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Nissan Pulsar NX 1986-1990: Test

Den Kombi? Das Coupé? Das Cabrio? Der Nissan Pulsar NX (1986 bis 1990) kann wirklich alles sein – man muss ihn nur entsprechend umbauen.

Wie müssen wir und das vorstellen? Wie sind die Nissan-Leute darauf gekommen, die­ses Auto zu bauen? Waren die in irgendeiner Sitzung, und einer aus der Produktentwicklung fing an:”Chef, unsere Marktforschung zeigt, dass die meisten Kunden von einem Sportwagen, einem Coupé oder Cabrio träumen, dass sie sich dann aber doch einen Kombi kaufen.”
Chef (gelangweilt): “Ja. Und?”
Produktentwickler: “Und bei den Einfuhrbeschränkungen in die USA lohnt es sich für uns nicht so, billige Massenautos zu bauen, besser wäre, teurere Autos mit mehr Gewinn zu verkaufen.” “Ja. Und?”
“Und viele Menschen wün­schen sich, mehr Zeit mit ihren Partnern zu verbringen, zum Bei­spiel mit gemeinsamen Hobbys.” “Mhm.”
“Und Ärzteverbände beklagen, dass zu viele Menschen sich kaum bewegen, dass ihre Muskeln des­halb schon in jungen Jahren zu schwach sind.”
Chef (unterdrückt ein Gähnen): “Und weiter?”
“Ja, also, wir haben uns ge­dacht, wir könnten all diese Pro­bleme auf einmal lösen.”nissan pulsar nx 1986-1990: test

“Modulares Design” ist der Angeberbegriff für derart umbastelbare Autos. Etwas Prahlerei ist okay, denn es gibt nur wenige modulare Serienautos.

Bild: Thomas Starck / AUTO BILD Und wenn es so war, wie wir uns das gerade ausmalen, dann hat der Nissan-Produktentwickler jetzt das Konzept des Pulsar NX der Baureihe N13 vorgeführt: auf den ersten Blick ein zackiges klei­nes Coupé mit Klappschein­werfern wie der Vorgänger N12, wieder auf Basis des Golf-Kon­kurrenten Sunny, der in Nord­amerika Pulsar hieß.

Auto – neu gedacht

Der Clou an seinem Vor­schlag aber: Die Coupé-Heck­klappe reicht hoch bis zum Überrollbügel, man kann sie abbauen und darf dann ganz ohne Heckklappe fahren. (Prak­tischer noch wäre die Möglich­keit, die Heckscheibe unter den Kofferraumdeckel zu schwen­ken und so zu fahren, aber klar: hätte, hätte, Steuerkette). Und man kann statt der Coupé-Klap­pe ein Kastenheck anschrau­ben. Dann ist das Coupé ein Kombi. Nur dass eben nicht eine schmale Heckklappe hoch­schwingt, sondern gleich die ganze hintere Dachhälfte mit den hinteren Seitenscheiben.Der Produktheini hatte nicht zu viel versprochen: Dem zwi­schenmenschlichen Miteinander ist der Umbau – potenziell – förderlich; denn auch wenn er auf dem Papier so leicht aussieht wie beim Playmobil-Poli­zeiauto, kriegt den Umbau in der Realität nicht mal Chuck Norris allein hin. Dazu braucht man schon zwei, besser drei Leute. Man klaubt das Werkzeug aus der Re­serveradmulde, und in gerade mal 16 Arbeitsschritten ist die Klappe gewechselt, einschließlich Tausch der unterschiedlichen Gasdruck­dämpfer. Hauptmarkt wa­ren übrigens die USA, das Land, in dem Auto­fahrer ihren Mercedes SL schon in die Werkstatt brachten, um das Stoffverdeck öffnen oder schließen zu lassen.nissan pulsar nx 1986-1990: test

Armaturen mit citroënesken Bediensatelliten. Türtaschen gibt es beim Pulksar NX keine.

