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Was ein Dresdner Fahrrad in einem Hollywood-Streifen zu suchen hat

Ein Dresdner Verein, in dem sich Sammler historischer Fahrräder engagieren, leiht seine Räder regelmäßig für Filmproduktionen aus. Zuletzt fuhr eines der Räder in dem oscarprämierten Streifen “Im Westen nichts Neues”.

was ein dresdner fahrrad in einem hollywood-streifen zu suchen hat

Frank Papperitz ist der Chef der Fahrradveteranen, die alte Räder für Filme zur Verfügung stellen, zuletzt für den oscarprämierten Film “Im Westen nichts Neues”. © Christian Juppe

Dresden. Frank Papperitz hat eine Schatzkammer im Garten, nein, sogar zwei. Hinter den Türen seines Schuppens stehen oder hängen sie sorgfältig aufgereiht nebeneinander: Historische Fahrräder, die teilweise noch aus dem ausklingenden 19. Jahrhundert stammen, wie die Hochräder.

Darunter sind auch viele Räder aus den 10er- und 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit geschwungenen Lenkern und abgenutzten Ledersätteln. “Jeder, der zum ersten Mal hier reinschaut, nimmt sofort die Hochräder wahr, die sind immer die Stars. Dabei sind auch alle anderen ganz besonders und haben ihre Geschichte”, sagt der Vorsitzende des Vereins Fahrrad-Veteranen-Freunde Dresden.

Er holt ein burgunderrotes Fahrrad aus dem Schuppen und lehnt es an den Pfosten der Pergola. “Das hier zum Beispiel stammt etwas aus dem Jahr 1910 und ist mehrere Male im Film ‘Im Westen nichts Neues zu sehen’.” Was, im gerade oscarprämierten Streifen? “Ja, wie viele andere Räder aus unserem Bestand auch”, sagt er lächelnd und erklärt, wie der Verein zum Verleihprofi für Filmproduktionen geworden ist.

Dresdner Räder zu Gast in Hollywood-Streifen

“Wir haben uns nie beworben, die Filmausstatter-Firmen sind direkt auf uns zugekommen”. Die Zusammenarbeit läuft bisher so gut, dass die historischen Räder des Dresdner Vereins bereits in zahlreichen bekannten Film- und Fernsehproduktionen gefahren oder geschoben wurden. Unter anderem in den vier Teilen von “Babylon Berlin”, im Hollywood-Streifen “In 80 Tagen um die Welt” mit Jackie Chan oder in “The Monuments Men” in der Regie von Georg Clooney.

Begonnen hat alles 2004, als in Dresden der Film “Roter Kakadu” gedreht wurde und 38 historische Räder dafür zur Verfügung gestellt wurden. Seitdem gibt es fast jährlich Produktionen, für die die Fahrräder angefragt werden. Rund 2.000 Euro kommen dafür durchschnittlich an Leihgebühr pro Jahr zusammen. “Das sichert uns finanziell die Miete für unser Büro im Umweltzentrum auf der Schützengasse”, sagt Papperitz.

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Doch diese Zusammenarbeit beschert dem 53-Jährigen mitunter auch skurrile Situationen. In der Filmbranche fallen Entscheidungen mitunter ganz spontan, wie er gelernt hat. “Dann klingeln nachts Mitarbeiter der tschechischen Tarnsportfirma an meiner Tür und sagen mir, dass sie bis 6 Uhr morgens ein spezielles Rad benötigen, das keinesfalls Weißwandreifen haben darf. Da darf man nicht zimperlich sein, sondern muss schnell agieren”, sagt Papperitz und lacht.

Alte Teile auf dem Schrottplatz gesammelt

Schon als Jugendlicher hat er mit Freunden begonnen, Teile von alten Rädern zu sammeln. Damals zunächst gar nicht gezielt, sondern es waren Zufallsfunde auf Schrottplätzen und wilden Mülldeponien, wie es sie zu DDR-Zeiten fast am Rande jedes Dorfes gab. “Das waren unsere Spielplätze, dort haben wir geschaut, ob es was gibt, was uns gefällt.” Und das gab es durchaus. Die Jungs verlegten sich auf Steuerkopfschilder, kleine Metallschilder, die am Rohr angebracht waren, auf dem der Lenker steckte und auf denen der Name des Fahrradherstellers oder der Handelsmarke standen.

