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Sprit-Wucher an der Autobahn – so entstehen die sagenhaft hohen Preise

Autobahn-Tankstellen sind seit jeher teurer als Stationen hinter der nächsten Abfahrt. Doch nun ermittelt der ADAC Aufpreise von 50 Cent und mehr je Liter Benzin. Doch warum ist das so? Und warum machen dabei quasi alle mit? WELT hat bei Experten und Insidern nachgefragt.

sprit-wucher an der autobahn – so entstehen die sagenhaft hohen preise

Vier große Marken dominieren den deutschen Mineralölmarkt pa/dpa/Wolfram Steinberg

Besonders dreist war eine Autobahntankstelle in Rheinland-Pfalz: An der Station kosteten Superbenzin E10 knapp 70 Cent und Diesel fast 56 Cent mehr gegenüber einer Tankstelle abseits der Autobahn in nächster Umgebung. Die Zahlen stammen aus einer Erhebung des ADAC vom März 2023, die der Automobilklub jetzt veröffentlicht hat. Dies sei die höchste Preisdifferenz der Untersuchung gewesen, heißt es dort.

Auch generell liegen die Autobahnstationen weit über den umliegenden Tankstellenpreisen. Im Bundesdurchschnitt waren es zum Zeitpunkt der Stichprobe des ADAC knapp 42 Cent bei Benzin E10 und 36 Cent bei Diesel mehr als im Umland. Bei einer Tankfüllung von 50 Litern kommen somit 21 Euro bzw. 18 Euro als Mehrpreis zusammen. Autofahrer können dieses Geld sparen, indem sie ein paar Kilometer abseits der Autobahn auftanken.

Nur: Warum ist das Tanken an der Autobahn so teuer, und wer profitiert davon? Die kurze Antwort lautet: Es sind die großen Markentankstellen wie Shell, Esso, Aral oder Total, und es ist die Gesellschaft Tank & Rast. Sie betreibt fast alle Autobahnrasthöfe in Deutschland und vergibt die Tankstellen an Pächter. Doch die Zusammenhänge dahinter sind vielschichtig.

Dem Bonner Unternehmen Tank & Rast gehören 410 Autobahnraststätten und 360 Autobahntankstellen in Deutschland – und damit rund 90 Prozent dieser Einrichtungen entlang der Fernstraßen. Etwa die Hälfte dieser Tankstellen vergibt Tank & Rast über Quoten an Tankstellenketten wie Shell, Esso, Aral oder Total.

Insgesamt elf Unternehmen aus der Branche verfügen derzeit über Autobahnstationen. Die Quotenzahlen wiederum richten sich nach den jeweiligen Marktanteilen im deutschen Tankstellengeschäft. Deshalb haben die beiden Marktführer Aral und Shell besonders viele Stationen entlang der Autobahn.

Lediglich 33 Tankstellen betreibt Tank & Rast nach Daten des Energie Informationsdienstes (EID) selbst. Der Rest der Autobahnstationen wird in regelmäßigen Abständen von Tank & Rast per Auktion an die Tankstellenunternehmen abgegeben.

Für große Marken sind Autobahnstationen ein wichtiger Geschäftsteil

Die Summen, die die Tankstellenketten an Tank & Rast als Pacht für die Stationen zahlen, sind nicht bekannt. Bei den per Auktion ersteigerten Stationen sollen die Pachtgebühren hoch liegen, weil sich die Interessenten regelmäßig überbieten. „Über die Jahre ist es für die Tankstellenunternehmen immer teurer geworden, sich dieses Geschäft zu sichern“, sagt ein Marktkenner.

Für große Marken wie Shell, Aral, Esso oder Total sind die Autobahnstationen ein wichtiger Geschäftsteil. Denn eine hohe Zahl ihrer Kunden – vor allem Lkw-Fahrer der Speditionen oder Firmenwagen-Fahrer – kommen mit Flottenkarten zum Auftanken auf die Station. Die Absatzmengen der Kraftstoffe an Autobahntankstellen liegen daher um ein Vielfaches über Stationen etwa in den Städten.

