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Schleppendes Geschäft

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Produktion in Köln: Deutz gilt als ältester noch aktiver Motorenbauer weltweit. deutz ag

Die Industrie-Ikone Deutz, bekannt für Traktoren, Busse und Lkw, muss sich wieder einmal neu erfinden. Denn klassische Verbrennungsmotoren sind langfristig vom Aussterben bedroht.

Der Hoffnungsträger steht in dem Besprechungsraum gegenüber des Lunchbuffets. Ein wuchtiges Aggregat. Unten in Rot und oben in Blau lackiert. Es handelt sich um einen Wasserstoffmotor der Firma Deutz. „Die ersten vier Exemplare haben wir nach China ausgeliefert“, erläutert Bert Van Hasselt, der im Kölner Unternehmen für neue Technologien verantwortlich ist. Deutz hat zum Kapitalmarkttag geladen. „Moving ahead“ heißt das Motto. Wie vorankommen? Das passt gut zu dem Motorenhersteller und noch besser zu seiner aktuellen Lage.

Das Grundproblem: Deutz hat eine sehr lange Geschichte mit Verbrennungsmotoren, vor allem für Landmaschinen und Baufahrzeuge. Entsprechend groß ist die Abhängigkeit von Kraftmaschinen, die fossile Brennstoffe brauchen. Doch die sind langfristig vom Aussterben und mittelfristig von starkem Schwund bedroht. Und dann auch noch die lahmende Konjunktur. Ende voriger Woche musste der Vorstand Hiobsbotschaften verkünden. Die Geschäftsprognosen für dieses Jahr wurden gekappt und Kurzarbeit im Kölner Stammwerk angekündigt. Sein Unternehmen könne sich nicht dem Markt entziehen, räumt Vorstandschef Sebastian Schulte ein.

Eigentlich wollte er in diesem Jahr um die 160 000 Motoren verkaufen. Jetzt sollen es weniger als 150 000 werden. Noch vor gut anderthalb Jahren peilte er die Marke von 200 000 an. Das ist in weite Ferne gerückt. Der Anfang vom Ende einer Industrie-Ikone, die ausgerechnet 2024 ihr 160-jähriges Bestehen feiert?

Schulte gibt sich am Kapitalmarkttag entschlossen. Immerhin verdiene das Unternehmen in diesen angespannten Zeiten immer noch Geld. Aber es bedürfe „zusätzlicher struktureller Maßnahmen, um uns für die Zukunft erfolgreich aufzustellen“.

Einmal mehr muss sich die Firma neu erfinden. Sie hat schon viele Häutungen hinter sich. Ihr Name wurde mehrfach geändert. Es wurde immer wieder diversifiziert, um dann wieder zu konsolidieren.

Für Fans von Landmaschinen ist Deutz indes vor allem eins: ein Trecker mit schmalen Räder in froschigem Grün. Bauernschlepper genannt und in seiner Urversion mit einem Zylinder ausgestattet, der elf PS leistete. Der F1M 414 und seine Nachfolger wurden mehr als zwei Jahrzehnte lang bis Ende der 1950er gebaut. Der legendäre Charme zeigt sich in zahllosen Spielzeugvarianten, die noch immer bei Kindern beliebt sind. Und manche der Schlepper, die für landwirtschaftliche Kleinbetriebe konzipiert wurden, sind noch immer im Dienst.

Deutz baut schon seit 1995 keine Schlepper mehr. Die Firma ist ein reiner Motorenhersteller. Das froschige Grün ist aus der Farbpalette des Unternehmens verschwunden. Längst dominiert ein knalliges Rot. Die Verbindungen zu den Landmaschinen wurden aber nicht gekappt. Auf dem Kapitalmarkttag gab es eingespielte Grußworte von einem Manager des Branchenriesen Claas.

