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Mitmachen im Reallabor

Autonom agierende Fahrzeuge sollen anhand von Messdaten aus Hoyerswerda lernen und gemessen werden.

mitmachen im reallabor

Solche Menschenbeweger, bei der TU nennt man sie tatsächlich „peoplemover“, könnten künftig in abgegrenzten Verkehrsräumen autonom unterwegs sein. Beim Projektstart von SivaS hatte man einen mit ins Bürgerzentrum Braugasse Hoyerswerda gebracht. © Foto: Uwe Schulz

Hoyerswerda. Als das Automobil die Kutschen ablöste, brauchte man plötzlich ganz andere Regeln und bald war auch klar, dass es für die neuen Fortbewegungsmittel einheitliche technische Standards geben muss, die so ein Fahrzeug nun mal aufweisen sollte, um am Verkehr teilnehmen zu dürfen. Das galt dann auch für die Personen, die so ein Fahrzeug führen wollten oder sollten. Es wurden Richtlinien für die Fahrerlaubnis erfunden.

Sowohl die technischen Anforderungen als auch die Fahrerlaubnis-Prüfungen wurden immer weiter entwickelt. Sachsen ist bei solchen Regulierungen weit vorn. 1905 gab es in Dresden die weltweit erste Prüfstelle für Kraftfahrzeuge und ganz nebenbei wurde die leistungsbezogene Kfz-Steuer erfunden. Hier befand sich ab 1952 das Kraftfahrzeugtechnische Amt der DDR, Es folgten Unternehmungen, zuletzt 2004 die Gründung der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH, deren 230 Mitarbeiter von jeder Hauptuntersuchung in Deutschland profitieren, weil sie deren Prozedere zum Teil mitbestimmen. Dr. Jürgen Bönninger war bis zu seinem Ruhestand vor wenigen Wochen der Geschäftsführer dieser GmbH und ist guter Dinge, dass es im Bereich Hoyerswerda in spätestens zwei Jahren zur Gründung eines SivaS-Institutes kommt, das dann binnen fünf Jahren gut und gerne eine dreistellige Anzahl an Sachverständigen und Mitarbeitern beschäftigen wird. SivaS ist bislang das Kürzel für das Forschungsprojekt „Sicherheit des vernetzten und automatisierten Straßenverkehrs“. Es ist ein Verbundvorhaben der Stadt Hoyerswerda zusammen mit der FSD GmbH und der TU Dresden. Recht einfach formuliert geht es um die Erarbeitung allgemeingültiger technischer Standards für die Zulassung autonom steuernder Fahrzeuge. So wie ein Mensch bestimmte Kriterien erfüllen und über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen muss, um ein Kraftfahrzeug steuern zu dürfen, muss es all das auch als vergleichbaren Standard für das automatisierte Fahren geben. Weltweit wird von Herstellern an dem Thema gearbeitet. Es gibt sich völlig autonom bewegende Geländefahrzeuge ebenso wie Assistenzsysteme, die anstelle des Fahrers in Fahrprozesse eingreifen können. Es gibt Straßen, auf denen autonom steuernde Fahrzeuge jetzt schon unterwegs sein dürfen, in Deutschland im öffentlichen Verkehrsraum aber nur mit einem Menschen als schnelle Eingreiftruppe an Bord. Die TU Dresden wird daher bis Ende 2026 im Schwarzkollmer Gewerbegebiet An der Sandwäsche den Campus SmartMobilityLab errichten, mit einer 100 mal 100 mal 50 Meter großen Halle und einem zusätzlichen Testgelände im Freien, dazu Hörsäle, Büros, repräsentative Flächen. „Es wird der größte Fahrsimulator der Welt sein“, schwärmt Professor Günther Prokop von der TU Dresden jetzt schon. Denn hier sollen sich Fahrsimulatoren frei bewegen können, später sogar miteinander vernetzt. Doch zunächst braucht man Daten und Verkehrsbeobachtungen, um den Fahrsimulator auch mit einem Szenenkatalog ausstatten zu können, der natürlich stetig weiterentwickelt werden muss.

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Professor Günther Prokop zeigte in einer Animation den künftigen Forschungscampus in Schwarzkollm mit Simulationshalle, Testgelände, Hörsälen und Büros. Der Komplex wird im Gewerbegebiet An der Sandwäsche entstehen. © Foto: Uwe Schulz

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Der Fahrzeugverkehr in Hoyerswerda dürfte im kommenden Jahr auf den markierten Streckenabschnitten bald von stationärer Technik datenschutzkonform aufgezeichnet und für Forschungszwecke genutzt werden. © Foto: Uwe Schulz

Die Daten sollen künftig auch in Hoyerswerda gewonnen werden – zum einen mobil mit einem mit Messtechnik vollgestopften VW Passat, zum anderen mit stationärer Verkehrsbeobachtung, zu der festinstallierte Kameras aber auch Drohnen gehören werden. An der Festlegung des Streckennetzes wird derzeit noch gearbeitet. All das soll mit einem Höchstmaß an Transparenz erfolgen, schon um die Einhaltung des Datenschutzes nicht nur nachweisen zu können, sondern auch die Bevölkerung vor Ort und alle Interessierten bei dem Thema mitnehmen zu können. Das ist auch der Grund, warum die TU Mess- und Verarbeitungstechnologien selbst entwickelt, um nicht abhängig von einem privaten Anbieter und dessen Interessen zu sein. Und das Reallabor wird sich im Herzen der Neustadt in der Bonhoefferstraße 5 befinden, wo einst die Gaststätte „Wassermann“ war. Ab dem kommenden Jahr wird man mehr sehen, wird man auch selbst mitmachen können. Denn für das SivaS-Projekt werden auch ganz normale Kraftfahrer gesucht. Nebenbei, so hieß es bei der Auftaktveranstaltung für das Projekt am Freitag im Bürgerzentrum Braugasse, ist man auch schon mit Hoyerswerdaer Fahrschulen für eine Kooperation im Gespräch.

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