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Sigmar Gabriel (SPD) geißelt Verbrenner-Aus – und lobt Umweltbilanz des Diesel

Diesel-Pkw müssten den Vergleich mit E-Autos nicht scheuen: Das von der EU geplante Verbrenner-Aus sei auch deshalb falsch, findet Sigmar Gabriel. Hersteller VW sieht das nicht so und warnt vor anderen Problemen.

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Sigmar Gabriel (SPD) geißelt Verbrenner-Aus – und lobt Umweltbilanz des Diesel

Ex-Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat das Verbrennerverbot der EU ab 2035 scharf kritisiert. »Ich habe in meiner Zeit in der Bundesregierung immer davor gewarnt, dem Verbrennungsmotor ein schnelles Auslaufdatum zu setzen und bin dafür heftig kritisiert worden«, sagte Gabriel dem »Handelsblatt«. Er habe »nie verstanden, warum wir Deutschen eine der wichtigsten Säulen unserer Volkswirtschaft und unseres Wohlstands so derartig mutwillig ruinieren.« Kein anderes Land der Welt würde so etwas tun.

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Gabriel sorgt sich vor allem um die Autozulieferer. »Das ist ein stilles Sterben. Wo bleibt der Aufschrei?« Dass sich die Politik nun wundere, »dass zigtausend Stellen in der Zuliefererindustrie abgebaut werden, ist schon ziemlich merkwürdig. Denn das war alles absehbar.«

Das vom Jahr 2035 an geltende Verbrenner-Aus sei umso fragwürdiger, weil »ein neuer Diesel den Vergleich mit den Umweltbelastungen eines batteriegetriebenen Fahrzeugs über die gesamte Lebenszeit des Wagens nicht scheuen muss«, sagte Gabriel dem »Handelsblatt«.

Die meisten Wissenschaftler und Autohersteller bewerten die Ökobilanz von E-Autos anders als Gabriel. So teilte Volkswagen schon 2019 mit, dass ein E-Golf über die gesamte Lebensdauer spürbar weniger CO₂ verursache als ein Diesel-Golf. Seither ist der Strommix in den meisten Industrieländern deutlich sauberer geworden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen etwa das Umweltbundesamt und der Verein Deutscher Ingenieure.

Das De-Facto-Verkaufsverbot für neue Diesel und Benziner ab 2035 in der EU war vor zwei Jahren beschlossen worden. Die Emissionsgrenzwerte für Neuwagen sinken dann auf ein Niveau, das von Autos mit Verbrennermotor nicht erreicht werden kann. Für die FDP, die Unionsparteien und die AfD war der Widerstand dagegen ein wichtiges Wahlkampfthema zur Europawahl.

Die kürzlich wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat jedoch durchblicken lassen, dass sie bis auf eine Ausnahme für Verbrenner, die mit E-Fuels betankt werden, an der bisherigen Regelung festhalten will. Von den Herstellern, etwa von VW-Chef Oliver Blume oder Ford-Aufsichtsratschef in Deutschland, Gunnar Herrmann, kam zuletzt immer wieder die Forderung, die Debatte zugunsten der Planungssicherheit für Unternehmen und Verbraucher ad acta zu legen.

VW-Chef Blume warnte derweil vor den geplanten Zöllen auf chinesische E-Autos. Als Reaktion könnte Peking Zölle auf deutsche Autos verhängen, die exportiert oder in China gebaut werden. »Dieses Risiko ist auf jeden Fall vorhanden, wenn diese einseitigen Zölle umgesetzt werden sollten«, sagte Blume der »Bild am Sonntag«. »Es ist wichtig, dass die deutsche Bundesregierung mit einer klaren Position gegen die Zölle weiter in der EU auftritt.« Brüssel solle sich mit der chinesischen Seite verständigen.

Zusatzzölle von bis zu 30 Prozent für deutsche Autos in China könnten für den VW-Konzern negative Folgen haben, fuhr Blume fort. »Wir hätten deutliche Nachteile auf dem chinesischen Markt. Und deshalb sprechen wir uns klar gegen solche neuen Regeln aus«, sagte der VW-Chef.

Eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hatte am Freitag für die Zollaufschläge in Höhe von bis zu 35,3 Prozent gestimmt. Die Bundesregierung votierte auf Druck der deutschen Autoindustrie gegen die Zölle, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach übereinstimmenden Medienberichten am Vorabend ein Machtwort in der Ampelkoalition gesprochen hatte.

Zölle auf Elektroautos aus China: Höhere Preise erwartet

Die Kfz-Branche erwartet wegen der Strafzölle auf chinesische Elektroautos negative Konsequenzen für Handel und Autokäufer. Elektroautos drohten sich zu verteuern, sagte der Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZdK), Thomas Peckruhn, der »Augsburger Allgemeinen«. Das würde die ohnehin schon zurückhaltende Kauflaune noch weiter verschlechtern.

Für die Autohändler, die sich zur Aufnahme einer chinesischen Marke entschieden und dafür Investitionen getätigt hätten, würden Strafzölle den Wettbewerb verzerren, sagte Peckruhn. Auch er warnte vor einer chinesischen Reaktion. Dies würde sämtliche Exporte für nicht in China produzierte Fahrzeuge betreffen und zu einer Schwächung der in Deutschland ansässigen Hersteller und Zulieferer führen. »Strafzölle sind keine Lösung für einen fairen, globalen Handel«, betonte der Verbandsvize.

Grüner Minister: Hersteller bauen zu wenig elektrische Kleinwagen

Ob oder in welchem Umfang mögliche Zölle an Kunden weitergegeben würden, ist noch unklar. Nach Berechnungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) von Ende Mai würden Zölle zu steigenden Kaufpreisen für Elektroautos führen, da der Import von Autos aus China zurückgehen werde.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) monierte, die Hersteller in Europa hätten zu wenig bezahlbare, kleine E-Modelle entwickelt. Die Zölle würden jetzt aber auch preiswertere Elektroautos aus China teurer machen und damit die Umstellung auf Elektromobilität bremsen. »Das widerspricht den eigenen Klimazielen der EU und ist damit klimaschädlich und ökonomisch fatal.«

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