Auch dies gehört zu den Details: Wer mit einer Flottenkarte auf die Autobahntankstelle fährt, zahlt in der Regel nicht den am Preismast angezeigten Benzin- oder Dieselpreis. Die Unternehmen handeln für ihre Fahrzeuge eigene Preise mit den Tankstellenketten aus, die teilweise deutlich unter den Tagespreisen liegen. Ein Marktkenner behauptet denn auch, dass lediglich private Autofahrer den vollen und am Mast angezeigten Autobahntankstellenpreis bezahlten.

In jedem Fall aber legen Shell, Esso, Aral oder Total und die anderen Pächter die Gebühren, die sie an Tank & Rast zahlen, auf jeden Liter Benzin und Diesel um. Nach Schätzungen von Marktkennern kommen auf diese Weise zwischen zwölf und 17 Cent je Liter Kraftstoff zum sonst gängigen Tankstellenpreis hinzu.

Das erklärt zwar nicht die Höhe des aktuell vom ADAC ermittelten Preisabstandes, es zeigt aber die Richtung auf. In früheren Vergleichen kamen Abstände zwischen der Autobahn und der Landstraße beim Tanken von 20 bis 30 Cent als Durchschnittswert heraus.

Die Tankstellenketten legen ihre Preise in ihren Zentralen fest. Das gilt für Straßentankstellen ebenso wie für Autobahntankstellen. Durch die Einrichtung der Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt sind sämtliche Preise an allen 14.100 Tankstellen in Deutschland im Minutenabstand transparent und im Internet abrufbar. Verschiedene Internetportale wie auch der ADAC selbst bieten diesen Vergleich an.

Auch mittelständische Tankstellen sind unter den Autobahnstationen

Die teure Autobahnstation ist dadurch jederzeit sichtbar, ebenso wie die günstige Station im Umland. Und auch davon profitieren meist dieselben Akteure: Fährt ein Autofahrer weg von der Autobahn und landet auf einem der benachbarten Autohöfe, sind diese Tankstellen zwar deutlich günstiger. Betrieben jedoch werden sie in den meisten Fällen von den großen Marken wie Shell, Esso, Aral oder Total.

Doch auch mittelständische Tankstellen sind unter den Autobahnstationen. Nur geschieht dies nicht unter dem eigenen Namen. In der Regel reichen diese Unternehmen ihre Rechte an eine der großen Marken wie Shell oder Aral weiter und arbeiten im Hintergrund.

„Eine B-Marke wird man an den Autobahnen kaum mehr finden. Ohne die großen Flottenkarten als Kundschaft ist das Geschäft nicht zu machen“, sagt Duraid El Obeid, Tankstellenunternehmer und Vorsitzender des Bundesverbands freier Tankstellen (BfT). Diese Karten wiederum geben nur die großen Marken heraus.

Tank & Rast selbst verweist darauf, dass die Kraftstoffpreise an den Autobahntankstellen von den jeweiligen Mineralölanbietern festgelegt würden. „Diese entscheiden nach eigenem Ermessen darüber, welche Margen sie erzielen wollen“, heißt es in einer schriftlichen Antwort.

Tank & Rast habe ein Interesse an attraktiven Kraftstoffpreisen. Das Unternehmen befindet sich seit der Privatisierung im Jahr 1998 im Eigentum von Finanzanlagegesellschaften, derzeit sind es Allianz Capital Partners, die Münchener-Rück-Tochtergesellschaft MEAG sowie Fonds aus Abu Dhabi und Kanada.

Doch abseits der Autobahnen ist Tanken derzeit vergleichsweise günstig. Direkt zum Ferienstart in Nordrhein-Westfalen, dem von der Bevölkerung her größten Bundesland, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Preise ermittelt. Danach kostete dort ein Liter Superbenzin E10 Mitte Juni 1,83 Euro. Im Ländervergleich waren das fast vier Cent weniger als in Thüringen oder in Bayern. Diesel wiederum war zu dem Zeitpunkt lediglich in Rheinland-Pfalz günstiger als in Nordrhein-Westfalen – 1,55 Euro je Liter standen 1,57 Euro gegenüber.

Auch gegenüber dem Vorjahr ist Autofahren längst nicht mehr so teuer: Im Jahresvergleich sanken der Dieselpreis laut den Daten des IW um etwa 22 Prozent sowie Superbenzin E10 um knapp acht Prozent im Tankstellenpreis. Wichtigster Grund dafür sind die niedrigeren Rohölpreise.

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