Bild: Thomas Starck / AUTO BILD Wo waren wir stehen geblie­ben? Ach ja, am Pulsar. Wenn der Mensch, der gemütlich mit dem 14er-Maulschlüssel am Überroll­bügel lehnt, die beiden anderen nur lange genug vor und zurück dirigiert, bis der Nippel durch die Lasche passt, dann kön­nen die beiden sich die Fahrt in die Muckibude sparen. Ob solche Situationen nun den zwischen­menschlichen Beziehungen eher zu- oder eher abträglich sind, ent­scheidet sich im Einzelfall.Nein, nein, wir übertreiben. Die Montage ist ganz einfach. Wenn man sie beherrscht. Haben wir jetzt ausprobie­ren können, ob­wohl Nissan das Modell nie bei uns ver­kauft hat; denn das Auto auf unseren Fotos stand wäh­rend der Bremen Classic Motor­show auf dem Stand des PS.Spei­chers, und bevor das den Leuten vom Stand gegenüber auffiel, haben wir gleich einen Termin gemacht und das Auto in Ein­beck gefahren und auf- und zugebaut. Nein, nein, wir übertreiben: Tatsäch­lich haben die lieben Helfer vom PS.Speicher die schweren Teile auf und ab und hin und her geschleppt. Wir mussten ja, öhm, alles protokollieren.Zum Beispiel: Endlich ein Auto, bei dem die Form der Heckschei­be der Form des Innenspiegels angepasst ist. Und: Oben unterm Überrollbügel ist eine Brems­leuchte. Sobald man die Kombi- Klappe schließt, geht die Leuchte aus und die in der Heckscheibe an, damit bei Nacht nicht jede Pedalberührung den Innenraum in Rotlicht taucht. Und: Die Kopffreiheit auf der Rücksitzbank ist ganz okay, wenn man 1,41 Meter groß ist und deshalb nicht mit der Fontanelle unterm Überrollbügel klemmt. An der Bremsleuchte kann man sich selbst dann noch den Schädel einrammen.

Ein absurder Traum wird wahr

Aber noch mal zurück zu den lustigen Nissan-Leuten. Sie haben also tatsächlich das Auto entwi­ckelt, das Außendesign haben sie bei Nissan Design International (NDI) in La Jolla, Stadtteil von San Diego, hingefeilt – richtig, gleich südöstlich von Los Angeles. Das Studio war gerade erst 1980 eröffnet worden. Zur Kerntruppe gehörten Koichiro Kawamura, Ex- Buick-Designer Allan L. Flowers, Doug Wilson und Bruce Campbell, unter der Leitung von Gerald “Jer­ry” P. Hirshberg oder Hirschberg (die Quellen widersprechen sich da), einem der Schöpfer des Pon­tiac GTO und des Boattail-Riviera von Buick. Das Innendesign aber entstand am anderen Ufer des Pazifiks, bei den Technik-Entwicklern in der japanischen Präfektur Kanagawa südwestlich von Tokio.Stehen Sie auf derart unnützes Wissen? Dann haben wir noch was für Sie: Der Pulsar NX hieß in Japan Nissan EXA, und als Rechtslenker hatte er eine Öldruckanzeige und ein Voltmeter – als Linkslenker nicht. Wenn das Thema bei Gün­ther Jauch mal die Eine-Million- Euro-Frage entscheiden wird, den­ken Sie gern an uns.nissan pulsar nx 1986-1990: test

Dreieckige Seitenfenster erinnern zumindest ein wenig an den Nissan Terrano.

Bild: Thomas Starck / AUTO BILD Anfang, Mitte der 80er-Jahre waren diagonale parallele Streifen weltweit vorgeschrieben, es muss dazu eine UN-Styling-Resolution gegeben haben. Während VW sich zaghaft auf Blinkerhebel und Sitzpolster beschränkte, streifte Nissan hemmungslos die Heck­leuchten (von der Studie NX-21 anno 1983), die Abdeckungen der JBL-Lautsprecher und (wer hat's gesehen?) die Pedalgummis.In Werbespots fuhr dann eine Frau mit Streifenbluse, Streifen­brille und Streifenohrringen aus einem Streifengebäude heraus durch eine Streifenlandschaft. Spargeläcker waren damals übri­gens der letzte Schrei. Nein, die Türgriffe stammen nicht vom Fiat Panda, sind nur so ähnlich. Sie, die Türen und die Sit­ze sind so ziemlich alles, was von der Mittelmotor-Studie MID4-I (1985) in Serie gegangen ist. In der Serie war das „Sportbak“- Kombiheck immer grau, aber viele wurden wohl später in Wagenfarbe umlackiert. Hübsch wäre auch, den oberen Teil der Seitenschei­ben gelb einzufärben, als späte, subtile Verbeugung vor der gelben Dachrandverglasung der Wartburg Campinglimousine.