Mit einer anderen Größe, John Deere, wird kooperiert. Große Hoffnungen setzt Schulte zudem auf eine Zusammenarbeit mit dem indischen Hersteller Tafe, der globalen Nummer drei. Bis zu 30 000 Motoren pro Jahr könne Deutz für den dortigen Markt bauen. Aber Indien soll künftig auch eine wichtige Rolle spielen, wenn nach „Best-Cost-Standorten“ für die Fertigung gesucht werde. Kostensenkungen markieren in der neuen Strategie einen der ersten Schritte „zur Marktkonsolidierung im Geschäft mit klassischen Verbrennungsmotoren“, heißt es in der Mitteilung zum Kapitalmarkttag.

Trotzdem soll sich der Umsatz dieser „Classic“ genannten Sparte in Schultes Szenario bis 2030 fast verdoppeln – auf rund 2,2 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Baustein ist das Defense-Geschäft. Verteidigungsetats würden erhöht, so Schulte, schwerere Fahrzeuge würden für den Kampfeinsatz benötigt, die mit Hybridantrieb und verschiedenen Treibstoffen betankt werden können.

Zur Beglaubigung zeigte der Firmenchef bei seiner Präsentation ein Foto des in der Ukraine entwickelten Panzerwagens Inguar 3, der von einem Deutz-Motor bewegt wird. Defense ist ein Teil der neuen Diversifizierungsstrategie. Der Ausbau des Servicegeschäfts (Ersatzteile, Wartung und Instandhaltung) gehören ebenfalls zum neuen Weg. In den USA soll das Geschäft mit Stromgeneratoren der Tochter Blue Star massiv ausgebaut werden. Auch bei Batterien für elektromobile Lösungen will Deutz künftig mitmischen. Da geht es einerseits um das sogenannte Packaging der Akkus und noch viel mehr um Software, die das Energiemanagement übernehmen soll: Zukunftsmusik.

Angefangen hat alles 1864 mit der N. A. Otto & Compagnie. Der Kölner Autodidakt Nicolaus August Otto hatte quasi im Schatten des Doms einen Motor mit 0,5 PS konstruiert. Der überzeugte, weil er nur wenig Stadtgas verbrauchte, das eigentlich für Straßenlaternen gedacht war. Ein Aggregat für Handwerker, Gewerbebetriebe und kleine Industrieunternehmen. Die Start-up-Firma wuchs in den Wirtschaftswunderjahren des späten 19. Jahrhunderts rasant. Was Deutz damals inszenierte, würde man heute „disruptiv“ nennen. Die Firma baute den weltweit ersten Viertaktmotor, der noch immer Ottomotor genannt wird. Es wurden Aggregate für Aufzüge und Kräne, für Pumpen und die Holzbearbeitung konstruiert. Deutz ist der Erfinder des elektrisch gezündeten Benzinmotors.

Und jetzt der Wasserstoffmotor, der H2 direkt verbrennt. Das Rot unten bedeutet, dass dies Komponenten einer Dieselmaschine sind. Draufgesetzt in Blau die Bauteile für den Wasserstoff. „Wir haben 80 Prozent Gleichteile zu einem konventionellen Aggregat“, sagte Van Hasselt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das sei auch kostenmäßig ein Vorteil. Und der Wirkungsgrad liege bei immerhin 40 Prozent. Mit Diesel schaffe man auch nur 43 Prozent. Die nach China ausgelieferten Motoren dienen dort stationär der Stromerzeugung. Der nächste Schritt soll der Einsatz in einem Nahverkehrszug sein. In Thüringen soll das Projekt im nächsten Jahr aufs richtige Gleis gesetzt werden. Bei alternativen Antrieben für Schienenfahrzeuge wurde bislang vor allem auf Brennstoffzellen gesetzt, die ebenfalls mit Wasserstoff betrieben werden. Doch da hat es vielen Macken und Ausfälle gegeben. „Inzwischen sind wir mit zahlreichen Herstellern von Schienenfahrzeugen im Gespräch“, so Van Hasselt.

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