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Fendt: Ein XL-Mähdrescher für die Offensive in Amerika

fendt: ein xl-mähdrescher für die offensive in amerika

Fendt-Chef Christoph Gröblinghoff

Mit Bauernhof-Romantik hat der neue Mähdrescher aus dem Hause Fendt wenig tun. Der Koloss im Showroom am Stammsitz Marktoberdorf im Allgäu erinnert eher an die Weltraum-Saga Star Wars. Futuristische, geradezu martialische Optik, schwarz lackiert, bis zu 790 PS stark, inklusive Schneidwerk maximal zwölf Meter breit, 1500-Liter-Kraftstofftank, in den Korntank passen 17.000 Liter – kein Wunder, dass das Unternehmen eine neue Dimension in seiner Produktpalette erreicht sieht.

„Mit dieser Größe hat man Fendt bislang nicht in Verbindung gebracht“, sagt Christoph Gröblinghoff, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Und auch nicht mit dem globalen Ehrgeiz, der dahintersteckt. Fendt nimmt Amerika ins Visier, einen der schwierigsten Märkte der Welt also. Größe ist hier fast alles. In vielerlei Hinsicht.

Der Traditionshersteller, der seit 1930 Traktoren baut und 1997 von dem amerikanischen Landtechnikkonzern Agco übernommen wurde, begibt sich in einen Ring, in dem er bisher nicht oder kaum gekämpft hat. Auch die Konkurrenten haben dort ein anderes Kaliber. Es sind vor allem John Deere, der große Dominator in den USA, aber auch Claas aus Westfalen.

„Made in Bayern“ als Türöffner

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Die Maschinen werden immer größer.

Der Endfünfziger Gröblinghoff ist selbst Westfale, ein Urgestein der Branche, Landwirt und Agraringenieur mit Studium in Paderborn. Er ist das Gesicht des Unternehmens und derjenige, der die Offensive umsetzen soll. „Es geht darum, nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch global ein Full-Liner zu sein – ein Anbieter aller relevanten Maschinen und Größen“, sagt er. Die Herkunft, das Erbe von Johann Georg Fendt und seinen Söhnen Xaver und Hermann Fendt, soll dabei eine entscheidende Rolle spielen: „Das Siegel Made in Germany oder Made in Bayern ist für uns in den USA ein Türöffner“, sagt Gröb­linghoff auf dem Weg durch die Produktion in Marktoberdorf.

fendt: ein xl-mähdrescher für die offensive in amerika

20.000 Traktoren verlassen im Jahr das Werk in Marktoberdorf.

Etwas mehr als 20.000 Traktoren wurden hier im vergangenen Jahr gebaut, als der neue Chef im Jahr 2020 übernahm, waren es etwa 18.000. Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland stieg in dieser Zeit von 5700 auf 7200. Es handelt sich um einen Platzhirsch der Branche, der jetzt in die Offensive geht. Und um ein Unternehmen, dem die Übernahme nicht geschadet hat. Fendt ist ein Beispiel dafür, dass Verkauf nicht gleich Untergang, technologisches oder finanzielles Ausbluten bedeuten muss, dass es weitergeht, und zwar auf einem höheren Niveau also zuvor.

Schon aus der Fendt-Familie war beim Verkauf an Agco zu hören, dass es ohne diese Entscheidung nicht gut für das damals angeschlagene Unternehmen ausgesehen hätte. Zwar hieß es einst von Skeptikern, einem klassischen Reflex folgend, nun werde auch Fendt von einer Heuschrecke gefressen. Aber Gröblinghoff fällt es leicht, Zahlen sprechen zu lassen: Agco, börsennotiert und finanziell ungleich stärker ausgestattet, habe allein in den Jahren 2010 und 2011 alles in allem 170 Millionen Euro in seinen Zukauf investiert, das sei eine unvorstellbare Summe gewesen.

2022 und 2023 werden weitere 325 Millionen Euro in die deutschen Standorte gesteckt, allein 190 Millionen Euro in Marktoberdorf. Auch einige Übernahmen kleinerer Unternehmen mit großer technischer Expertise gehörten dazu. Fendt greift aus einer Position der Stärke in den USA an. Anders wäre es gar nicht möglich. „Amerikanische und deutsche Tugenden ergänzen sich in unserem Fall hervorragend“, sagt er über den Einstieg von Agco. Deutsche Gründlichkeit ist das eine. Amerikaner aber seien „ertragsorientierter und risikobereiter“.

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Seit 1930 baut Fendt Traktoren.

Erdrückende Dominanz von John Deere

Alle sieben Minuten wird am Stammsitz ein Traktor gebaut. Mit den Getrieben aus eigener Fertigung fängt es an. Sie gelten – mehr noch als die ebenfalls selbst gebauten oder zugekauften Motoren – als Schlüssel zum späteren Erfolg auf Feld, Wiese oder Weinberg. Schließlich gilt es, die Fahrzeuge für extrem unterschiedliche Einsätze zu ertüchtigen. Nicht pure Kraft ist entscheidend, sondern die Kraftübertragung.

Im Grunde werden die Traktoren um das Getriebe herum gebaut. Ist in den langen Produktionslinien in den Hallen alles montiert, lackiert und getestet, zeigt sich im Fahrerhaus, was einen modernen Traktor ausmacht. Ein Lenkrad gibt es zwar noch, aber gleichzeitig mehrere Joysticks und Tablets. Die Digitalisierung ist längst in den Fahrzeugen angekommen. Gröblinghoff erwähnt mit einer gewissen Genugtuung, dass es bei Landmaschinen in der GPS-unterstützten Steuerung zum Beispiel um wenige Zentimeter Präzision geht, nicht um wenige Meter wie bei Autos.

