Gerne durchstöbern wir das Angebot der bekannten Auktionshäuser. Wenn uns etwas besonders gut gefällt, präsentieren wir es hier als «Pick of the Week». Heute ist es ein Fiat 600 Multipla, gefunden bei RM Sotheby’s.
- 6 Plätze auf 3,53 Meter
- Gebaut von 1956 bis 1966
- Etwa 150’000 Exemplare verkauft
Von 1936 bis 1955 baute Fiat den 500, im Volksmund liebevoll «Topolino» genannt. 516’646 Stück wurden verkauft, man darf den 500 getrost als den ersten «Volkswagen» bezeichnen. Konstrukteur der wunderbaren Konstruktion war Dante Giacosa – und er schenkte dem Topolino auch eine Kombi-Variante, die Giardiniera. Doch nach dem 2. Weltkrieg war der 500 eigentlich veraltet, es musste ein neues Modell her. Und nein, der wahre Nachfolger des Topolino war nicht das Modell mit der Bezeichnung 500 (Nuova 500, um genau zu sein), das kam erst 1957 auf den Markt (Konstrukteur: Dante Giacosa), sondern eigentlich der 600, der 1955 vorgestellt worden war (Konstrukteur: Dante Giacosa).
Der Fiat 600 Multipla misst nur gerade 3,53 Meter – ©Courtesy of RM Sotheby’s
Die Taxi-Version bot bis zu sechs Personen Platz – ©Courtesy of RM Sotheby’s
Giacosa schreibt in seinen Memoiren, dass ihm kein anderes Fahrzeug in seiner langen Karriere derart viel Kopfzerbrechen bereitet habe wie der Multipla. Es musste wieder einen Kombi geben, das war von Anfang an klar, vom Topolino hatte es ein solches Modell auch im Angebot gehabt. Und ausserdem hatte VW mit seinem, auf dem Käfer basierenden Bulli in Deutschland ab Anfang der 50er Jahre grossen Erfolg – Fiat wollte sich auf dem Markt der Kleintransporter die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Und überhaupt waren es gute Zeiten für solche Fahrzeuge in den 50er Jahren, all die Metzger, Maler und Bäcker wollten auch endlich motorisiert werden.
Man muss den Fiat 600 Multipla einfach lieben – ©Courtesy of RM Sotheby’s
Übermotorisiert war der kleine Italiener aber sicher nicht – ©Courtesy of RM Sotheby’s
Die Lenksäule muss ein einige abenteuerliche Verrenkungen machen auf dem Weg zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe. Und überhaupt ist sie ziemlich im Weg, sie trennt nämlich auch noch die Pedale. Und weil die Sitzposition in der ersten Reihe derart ungewöhnlich ist, entschloss man sich, diesem Gestühl keinen Längsverstell-Mechanismus zu spendieren. Was wiederum zur Folge, dass Mitteleuropäer ein Problem mit der Kopffreiheit haben. Auch das Fahrgefühl ist ziemlich speziell: unmittelbar vor den Knien des Fahrers ist der 600 Multipla fertig. Das führte wohl ganz automatisch zu einer defensiven Fahrweise, denn die Crash-Tauglichkeit des gerade einmal 3,53 Meter langen Wagens war über keinen einzigen Zweifel erhaben.
Schau mi in die Augen, Kleiner – ©Courtesy of RM Sotheby’s
Die Armaturen waren betont einfach gehalten – ©Courtesy of RM Sotheby’s
Fast 2,7 Millionen Exemplare des 600er wurden zwischen 1955 und 1969 allein aus italienischer Produktion verkauft (in Argentinien wurde der Wagen bis 1982 hergestellt…). Vom 600 Multipla konnten hingegen nur knapp 150’000 Stück abgesetzt werden. Was durchaus auch an der Optik gelegen haben könnte. «Es ginge wohl zu weit, wenn man behaupten wollte, dass die hier gefundene Form kennzeichnend wäre für den Personenwagen der Zukunft», schrieb Werner Oswald im deutschen Fachmagazin «auto, motor und sport», «die Fiat-Form könnte aber ohne weiteres Vorbild für eine gefälligere Gestaltung des als Kombi verwendbaren Personenwagens sein.» Das hier gezeigte Fahrzeug aus der «Iseli Collection» wird am 15. September von RM Sotheby’s in St. Moritz versteigert.
Das Verhältnis von Breite der Spur zur Höhe sorgt nicht gerade für ein grossartiges Fahrverhalten – ©Courtesy of RM Sotheby’s
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Unter «Pick of the Week» präsentieren wir gerne günstige und vor allem spannende Automobile, die wir auf Auktions-Vorschauen entdecken – eine Liste der schon vorgestellten Fahrzeuge finden Sie hier.