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Segway-Ninebot zieht es raus aufs Land

Private E-Scooter werden in der Stadt von vielen Pendlern genutzt. Auch auf dem Land sind die Tretroller populär. Darauf reagiert Segway mit einer Neukonstruktion.

Die Hype um E-Scooter scheint abgeebbt – zumindest, wenn man sich die Zahlen der Sharing-Anbieter ansieht. Die elektrischen Tretroller hatte vor fünf Jahren der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer als „echte zusätzliche Alternative zum Auto, ideal etwa für die letzte Meile von der U-, S-Bahn oder Bushaltestelle nach Hause oder zur Arbeit“ angepriesen. Das Beratungsunternehmens McKinsey schätzte 2019 das Marktpotenzial von Angeboten im Bereich Mikromobilität bis 2030 in Europa auf 150 Milliarden Dollar, wovon sich mehr als die Hälfte allein mit E-Scootern verdienen ließen.

Im Auge hatten die Experten dabei vor allem Sharing-Dienste wie Lime,Tier oder Bold, die Deutschland nach der Straßenzulassung der E-Scooter mit ihren Flotten fluteten. Manche zappeln inzwischen allerdings auf dem Trockenen – die zunehmende Reglementierung der Leihbetriebs durch die Kommunen und der scharfe Wettbewerb haben das Geschäft zunehmend erschwert und einige Sharing-Anbieter auch schon in die Pleite getrieben.

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Raus ins Grüne Mit dem neuen ZT3 Pro D macht Segway-Ninebot den Kickscooter Offroad-tauglich. Der Motor am Hinterrad ist stärker, zudem gibt es mehr Bodenfreiheit und ein weiter optimiertes Fahrwerk. Im Frühjahr kommt der neue Roller auf den Markt.

Das Geschäft mit privaten E-Scootern boomt hingegen – in diesem Jahr dürfte es in Deutschland nach Prognosen der Marktforschung von GfK um etwa 30 Prozent wachsen. „Und wir befinden uns immer noch ganz am Anfang der Entwicklung“, sagt Alexander Ammon, der seit Mai für die Geschäfte des Marktführers Segway-Ninebot in Deutschland und Österreich verantwortlich ist. Von den rund 300.000 E-Scootern, die in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich bei privaten Käufern landen, werden nach Einschätzung von Ammon etwa 50 Prozent von dem chinesisch-amerikanischen Tech-Unternehmen produziert.

Reichweite noch ausbaufähig

Das meistverkaufte Produkt von Segway-Ninebot hat die Modellbezeichnung Max G2D, kommt mit einem 551 Wattstunden (Wh) großen Akku bis zu 70 Kilometer weit und kann mit seinem 900 Watt starken Motor am Hinterrad Steigungen bis zu 22 Prozent bewältigen. Zu einem offiziellen Preis von 899 Euro – in einigen Märkten wird er derzeit allerdings auch schon zu Preisen um die 770 Euro angeboten.

Und die technische Entwicklung ist noch längst nicht abgeschlossen: „Beim Thema Reichweite sind wir noch lange nicht da, was technisch möglich ist“, weiß Ammon. Auch an anderen Stellen gebe es noch Optimierungsmöglichkeiten. Ab 2027 müssen neue Roller mit elektrischen Blinkern ausgerüstet sein, damit zur Fahrtrichtungsanzeige nicht mehr eine Hand vom Lenker genommen werden muss. Auch denke man darüber nach, die E-Scooter für Privatkunden wie die der Sharing-Dienste mit Wechselakkus auszustatten um das Laden zu erleichtern: Nicht jeder Stadtbewohner hat abends noch die Kraft, seinen 25 Kilogramm schweren Faltroller in die dritte Etage zu tragen.

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Segways Bestseller Der etwa 800 Euro teure E-Scooter Max G2D ist das meistverkaufte Modell von Segway nicht nur in Deutschland. Er punktet mit einem starken Heckmotor, einem vollgefederten Rahmen und anderen Komfort-Features. Fotos: Segway-Ninebot

Die meisten E-Scooter verfügen inzwischen über einen vollgefederten Rahmen, um Fugen und Wellen in den Radwegen oder Unebenheiten im städtischen Kopfsteinpflaster zumindest ein wenig ausgleichen zu können. Mit dem neuen All-Terrain-E-Scooter mit der Modellbezeichnung ZT3 Pro D, den Segway-Ninebot jüngst auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin vorstellte, zeichnet sich ein weiterer Entwicklungsschritt ab – raus aus der Stadt, rein ins Gelände.

