auf dem Prüfbericht schlicht “ohne Mängel”, aus Rudi Rost war Rudi Rostlos geworden. Und der mutierte nun zu Rudi Rastlos.

Die ersten Schritte

“Die Jungfernfahrt führte uns in den letzten Sommertagen 2020 in eine total verregnete Normandie im Norden Frankreichs.” Mehr als zweitausend Kilometer durch bescheidenes Wetter – und alles hielt, die dauerbeduschte Feuerprobe hat der kleine Van bestanden, die besonderen Vorteile des Doppelladers mit der verschiebbaren Rückbank wurden rasch erkannt und geschätzt, obgleich wegen des Wetters nur selten im Aufstelldach geschlafen werden konnte.

Dass für die untere Bettfläche eine Platte improvisiert werden musste, sie dient inzwischen auch als Tisch für innen, das spricht für das pragmatische Denken des sympathischen Akademikerpärchens, beide sind aktuell mit ihren geisteswissenschaftlichen Promotionen beschäftigt.

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Bastelstunde: Für die untere Bettfläche wurde eine Platte improvisiert, die auch als Innentisch Verwendung findet. Die herrlich fummelige Arretierung der Füße sorgt für beste Unterhaltung.

Die neue Saison 2021 brachte neue Reisen, Südfrankreich war angesagt. “Wir haben das Auto nie geschont, dafür gab es aber auch nie einen Grund, so gut, wie er läuft, so zuverlässig, wie der anspringt, wir hatten nie eine Panne”, meint Marc, während er den Hebel der Lenkradschaltung streichelt. Solche Details liebt er, gerade auf französischen “Route départementale” macht das Fahren ganz besonders viel Spaß, versichern beide. “Ich kuschel mich dann meist auf dem mittleren Platz der vorderen 1plus2-Sitzbank ein, direkt über dem Motor”, schwärmt Evi und lächelt ihre Grübchen für ihn herbei. Ja klar – warum auch voneinander wegrücken, wenn man sich mag?

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Sorgt für Schub und ’nen warmen Popo: Der Motor schöpft 90 PS aus zwei Litern, laut Papieren reicht das für Tempo 140.

Den Erwerb des rostigen Rudi haben beide nie bereut, jederzeit wieder würden sie dieses Abenteuer unternehmen, alleine schon wegen der Großmutter. “Bei ihr waren wir ja während der Instandsetzung regelmäßig zu Gast, den Fortgang der Arbeiten hat sie von der Gartenbank aus beobachtet. Da meine Oma unlängst verstorben ist, hat auch diese letzte gemeinsame Zeit mit ihr für Evi und mich noch mal an Bedeutung gewonnen”, meint Marc mit leiser Stimme. “Ohne das Busprojekt hätten wir sicher nicht jedes Wochenende dort verbracht.” Auch eine gewisse Melancholie gehört eben zu Rudi.

Die Zukunft

Mit dem soll es in der just startenden Reisesaison auf jeden Fall wieder nach Frankreich gehen, in die Provence vielleicht, “gerne auch in die Bretagne” erklärt Evi mit Schalk in den Augen, während sie die bunte und grobmaschige Häkeldecke glattstreicht, die wunderbar zum etwas schrulligen Auto passt, das alsbald in die H-Zulassung als Odtimer rollen soll. “Klar, dafür müssen wir ihn noch aufhübschen”, meint Evi zuversichtlich. “Aber das kriegen wir schon hin, keine Sorge”, schmunzelt sie. Je nun, zu zweifeln gibt es daran nichts, das Trio hat noch viel vor! Und reparieren kann man alles – so man wirklich will.

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