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Die 100-D-Mark-Wette von Hockenheim

die 100-d-mark-wette von hockenheim die 100-d-mark-wette von hockenheim die 100-d-mark-wette von hockenheim die 100-d-mark-wette von hockenheim SPEEDWEEK.com-Kolumnist Rainer Braun erinnert sich an ein nicht alltägliches Prestige-Duell, dass er sich mit seinem Freund Michael «Mike» Kranefuss in Hockenheim geliefert hatte.

Vor mehr als 50 Jahren, im Herbst 1972, bat mein Freund Michael «Mike» Kranefuss, damals Sportchef bei Ford in Köln, zum ultimativen Duell. Es war die Zeit des legendären Capri RS, der mit den Werksfahrern Jochen Mass, Dieter Glemser, Hans Joachim Stuck und weiteren internationalen Stars von Sieg zu Sieg eilte und alles abräumte, was es im Tourenwagensport zu gewinnen gab.

Und genau zwei dieser Werks-Capri RS sollten als Basis für den Wettkampf, oder besser für das Prestigeduell, herhalten. Denn Mike K. war der Ansicht, dass er mir auf und davon fahren würde, wenn wir im Renn-Capri gegeneinander antreten. Dazu muss man wissen, dass sowohl Mike als auch ich uns damals auch im Normalbetrieb mit je einer deutlich zahmeren Straßenversion des Capri RS bewegten und überdies beide auch Hobby-Rennfahrer waren.

Das Kräftemessen kam schneller zustande als gedacht. Schauplatz war der kleine 2.6 km lange Kurs in Hockenheim, wo jeweils am Saisonende das sogenannte «Akademische Rennen» für Teamchefs und Motorsport-Journalisten stattfand. Eine Tagesveranstaltung mit kurzem Training, anschließend zwei Läufe zu je 20 Runden und Siegerehrung. Gesamt- und Klassensieger wurden jeweils mit einem nachempfundenen Kolben aus Aluminium als Trophäe belohnt.

Der Reiz unseres Duells war umso größer, weil Mike versprach, dass beide Autos von der Leistung her absolut identisch sein und ausgelost würden. So präsentierte uns Chefmechaniker Ali Strasser mit treuem Blick den Topf mit beiden Losen, Mike wollte unbedingt zuerst ziehen und erwischte den EM-Capri von Jochen Mass. Ich nahm was übrig blieb, in diesem Fall Glemsers Capri RS.

Unsere Gegner waren auch nicht gerade von Pappe. Die Stuttgarter «Auto, Motor und Sport»-Truppe ist gleich in Kompaniestärke angerückt: Oberdrifter Michael Mehlin und sein Kollege Gert Hack im BMW Alpina 2800 CS, Manfred Jantke im Bulova-Capri RS, Werner Schruf im Gerstmann-Capri RS und Jürgen Rapp vom Schwesterblatt «Sport Auto» im nagelneuen Schnitzer-BMW 2002 16 V.

Ergänzt wurde die Journalistenriege noch durch die ziemlich flotten Herren Sander (Rallye Racing) im Gerstmann-Escort RS und Stockmar (Auto Zeitung) im Koepchen-BMW 2002. Und damit’s richtig lustig wird, mischte zu allem Überfluss auch noch Profi Dieter Basche im BMW 2002 mit – gut getarnt als Teamchef von GS-Sport in Freiburg.

Der Tag der Entscheidung – kalt, neblig, ungemütlich. Kurz vor dem Start bietet mir der Ford-Sportchef eine Wette über 100 D-Mark an mit den Worten: «Ich fahr‘ dir gnadenlos um die Ohren und anschließend bringst du mir den Hunderter – der Fotograf ist schon bestellt.» Um die Show perfekt zu machen, klebt jeder seinen Schein innen an die hintere Seitenscheibe.

Nach 20 Minuten Training stellen wir unsere beiden Capri mit Bestzeit in die erste Reihe. Mike hat sich den ersten Teilsieg gesichert und die Pole erkämpft, neben uns lauert Basche als dritter Mann in Reihe 1, dahinter die restliche wilde Meute, alles in allem rund 20 hochkarätige Renn-Tourenwagen.

