Nico Rosberg will zeigen, dass Klimaschutz auch schick sein kann. Der ehemalige Formel-1-Champion steigt in einen glänzenden schwarzen Sportwagen auf der Startbahn des ehemaligen Flughafens Tegel ein; es handelt sich um den Rimac Nevera, den Rosbergs Team als „leistungsstärkstes E-Auto der Welt“ vorstellt. Irgendwie ganz passend für einen ehemaligen Rennfahrer, der nun ein grüner Unternehmer geworden ist. Vor dem Einsteigen kann er sich diese Warnung nicht verkneifen: „Bitte beim Einsteigen den Lack nicht zerkratzen.“
Die Geschwindigkeit ist sicherlich beeindruckend für alle versammelten Journalisten, die am Mittwoch diese Spritztour mit Nico Rosberg machen dürfen; er hat natürlich schon viel Schnelleres erlebt. Aber dieses Auto, erklärt Rosberg, sei trotzdem genauso aufregend wie alles, was er je gefahren ist. „Das ist wie Tesla, aber alles wird inhouse in Europa entworfen und hergestellt“, sagt er. Das Auto biete Topleistung – und sei gleichzeitig zu 100 Prozent elektrisch. „Auch für mich ist das etwas ganz Besonderes“, sagt Rosberg.
Auf dem Rollfeld neben dem ehemaligen Lufthansa-Hangar herrscht ein bisschen James-Bond-Feeling. Der Rimac Nevera hat Türen, die sich elegant nach oben klappen lassen, auch flotte E-Motorräder und Vintage-Autos, die mit recycelten Elektromotoren umgebaut worden sind, flitzen auf der Fahrbahn herum. Doch das Thema ist ernst: Es ist der erste Tag des Greentech-Festivals, der von Rosberg und den Unternehmern Marco Voigt und Sven Krüger gegründeten kombinierten Konferenz und Tech-Messe, die Lösungen für die Klimakrise finden will. Da stehen Technologien, die zur Bewältigung der Klimakrise beitragen sollen, im Mittelpunkt. In diesem Jahr findet die Veranstaltung zum vierten Mal in Berlin statt, diesmal unter dem Motto „Mission to Net Zero“. Das heißt, alle hier vorgestellten Technologien sollen einen Beitrag zur Erreichung von Klimaneutralität und zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau leisten.
Auf dem Gelände des alten Lufthansa-Hangars stellen bis Freitag mehr als 190 Unternehmen ihre Lösungen für die Klimakrise vor. Auch Lufthansa selbst ist da. In fünf Schritten – von „nachhaltigen“ neuen Flugzeugen bis hin zur Reduzierung von Plastikmüll – erzählt eine der größten Fluggesellschaften der Welt, wie sie bis 2050 klimaneutral werden will. Direkt daneben steht der Stand des Ölkonzerns Shell. Dass das Unternehmen in dieser Woche seine Pläne, die Ölförderung zu drosseln, aufgegeben hat, erfährt man hier nicht. Dafür sind überall Hinweise auf die Shell-Recharge-Ladestationen für E-Autos zu sehen.
Rund um die Stände der beiden Konzerne stehen weiße Birken und unzählige Zimmerpflanzen. So soll Nachhaltigkeit offenbar aussehen. Es ist sicherlich eine schöne Idee, dass die reichsten und mächtigsten Unternehmen der Welt eine Initiative gegen die Klimakrise ergreifen – aber es besteht gerade in Bezug auf diese der Verdacht des Greenwashings. Letztes Jahr erhielt Shell den Goldenen Geier der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für die „dreisteste Umweltlüge“. Eine Kampagne hatte behauptet, Shell würde die entsprechenden CO₂-Emissionen durch einen Aufpreis von 1,1 Cent pro verkauftem Liter Benzin „ausgleichen“. Das sei unmöglich und irreführend, so die DUH.
Das Berliner Unternehmen Natch stellt seine essbaren Zahnpaste-Tabs vor, die Plastikmüll aus der Zahnpflege verbannen sollen und in ihrer Konzeption ein wenig an das Weltraumzeitalter erinnern. Und am Pavillon des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz werden geförderte Projekte vorgestellt – wie etwa das KI-gesteuerte „Mutter-Erde-Telefon“. Über zwei altmodische Telefonhörer sollen die erwarteten 15.000 Besucher der Ausstellung ein Gespräch mit dem Planeten Erde selbst führen und ihm drei Fragen stellen können. Das soll einen „Perspektivenwechsel“ bieten, so einer der Entwickler. „Wir wollen die Menschen dafür sensibilisieren, dass wir alle Teil des großen Ganzen sind.“
Die Politik wird auf dem Festival weit über den Stand des Wirtschaftsministeriums hinaus präsent sein; am Mittwochabend hielt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) eine Rede bei der Preisverleihung zur Eröffnung des Festivals. Weitere Figuren aus der Politik, darunter der Finanzminister Christian Lindner (FDP), die Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und die Grünen-Chefin Ricarda Lang, werden im Konferenzteil des Festivals in Gesprächen mit 120 Fachleuten zu Gast sein. Die Themen reichen von Ansätzen für Nachhaltigkeit in einer Zeit des Krieges in Europa bis hin zur Nutzung von KI zum Vorteil der Umwelt.
Doch am kontroversesten wird wohl das letzte Panel der Konferenz erwartet; da geht es um die Letzte Generation und die Frage, ob die Aktivisten „den notwendigen ökologischen Wandel beschleunigen oder bremsen“. Mitdiskutieren werden unter anderen der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin (Die Grünen) und Aimée van Baalen, die Sprecherin der Letzten Generation.