Im Agco-Konzern mit seinen weiteren Marken wie Massey Ferguson, Challenger und Valtra ist Fendt das Aushängeschild, dem am ehesten zugetraut wird, auf dem amerikanischen Markt Duftmarken zu setzen und Anteile zu erobern. Technische Expertise und bayerische Herkunft allein reichen dafür allerdings nicht. Speziell John Deere ist derart dominant in den Vereinigten Staaten, dass potentielle Mitbewerber schnell abgeschreckt werden. Rund zwei Drittel des Marktes, so die grobe Schätzung, sichert sich der Landtechnikriese aus Illinois, um den Rest dürfen sich andere Unternehmen bemühen.

Darunter weitere amerikanische Unternehmen wie New Holland. Es ist ein schwieriges und politisch aufgeladenes Geschäft, einen amerikanischen Farmer, dessen Familie womöglich seit Jahrzehnten mithilfe von Deere-Traktoren erntet, zum Umstieg auf einen anderen Anbieter zu bewegen.

Hunderttausende Euro für Hightech

Im sogenannten Corn Belt, wo Fendt mehr und mehr Fuß fassen will, wird Patriotismus oft auch so verstanden, von amerikanischen Herstellern nicht abzurücken. Die Hürden sind wahrlich hoch. Entscheidend seien am Ende Arbeitsergebnis und Arbeitskomfort, aber auch der Kraftstoffverbrauch und die Effektivität. Abgesehen davon handelt es sich um erhebliche Investitionen. Der schwarze Fendt-Riesenmähdrescher etwa kostet 650.000 Euro, ein großer Traktor mit rund 500 PS liegt bei 420.000 Euro.

Gröblinghoff ist sicher, den richtigen Zeitpunkt erwischt zu haben. „Wir haben das Gefühl und hören in Amerika auch, dass viele auf einen Newcomer wie uns förmlich warten“, sagt er. „Dass die Dominanz der bisherigen Marktführer schon zu lange dauert. Und man traut uns dort zu, eine größere Rolle zu spielen.“ Die Zahlen scheinen ihm recht zu geben. Nach relativ kurzer Zeit am nordamerikanischen Markt liege der Marktanteil für Traktoren mit mehr als 140 PS Leistung – der Bereich, wo nach Gröblinghoffs Worten der Treckerspaß erst anfängt – bei 17 bis 18 Prozent. Er weiß, wovon er spricht, betreibt er doch in seiner westfälischen Heimat mit Verwandten noch etwas Landwirtschaft.

Ohne Anpassung geht es nicht

Wer den amerikanischen Markt ins Visier nehmen will, müsse sich vor allem anpassen, sagt er. Wie bei Maschinen anderer Branchen auch gibt es abweichende Normen, und sei es der unterschiedliche Abstand zwischen Nutzpflanzen auf den riesigen Feldern. Mit europäischen Standards ist da kein Staat zu machen. „Man bringt den Amerikanern keine neue, europäische Bewirtschaftungsform bei“, sagt Gröblinghoff.

„Da muss man sich schon anpassen.“ Lokale Anforderungen kommen hinzu. Das gilt auch für Südamerika, den zweiten großen Markt, den Fendt vermehrt ansteuert. Dort kommen Fahrzeuge aufgrund der klimatischen Bedingungen auf 4500 Einsatzstunden im Jahr, während es in Deutschland wenige Hundert sind. Auch die Belastung durch Staub sei eine andere.

Weiche, emotionale Faktoren können helfen, Boden gutzumachen. So hat Fendt den beliebten amerikanischen Countrysänger Luke Bryan als Markenbotschafter gewonnen. Der sei, was seine Popularität betrifft, nicht nur ein Fang, als würde man hierzulande Helene Fischer und die Toten Hosen zusammen verpflichten. Er sei nebenbei auch noch Farmer. Eine hilfreiche Kombination.

Chinesen hinken noch hinterher

Immerhin muss sich Gröblinghoff noch nicht allzu sehr mit asiatischer Konkurrenz herumschlagen. Es gibt zwar chinesische Mitbewerber, aber die sind bislang vor allem in niedrigeren PS-Segmenten unterwegs. Sie konzentrieren sich auf „einfachere Technologie“, sagt er. Damit sind sie in Europa noch kein Schreckgespenst und in den USA ohnehin außen vor. Allerdings: „Man darf sie nicht unterschätzen: Wenn sie wollten, könnten sie auch anders. Sie sind eine große Herausforderung für uns.“ Schließlich haben schon andere Branchen erlebt, dass chinesische Unternehmen erst über Preisvorteile attraktiv werden, um sich danach auf technologisch anspruchsvolleres Terrain zu begeben.

Zum aktuellen Technologievorsprung gehören auch emissionsärmere Antriebe, auf sehr lange Sicht also der Abschied vom Diesel. Fendt mache „Fortschritte mit der Batterie- und Wasserstoff-Technik“, sagt Gröblinghoff. Den größten Hebel für die Reduzierung von Emissionen hätten aber sogenannte E-Fuels. Die Branche brauche sie dringend, stehe man doch vor der Frage: „Was machen wir mit all den bestehenden Verbrennern und alten Fuhrparks?“

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