Unsere «Betreuer» Glemser, Mass und Stuck übernahmen für die beiden Renn-Läufe das Anzeigen der Positionen und Abstände. Wobei der für mich zuständige Kollege Stuck mit seiner Anzeige-Tafel eine ziemlich klare Sprache sprach, weil ich nach Runde 1 nur an dritter Stelle lag.

Mike zog zunächst an mir vorbei, auch Basche bremste sich vor der ersten Rechtskurve an mir vorbei. Als ich auch nach Runde 2 nur an Position 3 lag, nimmt Stuck das zum Anlass, mir mit einem mächtigen Schraubenschlüssel zu drohen.

Doch dann baue ich mein Rennen Runde um Runde auf, kassiere bis zur Halbzeit meine beiden Gegner und gewinne den Lauf knapp vor Mike. Der ist ziemlich angefressen und macht die Mechaniker erst mal rund, weil das Auto angeblich schlecht ausbalanciert war.

Um des lieben Friedens willen bot ich an, dass wir im zweiten Durchgang erst ein kleines Scheingefecht inszenieren und er anschließend mit dem etwa gleichen Abstand gewinnt wie ich zuvor. Damit wäre der Herr Sportchef mit einem Unentschieden noch ordentlich aus der Sache rauskommen.

Ich duelliere mich also mit ihm ein paar Runden lang und lasse ihn danach diskret davonziehen in der festen Überzeugung, dass er das Ding nun locker nach Hause bringt. Zwei Runden vor Schluss komme ich um den Rechtsknick zur Querspange rum und da steht mein Kumpel Mike samt Capri quer auf der Piste.

Ich halte fast an, gucke fragend zu ihm rüber und er signalisiert mir wild gestikulierend, dass ich weiterfahren soll, da der Motor bei dem Dreher ausgegangen ist und nicht mehr anspringt.

Somit kann ich nicht auf ihn warten und gebe wieder Gas, bevor Basche & Co. nachrücken. Womit ich ungewollt auch den 2. Lauf als Sieger beende, während Mike am Ende wirklich stocksauer ist. Erst darf er den Hunderter bei mir abliefern und dann muss er auch noch den Spott seiner Werksfahrer Mass, Glemser und Stuck ertragen. Aber er ist Sportsmann genug um mir lächelnd zu gratulieren.

Hinterher steckte mir Chefmechaniker Ali Strasser übrigens noch im Vertrauen, dass sein Chef ihn schon Tage vorher beauftragt hat, alle Motoren auf dem Prüfstand durchzuchecken und das stärkste Exemplar in das für ihn vorgesehene Auto einzubauen. Das waren immerhin satte 20 PS mehr. Und damit er beim Auslosen auch ja das richtige Auto zieht, hat er Strasser angewiesen, eines der beiden Lose und Autos unauffällig zu markieren und ihn zuerst ziehen zu lassen…

Aber letztlich war das alles Nebensache angesichts der Möglichkeit, einmal im Leben einen Capri RS im Renntrimm und in einem Rennen bewegen zu dürfen. Ein Erlebnis, an das ich mich zeitlebens immer gerne und dankbar erinnert habe. Übrigens auch an den brutalen Muskelkater danach, denn Lenkung und Bremsen ließen sich zu dieser Zeit nur mit purer Muskelkraft bedienen.

Leider sind auch alle späteren Versuche meines lieben Freundes Mike, das «Akademische» wenigstens einmal zu gewinnen, gescheitert – mal knapp, mal deutlich. Ein paar Jahre nach unserem denkwürdigen Duell musste er sich sogar seinem Vorstandschef Bob Lutz im Zakspeed-Escort RS geschlagen geben.

Mike Kranefuss ist inzwischen 86 Jahre alt und lebt seit 1981 dauerhaft in den USA. Nach seiner Pensionierung als Direktor für den weltweiten Motorsport der Ford Motor Company in Detroit ist er für immer in den Staaten geblieben. Unser Kontakt ist bis heute nicht abgerissen.

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