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Opel Senator 2.8 S Automatic (1979) im Kurztest: Status-Frage

Damals war man sogar auf Augenhöhe mit BMW und Mercedes

opel senator 2.8 s automatic (1979) im kurztest: status-frage

Senator. Ein Begriff, den heute nur noch Hanseaten oder Vielflieger kennen. Wer Ende der 1970er-Jahre häufig auf der Autobahn von Hamburg oder Bremen aus unterwegs war, nutzte oft das neue Flaggschiff der Marke Opel. Den Senator. Oder dessen schnittigen Coupé-Bruder Monza. Wir waren jetzt in einem frühen Opel Senator unterwegs.

Rückblende: Nach 1973 hat die erste Ölpreiskrise die großen Opel der KAD-Baureihe mit dem Flaggschiff Diplomat B 5.4 schwer getroffen. Die Verkaufszahlen der wuchtigen Limousinen rauschen in den Keller, speziell der fette V8 fällt mit seinen Trinksitten in Ungnade. Hinzu kommt ein Design, welches zu sehr in den Sechzigern verhaftet ist.

Bildergalerie: Opel Senator 2.8 S (1979)

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Als Folge streicht man bei Opel die Entwicklung eines Diplomat C, obwohl bereits Designentwürfe vorhanden sind. Ähnlich wie in den USA, der Heimat des damaligen Mutterkonzerns General Motors, ist Abspecken angesagt. Und so basiert die neue Oberklasse auf der V-Plattform von GM, genauso wie der Opel Rekord E und der Commodore C.

Wer diese Modelle kennt, entdeckt zwar viele Ähnlichkeiten. Doch den Opel-Designern gelingt das Kunststück, das neue Topmodell optisch gegenüber Rekord und Commodore abzusetzen. Dafür sorgen unter anderem das moderne Leuchtenband am Heck und die klare Seitenlinie mit zusätzlichem dritten Seitenfenster nach Art des Audi 100 C2. Diese Kniffe bei der Gestaltung gelingen so gut, dass bei geheimen Kundenbefragungen der spätere Senator und Monza in einer Liga mit BMW und Mercedes gesehen werden.

Auf der IAA 1977 drehen sich Opels neue Flaggschiffe Senator und Monza im Licht der Öffentlichkeit – noch als Prototypen mit Fiberglas-Karosserien. Dass ein Innenraum fehlt, merkt kaum ein Besucher. Und so finden beide Modelle großen Anklang. Doch potenzielle Kunden müssen sich noch gedulden. Erst im Mai 1978 läuft die Produktion im Werk Rüsselsheim an.

Opel Senator 2.8 S (1979)

Technische und optische Basis des Senator ist der Rekord E. Es wird der gleiche Karosseriegrundkörper verwendet, allerdings mit einer verlängerten Front für den Einbau des Sechszylinders. Anstelle der von vier Längslenkern und einem Panhardstab geführten hinteren Starrachse beim Rekord haben Senator und Monza zudem eine aufwändigere Schräglenkerachse.

Die Reihensechszylinder erfüllen höchste Ansprüche in Sachen Laufruhe und Elastizität. Dabei hatte die Kundschaft zunächst die Wahl zwischen einem Dreiliter-Einspritzaggregat und dem 2,8-Liter-Vergasermotor aus dem Admiral. Doch die Präsentation für Journalisten geht voll in die Hose, wie Alexander F. Storz in seinem Buch über “Die grossen Opel” zu berichten weiß. Bei 17 von 21 Fahrzeugen kollabieren die Schaltgetriebe, als Folge wechselt Opel auf Schaltboxen von Getrag.

Das Problem habe ich 45 Jahre später nicht, denn “mein” Exemplar aus der Sammlung von Opel Classic hat eine Viergang-Automatik ab Bord. Dazu den noch aus dem Admiral bekannten Vergaser-Reihensechszylinder mit 2.784 ccm Hubraum und 140 PS Leistung. Der Senator trägt die Farbe Opalgrün-Metallic und wurde am 5. September 1979 erstmals zugelassen.

Wobei Opelgrün, Verzeihung, Opalgrün, beinahe eine Untertreibung ist. Wirkt der Senator von außen noch recht dezent, wird es innen wild. Plüschig-velourig grellt einen die maximal grüne Polsterung an, Kunstholz sorgt für Gediegenheit. Doch bevor der Journalist des Jahres 2024 vorschnell urteilt: Es gab 1979 viele Wohnzimmer, die genau SO aussahen. Fehlt nur noch die Schrankwand in Eiche Rustikal mit Hausbar und passend holzfoliertem Nordmende-Fernseher.   

Man kann sich beinahe bildlich vorstellen, wie der lokale Kleinstadt-CDU-Politiker mit diesem Auto zu seinem Stammlokal fährt und bei Herrengedeck (aber nur einem!) die Erweiterung des Sägewerks diskutiert. 

Sägen ist im Senator nicht angesagt, mit schönem bulligen Klang, aber dennoch laufruhig geht der Reihen-Sechszylinder seiner Arbeit nach. Ganz entfernt meint das Ohr sogar, V8-Frequenzen wahrzunehmen. Vielleicht der letzte Gruß des Diplomat. Sanft wechselt die Automatik die Gänge, bei Tempo 50 cruist man mit lässigen 1.600 U/min. Dazu passen die gemütliche (wenngleich schweißtreibende) Polsterung, die üppige Beinfreiheit im Fond und der große Kofferraum. Bei 4,81 Meter Länge auch kein Wunder.

Wie sang Udo Jürgens einst in “Ich war noch niemals in New York”: “Die Sehnsucht in ihm wurde wieder wach. Noch einmal voll von Träumen sein, sich aus der Enge hier befreien. Er dachte über seinen Aufbruch nach. Seinen Aufbruch nach.” Wäre nicht der große Ozean, ich würde sofort im Senator nach New York fahren. Auch weil das recht aufwendige Fahrwerk wirklich gut ist.

Das sieht auch einer der ersten Senator-Prospekte von 1978 so: Die Form folgt der Funktion, heißt es dort. Und Komfort sei eine Funktion der Technik. Beim Fahrwerk schwelgt Opel gar. “Das von Grund auf neukonstruierte Fahrwerk des Senator zeichnet sich durch eine überlegene Neutralität des Kurvenverhaltens, beispielhafte Richtungstabilität und mustergültigen Komfort aus.”

Da will man kaum widersprechen, zumal auch die Fachpresse den Senator in den ersten Jahren in Vergleichstests vorne sah. Und zwar durchaus gegen Audi, BMW oder Mercedes. Fast hätte ich es vergessen: Am Heck meines Senator prangte noch ein “S”. Dahinter verbirgt sich die einstige S-Ausstattung mit 4-Speichen-Sportlenkrad, Drehzahlmesser, Öldruckmesser und Voltmeter sowie Alufelgen im Format 14 Zoll. 14 Zoll! Das muss man sich heute auf der Zunge zergehen lassen …

Höchstgeschwindigkeit? Durchaus flotte 190 km/h, dazu 218 Nm maximales Dehmoment bei 3.400 Touren. 23.380 DM kostete der Senator 2.8 H damals, ein 250er-Mercedes mit 129 PS lag bei 24.662 Mark. Ohne Extras, versteht sich. Heute gibt es noch gute Exemplare des Senator A für unter 10.000 Euro. Aber erst einmal eines finden …

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