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Nur noch wenige Monate für Verhandlungen um E-Auto-Zölle

nur noch wenige monate für verhandlungen um e-auto-zölle

Letzte Lieferungen von Honda: Wegen des Brexits haben sich die Japaner inzwischen von der Insel zurückgezogen.

Ein halbes Jahr vor Einführung von zehnprozentigen Zöllen für den Verkauf von Elektroautos aus der EU in Großbritannien oder von britischen E-Autos in der EU steigt die Nervosität in der Autoindustrie. Mit dem Brexit war vereinbart worden, dass von 2024 an nur diejenigen E-Autos zollfrei über den Ärmelkanal verkauft werden können, die zu 45 Prozent lokal gefertigte Bauteile enthalten. Weil die Batterien noch immer größtenteils aus Asien kommen, wird dieser lokale Produktionsanteil für batterieelektrische Autos nicht erreicht, weshalb die britische und die europäische Autobranche fordern, den Einführungstermin für diesen Zoll zu verschieben.

Während sich Sprecher der EU-Kommission eher ungerührt geben, zeigt sich die britische Automobilindustrie sehr besorgt. Mike Hawes, Chef des Branchenverbands SMMT, sagt: „Strengere Ursprungsregeln für Batterien, die in weniger als sechs Monaten angewendet werden, stellen für die Hersteller auf beiden Seiten des Ärmelkanals eine große Herausforderung dar.“ Es bestehe „die reale Gefahr von lähmenden Zöllen und Preiserhöhungen“ für Elektrofahrzeuge. „Wir erwarten von der EU und dem Vereinigten Königreich, dass sie sich dringend auf eine pragmatische Lösung einigen, die den Batterieherstellern mehr Zeit einräumt, um die immer anspruchsvolleren Ursprungsregeln einzuhalten, was im Rahmen des bestehenden Handels- und Kooperationsabkommens zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU durchaus möglich ist“, so die Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT). Großbritanniens Handelsministerin Kemi Badenoch meinte vor Kurzem: „Das ist nicht ein britisches Problem, das ist ein britisch-europäisches Problem – es geht in beide Richtungen.“

nur noch wenige monate für verhandlungen um e-auto-zölle

The new MINI electric car is unveiled at the BMW group plant in Cowley, near Oxford on July 9, 2019. – This is the first electric car to be produced by Mini and will go into full production at the end of 2019. (Photo by Tolga Akmen / AFP)

Die Europäische Kommission ging auf die Forderungen der Autobranche bisher nicht ein. Sie habe die Schätzungen von ACEA zur Kenntnis genommen, welche Folgen die neuen Zölle für den Handel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich haben könnten, sagte ein Sprecher. Sie sei in engem Kontakt mit ACEA, um die Hersteller aus der EU dabei zu unterstützen, wie sie die Ursprungsregeln für Elektroautos erfüllen könnten. Bereitschaft zu einer Verschiebung der Zölle, lässt Brüssel bisher nicht erkennen. „Die Ursprungsregeln sollen das strategisch wichtige EU-Ziel unterstützen, eine starke und resiliente Wertschöpfungskette für Batterien in der EU zu entwickeln“, sagte der Sprecher weiter. Die Regeln seien zwischen der EU und Großbritannien im Rahmen der Brexit-Verhandlungen vereinbart worden. Es sei immer klar gewesen, dass der Brexit Folgen für den Handel haben werde. Es stehe beiden Seiten aber frei, das Thema in den zuständigen Ausschüssen des Post-Brexit-Abkommens zur Sprache zu bringen.

nur noch wenige monate für verhandlungen um e-auto-zölle

A view of the dashboard of the new MINI electric car, unveiled at the BMW group plant in Cowley, near Oxford on July 9, 2019. – This is the first electric car to be produced by Mini and will go into full production at the end of 2019. (Photo by Tolga Akmen / various sources / AFP)

E-Auto-Absatz könnte um 500.000 Fahrzeuge im Jahr sinken

Fachleute aus der Autobranche der EU gehen davon aus, dass bei Einsatz der Zollvorschriften wie geplant von 2024 an EU-Unternehmen bis zu 6 Milliarden Euro an Zoll an Großbritannien zahlen müssten, umgekehrt britische Unternehmen an die EU bis zu 1 Milliarde Euro. Wegen der damit geschwächten Wettbewerbsfähigkeit der EU-Produkte könne deren Absatz an E-Autos jährlich um 500.000 Fahrzeuge sinken; die Lücke würden Anbieter aus anderen Kontinenten schließen. Für Großbritannien geht es dagegen um das Überleben des Fertigungsstandorts, der bisher 80 Prozent der Produktion exportierte. Nissan und Honda kamen zur Autofertigung ins Land, um von der Insel den europäischen Automarkt zu bedienen. Nach dem Brexit hat sich Honda schon zurückgezogen.

Der Opel-Mutterkonzern Stellantis hat schon gewarnt, dass er die Produktion von Elektrofahrzeugen in Großbritannien einstellen werde, sollten die Ursprungsregeln nicht geändert werden. Stellantis, mit den Marken Opel/Vauxhall, Peugeot, Citroen und Fiat, betreibt in England zwei Fabriken und beschäftigt 5000 Mitarbeiter. Im Werk Ellesmere Port, wo Elektroautos gefertigt werden, könnten 2000 Stellen gefährdet sein. Auch der US-Konzern Ford , der gerade fast eine halbe Milliarde in den Umbau eines Elektroauto-Werks nahe Liverpool investiert, und Jaguar Land Rover haben die kommenden Zollregeln als unrealistisch und kontraproduktiv bezeichnet. Falls Großbritannien als Standort der Autoproduktion unattraktiv wird, haben die Briten auch Schwierigkeiten, im Standortwettbewerb um Batteriefabriken zu punkten.

Indes ist in Deutschland aus der Autobranche zu hören, dass die Berliner Politik Interesse an diesem Zollthema zeige. Das Thema sei schwierig, wird berichtet, doch gebe es inzwischen einige Risse in der festen Abwehrmauer der EU-Kommission. Die Haltung der Kommission sei dabei nicht homogen, vom Thema betroffen seien dabei verschiedene Kommissare. Die Autobranche sieht sich nicht als Hauptverantwortliche dafür, dass die Batteriefabriken nicht so schnell wie früher erhofft in Europa entstanden seien, wegen der Corona-Pandemie, der hohen Energiekosten als Folge des Ukrainekrieges oder amerikanischer Subventionen. „Man fragt sich schon, ob die EU-Kommission die Konsequenzen und die Tragweite der Ursprungsregeln für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie noch immer verkennt oder ob sie diese billigend in Kauf nimmt“, lautet einer der Kommentare aus der Branche. „Man wollte offenbar auf die Briten zielen, hat sich aber dabei ins eigene Knie geschossen. Das muss jetzt dringend korrigiert und nachverhandelt werden, sonst gibt es auf allen Seiten nur Verlierer.“

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