Neuer Offroader mit 1600-Watt-Motor

Der neue Offroader wurde speziell für eine Nutzung auf Wegen ohne Asphaltdecke entwickelt. Er verfügt über spezielle, schlauchlose Geländereifen im 11-Zoll-Format und eine Bodenfreiheit von 152 Millimetern. Vor allem aber über einen nochmals stärkeren Motor mit 1600 Watt Leistung, um auch Steigungen bis zu 25 Prozent bewältigen zu können. Der Hersteller verspricht bis zu 70 Kilometer Reichweite und lockt mit einem Stability-Enhancement- und Traktionskontrollsystem (TCS) für eine bessere Traktion und ein verringertes Lenkerwackeln. Die Beschleunigung und die Höchstgeschwindigkeit (bis zum gesetzlichen Tempolimit von 20 km/h) lassen sich beim ZT3 Pro D über ein drei Zoll großes LCD-Display und verschiedene Fahrmodi regulieren. Und serienmäßig sind Blinker und Fahrlichter an Bord – zum Preis von voraussichtlich knapp 1000 Euro: Eingeführt wird das neue Modell erst im ersten Quartal des kommenden Jahres.

Segway-Ninebot reagiert damit laut Ammon auf eine neue Zielgruppe, die sich in den letzten Jahren herauskristallisiert hat – Jugendliche und Berufspendler im ländlichen Raum. „Unsere Klientel sitzt nicht nur in den Großstädten und nutzt den E-Scooter allein für die Strecke zwischen Haltestädte und Büro. Auf dem Land ist der Roller auch zunehmend eine Alternative zum Fahrrad und zum oft nur schlecht ausgebauten öffentlichen Nahverkehr“.

Mitnahmeverbote in Bus und Bahn nicht nachvollziehbar

Apropos ÖPNV: Warum Verkehrsbetriebe in einigen Städten wie Nürnberg E-Scooter wegen angeblicher Explosionsgefahr aus ihren Bussen und Bahnen verbannen, kann der Manager nicht verstehen. „Unsere Produkte sind vom TÜV-Rheinland getestet und vom KBA zugelassen. Zudem nutzen wir die gleichen Akkus wie E-Bikes.“ Zusammen mit anderen Herstellern von E-Scootern werde sein Unternehmen deshalb versuchen, in Gesprächen mit Nahverkehrsverbänden einen Sinneswandel herbeiführen. Auch das aktuelle Tempolimit von 20 km/h in Deutschland (in anderen Märkten sind E-Scooter auf 25 km/h gedrosselt) will die Industrie in den kommenden Monaten mit der Politik diskutieren.

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Vespa-Alternative Mit dem neuen, autobahntauglichen Elektroroller E300 SE will Segway im kommenden Jahr die etablierten Hersteller angreifen. Mit einem günstigen Preis, hoher Reichweite und einer Spitzengeschwindigkeit von über 100 km/h.

Und Segway-Ninebot belässt es nicht bei neuen Angeboten für die Mikromobilität, sondern greift auch in anderen Marktsegmenten an. Im Frühjahr wird das Unternehmen in Konkurrenz zur Vespa Elettrica (ab 8.399 Euro) und zum Seat MÓ 125 (ab 7.200 Euro) – und in Ergänzung des Angebots an e-Mofas wie den B110 S und leichten, maximal 45 km/h schnellen E-Rollern einen neuen, ausgewachsenen Elektro-Roller auf den Markt bringen. Der 10 kW starke Segway E300 SE verfügt über bis zu drei Akkus mit einer Kapazität zwischen vier und sechs Kilowattstunden für Reichweiten von bis zu 130 Kilometer und eine Höchstgeschwindigkeit von 105 km/h. Bestellt werden kann das neue Topmodell in dem Bereich ab sofort zu einem Basispreis (mit zwei Akkus) von 4999 Euro. Mit drei Akkus sind es 1500 Euro mehr.

E-Bike kommt als nächstes

Und auch ein E-Bike für Privatkunden hat Segway-Ninebot in Vorbereitung, verrät Ammon. Bislang liefert das Unternehmen Pedelecs nur für Sharing-Anbieter wie Tier-Dott und Lieferdienste. Im kommenden Jahr soll das Portfolio auch um ein „attraktives“ City-Bike mit elektrischer Trittunterstützung angeboten werden. Angetrieben wird das Pedelec mit einem eigenen Antrieb: „Wir haben auf alle Angebote von externen Anbietern wie Bosch und Shimano verzichtet – alles kommt aus dem Hause Segway.“

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