Etwas später hat Papperitz dann begonnen, ein Fahrrad aufzubauen, das er gefunden hatte. “Es war in schlimmem Zustand, völlig verrostet, ohne Speichen. Ich durfte es nicht mit nach Hause bringen und musste es hinterm Schuppen abstellen”, erinnert er sich. Über ein Jahr hat es gedauert, bis das Rad der Marke Saturn von einer kleinen Fahrradfabrik aus Kamenz wieder rollte. “Ich habe damals gelernt, wie man selbst einspeicht und die meisten Teile repariert. Ein Fahrradmechaniker aus Possendorf hat uns damals alles erklärt.”

Im Besitz der Familie seines Freundes war ein Brennabor-Rad aus den 1920er, das in Brandenburg hergestellt worden war. Der andere Kumpel hatte ein NSU-Rad aufgebaut. “Und so sind wir als 16-Jährige am Wochenende mit unseren alten Rädern über die Dörfer gefahren und haben auch Aufsehen erregt. Schließlich waren es keine Mifa- oder Diamant-Räder, wie es sie in der DDR gab”, blickt Papperitz zurück.

Erstes Fahrrad hängt über dem Ehebett

Heute hat sein erstes Fahrrad einen besonderen Platz gefunden, es hängt über dem Ehebett der Familie Papperitz. “Es liegt mir am Herzen. Und da ich mich gern mit schönen Dingen umgebe, darf das Rad mit ins Schlafzimmer.”

Mit dem Ende der DDR beginnt für die kleine Keimzelle der Dresdner Oldtimer-Fahrradenthusiasten, die sich damals als “Interessengemeinschaft Fahrradgeschichte” dem Kulturbund der DDR anschließen musste, eine spannende Zeit. Schon im März 1990 gründete sich der Verein Fahrrad-Veteranen-Freunde-Dresden.

“Ich habe den Gründungsaufruf auf der Schreibmaschine getippt und Abzüge davon hergestellt, die wir verteilt haben”, erinnert sich Papperitz. “Schon dank eines Telefons, das zu DDR-Zeiten nur wenige hatten, erweiterte sich unser Horizont. Über Anzeigen in Zeitungen konnten wir Kontakt zu anderen Rad-Interessierten aufnehmen.”

Bei zwei Reisen nach Kassel und Hannover trafen die Dresdner 1990 auf eine sehr etablierte westdeutsche Sammlerszene von historischen Fahrrädern. “Die haben uns sehr herzlich aufgenommen und nicht als Konkurrenz, sondern Bereicherung betrachtet. Das war wie eine Initialzündung für uns.”

Wendezeit: Unverhoffte Schätze aus Kellern und Garagen

Doch mit der politischen Wende ergab sich auch eine neue Situation, weiß der Vereinsvorsitzende. “Die Leute verkauften plötzlich alles, was sie zuvor in Kellern und Garagen gehortet hatten, um es vielleicht gegen andere Waren eintauschen zu können. Zum Beispiel Karbidlampen, die waren vorher nie zu bekommen.”

Doch nun kosteten die Teile Geld, die Papperitz zuvor vom Schrottplatz geholt hatte. Und da das Leben vieler Ostdeutscher zu der Zeit komplett im Umbruch war, mussten sich auch die meisten Sammler historischer Fahrräder erstmal Prioritäten setzen und auf solche Teile vorerst verzichten.

Bei Frank Papperitz ist die Leidenschaft für die Räder vergangener Zeiten allerdings nie erloschen. 40 Stück gehören ihm, darunter acht Hochräder. Auf ihnen unterwegs ist er allerdings nur selten, unter anderem zu den jährlichen Ausfahrten, die der Verein unternimmt. Die nächste startet am 6. Mai und führt die Mitglieder rund um Lampertswalde.

Auch beim Umzug zum Elbhangfest wollen die Fahrrad-Veteranen dabei sein. Am 23. und 24. September werden rund 80 historische Räder bei der Vereinsausstellung im Stallhof zu sehen sein. Dort treffen Interessierte auch auf einige der rund 40 Vereinsmitglieder. “Bei uns im Verein ist ein ständiges Kommen und Gehen, wir freuen uns vor allem über junge Interessierte.”

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