Volvo

Volvo-Chef: „Wir streben mit E-Autos auf 20 Prozent Marge zu“

Volvo hat sich von seiner Konzernmutter Geely längst freigeschwommen und ist aktuell in einer Erfolgsspur unterwegs. Der schwedisch-chinesische Autobauer setzt dabei, anders als viele Wettbewerber, konsequent auf Elektroantriebe.

Jüngst stellte Volvo mit dem EX30 ein neues Einstiegsmodell sowie mit dem EM90 einen elektrische Van vor. So will der skandinavische Autobauer gleichermaßen auf allen drei Hauptmärkten in China, Europa und den USA punkten. Dabei verabschiedet sich Volvo konsequenter als andere Automarken von der Verbrennertechnik und gibt auch der Hybridtechnik keine Zukunft mehr. Wir wagen zusammen mit Volvo-CEO Jim Rowan einen Blick in die nähere Zukunft der Marke.

Es ist schon einige Zeit her, dass Sie sich ebenso wie der Stellantis Konzern vom Verband ACEA (European Automobile Manufacturers‘ Association) getrennt haben. Dabei gibt es einen gemeinsamen Nenner der beiden Hersteller mit der Behauptung, dass der Verband Ihre Interessen nicht vertritt. Planen die beiden Hersteller, eine Organisation zu gründen, die Ihre Interessen besser nach außen trägt?

Jim Rowan: Als wir den Verband ACEA verließen, geschah dies, weil wir in eine bestimmte Richtung gehen wollten und das Gefühl hatten, dass sie nicht in die gleiche Richtung drängten: Einfach ausgedrückt, wir wollen bis 2030 vollelektrisch sein und der ACEA strebt das Jahr 2035 an. Das bedeutet unterschiedliche Schritte zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Wir sind nach wie vor bereit, in bestimmten Fragen zusammenzuarbeiten, die wir für die gesamte Branche für sinnvoll halten, wie zum Beispiel Ladeinfrastruktur und entsprechende Normen. Aber wir haben nicht die Absicht, zum jetzigen Zeitpunkt einen weiteren parallelen Verband zu gründen.

Obwohl Sie sich in letzter Zeit besorgt darüber geäußert haben, wie langsam Ihre Konkurrenten die notwendigen Maßnahmen für die Umstellung in die Elektromobilität ergreifen? Nunmehr zeigen auch die Gesetzgeber eine gewisse Bereitschaft, eine Verlangsamung des Prozesses zu akzeptieren.

Auch wenn wir ein schnelleres Tempo bei der Umstellung auf vollelektrische Fahrzeuge haben, produzieren einige dieser Unternehmen bereits Elektroautos. Wenn man sich die Ladestandards anschaut, macht es absolut Sinn, dass wir alle im gemeinsamen Interesse in ein Boot steigen. Es macht keinen Sinn, unterschiedliche Ladenetzwerke einzurichten, egal ob es sich um DCS oder Ionity handelt. Wir haben mit Tesla in den USA eine Vereinbarung über die Nutzung ihrer Ladegeräte getroffen und ich glaube, dass dies ein Beispiel wäre, dem man auch in Europa und anderen Regionen folgen sollte.

Sehen Sie bei der Elektrifizierung ein unterschiedliches Tempo bei der Umsetzung zwischen der chinesischen und der europäischen Industrie?

Wenn man den Prozess aus einer globalen Perspektive betrachtet, sehen wir in der Tat drei unterschiedliche Szenarien: In den USA wird die Westküste in einem guten Tempo elektrifiziert, was durch den Inflation Reduction Act gefördert wird. Das Landesinnere hinkt hinterher, auch wenn es durch die Bemühungen von Electrify America unterstützt wird. In Europa ist der Norden ebenfalls auf dem Vormarsch; Südeuropa ist langsamer. In beiden Fällen ist es ein Vorteil für Volvo, PHEV- und MHEV-Fahrzeuge anzubieten, statt ein reiner Elektroanbieter zu sein, der den gesamten Markt noch nicht in den Griff bekommt. Und das größere China unternimmt ebenfalls große Anstrengungen, was auf die Rolle zurückzuführen ist, die Hunderte von Großstädten in diesem Prozess spielen.

Sie haben angekündigt, dass der letzte Dieselmotor Anfang 2024 produziert wird. Was ist mit Plug-in-Hybriden – investieren Sie nicht mehr in diese Technik?

Wir haben zwar noch Testeinrichtungen in unseren weltweiten Forschungs- und Entwicklungszentren, aber wir investieren nicht mehr in diese Technik. Wir haben bei den Plug-in-Hybriden XC60 und XC90 getan, was wir konnten, um die Reichweite zu erhöhen. Dabei haben wir den gleichen Raum und das gleiche Plattformlayout genutzt, aber die Reichweite durch eine Batterie mit höherer Energiedichte und eine verbesserte Leistungselektronik erhöht.

Ist es eine seltsame Vorstellung, dass Sie in sechs Jahren nur noch Elektroautos montieren werden?

Absolut nicht. Das Unternehmen, das weltweit die Nummer eins im Verkauf von Elektroautos ist, macht das schon seit Jahren und verkauft eine Menge Autos (Anm. d. Red.: Rowan meint Tesla). Es ist nicht so, dass wir uns auf dünnes Eis begeben würden, wenn wir dort ankommen. Sie sind Marktführer bei den Verkaufszahlen und der erfolgreichste Automobilhersteller in Bezug auf die Marktkapitalisierung. Das ist der Beweis dafür, dass man als reine Elektroautomarke schon heute sehr erfolgreich sein kann.

