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VW nimmt seine Marken in die Pflicht

vw nimmt seine marken in die pflicht

Mehr als Porsche: Oliver Blume steuert den gesamten VW-Konzern.

Vom Elektrosportwagen Porsche Taycan bis zum E-Bulli ID Buzz: Die 200 Analysten, Banker und Investoren, die am Mittwoch zum Kapitalmarkttag von Volkswagen gekommen waren, konnten sich aus dem gesamten elektrischen Sortiment des Wolfsburger Konzerns bedienen und die Autos zur Probefahrt über den Hockenheimring jagen. Erst danach bekamen sie im „Porsche Experience Center“ an der Rennstrecke südlich von Mannheim eine Druckbetankung in Sachen Vorwärtsstrategie. „Die Automobilindustrie verändert sich in einem noch nie da gewesenen Tempo“, rief VW-Chef Oliver Blume den versammelten Börsenfachleuten zu. Darauf müsse der Konzern reagieren.

Das Treffen am Hockenheimring war mit Spannung erwartet worden. Denn VW kämpft mit vielen Problemen und hat am Kapitalmarkt derzeit einen schweren Stand. Jetzt kündigt Blume ein neues Steuerungsmodell an und legt Ziele für die nächsten Jahre fest. Jede Marke bekommt eigene Effizienzprogramme und soll die Rendite erhöhen, die Technologieentwicklung im gesamten Konzern wird neu sortiert. Der Kurs der Vorzugsaktie reagiert am Mittwoch zunächst kaum. Am Nachmittag liegt er mit rund 125 Euro leicht im Minus.

Konkret will Europas größter Autohersteller trotz aller Risiken durch politische Krisen, Konjunktur und Inflation den Umsatz bis 2027 Jahr für Jahr um 5 bis 7 Prozent steigern, stärker als von Analysten erwartet. Die Rendite werde bis dahin 8 bis 10 Prozent erreichen, bis 2030 dann 9 bis 11 Prozent, kündigt Blume an. „Unser Fokus liegt auf Umsetzung, Geschwindigkeit und Leistung.“ Jede einzelne Marke solle mit mehr Eigenverantwortung dafür sorgen, dass sie widerstandsfähiger wird.

Im Einzelnen soll Audi mittelfristig auf 13 Prozent Rendite kommen, nachdem die Marge des Ingolstädter Premiumherstellers zuletzt unter Druck geraten war. Porsche peilt 20 Prozent an, die Stammmarke VW 6,5 Prozent. Sie gilt als Blaupause für das weitere Vorgehen, nachdem sie ein Effizienzprogramm angestoßen hat, das das Ergebnis bis 2026 um 10 Milliarden Euro verbessern soll. Auch die Markengruppen, in denen Audi, VW und Co ihre Zusammenarbeit koordinieren, bekommen konkrete Ziele.

Anders als in der Vergangenheit liege der Fokus nicht mehr auf Wachstum um jeden Preis, sondern auf Profitabilität, betont Finanzvorstand Arno Antlitz, eine Strategie, die er „Value over Volume“ nennt. Unter den Finanzfachleuten am Hockenheimring stößt er damit auf verhaltene Resonanz. Zu wenig greifbar, zu viele „Buzzwords“, also weitgehend inhaltsleere Schlagwörter, so beschreibt ein Teilnehmer die Veranstaltung. Journalisten sind dort nicht anwesend, für sie gab es am Nachmittag eine Telefonschaltung.

Zentral sind die Strategien in den Märkten. In China, das diese Woche wegen der Deutschlandreise von Ministerpräsident Li Qiang stark im Fokus steht, erreiche VW derzeit 15 Prozent Marktanteil, rechnet der Finanzvorstand vor. Diese Position wolle der Konzern auch in Zukunft halten, ein ehrgeiziges Ziel, denn zuletzt war das Geschäft von VW in der Volksrepublik rückläufig. Neben geschäftlichen Problemen drohen auch Reputationsrisiken, besonders in der Region Xinjiang, wo China die muslimische Minderheit unterdrückt und VW ein Werk betreibt. Der Konzern werde ein „unabhängiges Audit“ auf den Weg bringen, um von neutraler Stelle bestätigen zu lassen, dass VW sich an alle Regeln hält, kündigt Blume an. „Wir sind dazu in gutem Austausch mit unserem Joint-Venture-Partner“. Den Standort betreibt VW mit dem chinesischen Hersteller SAIC.

Technologisch sollen die VW-Ingenieure aufs Tempo drücken. Der zukünftige Baukasten für alle Elektroautos, die Scalable Systems Platform, kurz SSP, soll noch vor dem Jahr 2028 mit einem sportlichen Geländewagen von Porsche an den Start gehen. Zuletzt hatte das Projekt mit Verzögerungen für Aufsehen gesorgt. Die Software-Sparte Cariad, ein Problemfall, wird restrukturiert. Gleichzeitig lotet VW aus, in bestimmten Sparten externe Geldgeber an Bord zu holen. Schon im nächsten Jahr könnte sich die Batteriesparte Powerco für solche Partner öffnen, sagt Antlitz. Im zweiten Schritt sei ein Börsengang möglich.

Den Kapitalmarkt will VW fortlaufend über die Fortschritte informieren. Der „Capital Markets Day“ am Mittwoch sei nur der Auftakt für eine Serie solcher Veranstaltungen gewesen, kündigt Blume an. Der 55 Jahre alte Manager hatte vergangenen Herbst den Posten von Herbert Diess übernommen und sieht sich an vielen Fronten unter Druck. Die jetzt verkündeten Eingriffe dienten dazu, alle Themen „professionell und systematisch“ anzugehen, sagte er.

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