Technische Finessen

Für Auto-Fans mit Spieltrieb und Geschmack sind Klapp­scheinwerfer allein schon ein Grund, ein beliebiges Auto zu begehren. Die nerdigsten unter den Klappscheinwerfer-Nerds ergötzen sich beim Pulsar darüber hinaus noch an zwei Details: Im Augenlid des linken Leuchters ist der Markenname eingegossen. Eigentlich wumpe, aber wer bei Klappscheinwerfern nervöses Augenzucken bekommt, wird auch bei asymmetrischen Details ganz fickerig. “Die Hutze beim Fiat Ritmo! Aaaah!”Und, zweitens: Mit einem Knopf oben rechts vom Lenkrad klappt man die Scheinwerfer auf, ohne sie anzuschalten. Um ganz sicherzugehen, dass die Klappe beim Überwintern im ewigen Eis nicht zufriert, kann man so auch die Scheinwerfer zuklappen, ohne das Licht auszuschalten, denn dann bleibt sie warm. Nein, das zuletzt haben wir uns jetzt ausgedacht. (Oder geht das wirklich? Haben wir vergessen zu probieren, verdammt!)nissan pulsar nx 1986-1990: test

Schön, wenn mal was klappt! Im Pulsar NX kommt das öfter vor, denn in den Türen klappen die Lüfterdüsen aus und ein, vorn klappen die Scheinwerfer.

Bild: Thomas Starck / AUTO BILD Was hier gerade in Vergessen­heit zu entschwinden droht: Man kann den NX nicht nur umbauen und an Lichtknöpfen spielen und Streifen suchen, man kann ihn auch ganz normal fahren. Und er fährt ganz normal. Quer eingebau­ter Vierzylinder, normalerweise 1,6 Liter mit 8, 12 oder 16 Ventilen, unser schwarzer Bolide hat den 1,8-Liter mit 125 PS. Der zieht schön gleichmäßig bis 7000/min hoch, aber wenn nicht die nach­gerüstete Tüte unterm Auto etwas Drama in die Fahrt brächte, wäre es doch unspektakulär. Die Sitz­position: eher tief. Die Servolen­kung: mitteldirekt. Die Schaltung: sehr präzise, eher lange Schaltwege, der Rückwärtsgang singt. Das Fahrwerk: verlässlich, unter anderem dank Einzelradaufhän­gung auch hinten (nimm das, Scirocco!). Die Rundumsicht: bis auf die dicke B-Säule sehr gut. Daran merkt man, dass der NX ein Oldtimer ist. Und an den Fenster­kurbeln. In Nordamerika verletzte sich wohl mal ein Mensch am Gas­druckdämpfer der Heckklappe – da nahm Nissan, so wird in Japan berichtet, das Wechselheck klamm­heimlich aus dem Programm.nissan pulsar nx 1986-1990: test

Der Pulsar NX 1.8 liefert 125 PS, die Höchstgeschwindigkeit des exotischen Japaners liegt bei 200 km/h.

Bild: Thomas Starck / AUTO BILD Und in Japan? Da muss wohl jemand verpasst haben, den Pul­sar NX von Anfang an mit allen Klappen beim dortigen Kraftfahrt-Bundesamt anzumelden. Als Nissan nach der ersten Zulassung des EXA noch mal mit der Kombi-Klappe ankam, lehnte der Behör­denmensch freundlich ab, sie zuzulassen. “Ich kann gern das Fahrzeug mit Kombi-Heck als wei­teres Modell eintragen.” – “Ah, okay!” – “Das Heck darf dann aber nicht ans Coupé montiert werden. Die Klappen dürfen technisch nicht austauschbar sein.” Damit war die Idee in Japan tot. Und deshalb hat der Nachfol­ger, der Nissan 100 NX, eine fest installierte Heckklappe.

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