Vans sind gekommen und gegangen, aber jetzt überraschen Sie die Welt mit einem elektrischen MPV, dem EM90. Könnte der auf Märkten außerhalb Chinas, wo Sie ihn entwickelt haben und auf den Markt bringen, ebenfalls funktionieren?

Wir wissen nicht genau, ob die Nachfrage in einigen Jahren in anderen Regionen vorhanden sein wird. Vor 20 Jahren hat niemand vorausgesehen, wie erfolgreich SUV sein würden. In China macht es Sinn, weil an den Wochenenden viele generationenübergreifende Aktivitäten stattfinden: Die Mutter, der Vater, die Großeltern, die Kinder, alle fahren irgendwohin und suchen Komfort und ein erstklassiges Reiseerlebnis. Da haben wir also den EM90, der sich perfekt in unser Sicherheitskonzept einfügt.

Sie werden im Jahr 2023 fast 700.000 Fahrzeuge verkaufen, was technisch gesehen Ihren bisherigen Höchstwert aus dem Jahr 2019 mit 705.000 Autos erreichen wird. In den nächsten Monaten werden Sie mit EX90 und EX30 neue Modelle auf den Markt bringen. Bedeutet das, dass eine Million neuer Volvo in einem Jahr in greifbare Nähe gerückt sind?

Beim Börsengang sagten wir, dass wir bis Mitte des Jahrzehnts etwa 1,2 Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkaufen würden und wir sind auf dem rechten Weg. Wir haben unser Portfolio sehr gezielt elektrifiziert und das hilft uns. Die Leute brauchen einen kompakten SUV wie den EX30, und in diesem Segment ist eine Reichweite von 480 km absolut in Ordnung. Und sogar noch weniger, wenn man weniger teure LFP-Batterien verwendet, um den Fahrzeugpreis zu senken. Das war ein weißer Fleck, den es zu erschließen galt, um neue Kunden und neue Verkäufe zu gewinnen. Das Gleiche gilt für den EX90, wenn es um die Gewinnung neuer Kunden geht.

Jeder ist müde über die Herausforderungen, die die Einführung der Elektrostrategie mit sich bringt. Können Sie alle mit einer positiveren Sicht auf die größte Automobilrevolution der letzten 100 Jahre aufmuntern?

Da gibt es eine Sache, über die nie gesprochen wird. Ich komme aus einer anderen Branche, nicht aus der Automobilindustrie. Ich komme aus dem Technologiesektor, bin Fertigungsingenieur und habe meinen Master in Zulieferketten gemacht. Wenn man Verbrennungsmotoren baut, hat man eine enorme Komplexität, denn es gibt 1,2-Liter-, 1,6-Liter-, 2,0-Liter-Motoren, 4-Zylinder-, 6-Zylinder-Triebwerke und alle Kolben haben unterschiedliche Größen, alle Kolbenringe, alle Zylinder und Zylinderköpfe und Blöcke. Schrauben, Muttern, Bolzen – alles hat eine andere Größe. Wenn man zu Elektromotoren übergeht, ist das ein völlig anderes Szenario und eine völlig andere Lieferkette. Ein Elektromotor – vielleicht in zwei Größen – und eine Batterie, um unterschiedliche Leistungen für verschiedene Fahrzeugsegmente zu erhalten, fügt man einfach weiteren Modulen hinzu oder verkleinert sie. Dabei erhält man das Drehmoment umsonst. Das war’s.

volvo-chef: „wir streben mit e-autos auf 20 prozent marge zu“

Rowans Grinsen, so wie hier bei der Präsentation des EX30, könnte noch breiter werden. Wenn sich seine Vermutungen zu künftigen Margen bewahrheiten. / Bild: Volvo

Es gibt also keinen Grund, warum die Preisparität zwischen Verbrennern und Elektroautos kalendarisch vorverlegt werden sollte?

Wir sind dort angekommen. Sogar im Fall unseres kleineren Autos in einem eher preisempfindlichen Segment: dem EX30. Wir haben erklärt, dass wir ihn für 35.000 Dollar verkaufen werden und wir haben Kommentare gehört, dass wir unsere Gewinnspannen vernichten würden. Aber das stimmt nicht. Die meisten Hersteller sind sehr verschwiegen, was ihre E-Auto- und Verbrenner-Margen angeht, aber wir waren völlig transparent. Die Kosten für Lithium können die Gleichung hier und da verändern, aber wir haben heute eine Elektroauto-Marge von neun Prozent und werden sie mit dem EX30 auf 15 bis 20 Prozent verbessern. Das ist nicht weniger als die Marge von Verbrennern, das versichere ich Ihnen.

Können Sie das beweisen?

Das ist die gleiche Frage, die wir von den Märkten gestellt bekommen. Ich sage Ihnen eines: In sieben Monaten, wenn wir unsere Ergebnisse für das zweite Quartal 2024 vorlegen, werden Sie sehen, wie viele EX30 wir verkauft haben und Sie werden bestätigen können, wie hoch die Gewinnspanne des Fahrzeugs ist. Wir werden die einzigen sein, die in dieser Hinsicht an die Zahlen von Tesla herankommen. Und dann werden wir beweisen, dass wir einer der ersten unter den Traditionsunternehmen waren, die die Gewinnschwelle überquert haben und mit anständigen Elektroauto-Verkaufszahlen und anständigen Gewinnmargen auf der anderen Seite angekommen sind.

Das Interview führte Joaquim Oliveira; Press-Inform

TOP STORIES

Top List in the World