Suzuki

Mit dem Suzuki Jimny geht eines der letzten konsequenten Autos

Eines der letzten kompromisslosen Autos verlässt den EU-Markt. Florian Pillau verabschiedet den kleinen Suzuki.

mit dem suzuki jimny geht eines der letzten konsequenten autos

(Bild: Florian Pillau)

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Suzuki stellt den Verkauf des Jimny in der EU ein. Grund ist dem Vernehmen nach der Flottenverbrauch. Das kleine Auto konsumiert in seiner gegenwärtig angebotenen Form 7,7 Liter auf 100 km, entsprechend einer Emission von 173 Gramm CO₂ pro Kilometer. Da Suzuki keine Elektroautos oder wenigstens Fahrzeuge mit deutlich geringeren Werten absetzt, um das verrechnen zu können, lief der Hersteller mit jedem neuen Jimny tiefer in schmerzhafte Strafzahlungen. Und das Auto war heiß begehrt. Der vorübergehende Ausweg war, das Nutzfahrzeug auch als ein solches nach den Kriterien der EU zu verkaufen. Das machte den Jimny zum Zweisitzer mit Laderaumtrennwand und unbenutzbaren Kopfairbags, brachte den Grenzwert aber auf 147 g CO₂ und verkleinerte die Differenz. Immerhin.

Fehlender Mut zum Kei Car

Ein naheliegender Umstieg auf einen der im Konzern verfügbaren, sparsameren Antriebe wäre mit geringerer Motorleistung einhergegangen. Kein Problem für das Kernaufgabengebiet des Autos, denn für die Kraft am Rad, die man in schwierigem Gelände benötigt, genügt eine entsprechend kurze Übersetzung. Auf seinem Heimatmarkt Japan war der Jimny seit jeher ein Kei-Car und ist neben der 1500er-Version mit dem Beinamen “Sierra” immer noch als solches erhältlich. Kei Car bedeutet: 64 PS aus einem Dreizylinder mit 650 cm3 aufgrund sinnvoller, staatlich verordneter Obergrenzen – und das in einem Land, das wirtschaftsliberaler ist, als es die FDP je wird.

Geländewagen-Nutzer wissen: Schneller als Schrittgeschwindigkeit zu fahren, ist unter schwierigen Bedingungen ohnehin kontraproduktiv. Ihnen braucht man nicht zu erklären, dass dem ähnlich dimensionierten, konstruktiv eng verwandten und schwereren Willys Jeep von 1941 sogar nur 61 PS genügten, die Welt vom Faschismus befreien zu helfen. (Seinen Nachfolger hatten wir im Geländetest). Bis zum Zweiten Weltkrieg braucht man aber gar nicht zurückzublicken: Der größere und schwerere Mercedes G, ein ebenfalls fast unaufhaltbares Geländefahrzeug, kam 1979 mit 72 PS aus, innen nacktes Blech, Servolenkung gegen Aufpreis. Heute sind es laut Konfigurator mit mindestens 445 PS mehr als das Sechsfache – auf Wunsch auch viel mehr. Eine bescheidenere Variante mit 367 PS wird später nachgereicht. Dennoch: Mit einer aktuellen G-Klasse durch Afrika? Lieber nicht. Da könnte ja das “Manufaktur Leder catalanabeige/schwarz, mit Haltegriff, ‘Manufaktur‘-Schriftzug und Zierelement” (Zitat: Mercedes-Benz) einen Kratzer bekommen. Wissen Sie eigentlich, was das kostet ..? Hach.

Grenzt an ein Wunder

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Mit dem Jimny hingegen geht nun ein Auto, das sich lange an das gehalten hat, was für seinesgleichen wirklich zählte. Nicht nur das nackte Interieur-Blech ist Ausweis dieser Ernsthaftigkeit. Es blieb bis zuletzt ein klassischer Geländewagen mit Leiterrahmen, zwei (!) starren Achsen für eine mit anderen Radaufhängungen kaum erreichbare Beweglichkeit, Standardantrieb und Geländeübersetzung.

Dass Suzuki dieses Auto, solange es ging, nach Europa gebracht hat, grenzt an ein Wunder. Es hatte hier eine stabile Nische aus Nutzanwendern und Liebhabern. Die Zulassungszahlen haben stets genügt, beide Gruppen weiter zu bedienen, doch wird es nun aufgrund der Vorschriften zu eng. Suzuki wird darüber keine Auskunft geben, doch könnte man fast glauben, dass sich dort einige Strategen mit dem Plan verrechnet haben, man könne in Europa nur mit einem größeren Motor bestehen.

Suzuki Jimny Nutzfahrzeug (8 Bilder)

mit dem suzuki jimny geht eines der letzten konsequenten autos

Eine durchgehende Platte als Kofferraumboden anstelle der hinteren Klappsitze und ein robust verschraubtes Laderaumtrenngitter zeichnet die Nutz-Variante des Suzuki Jimny aus. (Bild: Suzuki )

Schlechte Beispiele vollkommen nutzloser Eskalation gibt es ja genug, dreistellige Leistungen sind selbst bei kompakten Autos inzwischen normal. Unter welcher Fadesse müssen Autokunden leiden, wenn die schiere Kraft zu einem Wert an sich geworden ist? Welche tödliche Langeweile erleiden die Menschen, wenn demnach reine Beschleunigung so wichtig wird, dass sich die Autohersteller in immer höheren Leistungen überbieten? Wissen die Kunden nicht mehr, wie es sich anfühlt, wenn ein geschickt konstruiertes Auto, mit Erfahrung, Gefühl und Köpfchen, etwa eine Passstraße bewältigt, unabhängig von der Kraft unter der Haube? Die meisten Autofahrer stecken im Verkehr, auf dem Weg von oder zur Arbeit. Im Pendlerstau oder in der Landstraßenkolonne ist Leistung im Überfluss freilich erst recht unangebracht. Man könnte also Ersatzbefriedigung unterstellen.

mit dem suzuki jimny geht eines der letzten konsequenten autos Die für bestmögliche Traktion nötige Beweglichkeit bieten Starrachsen, weil sie die weitesten Federwege ermöglichen (auch, wenn das aufs erste Hören natürlich widersinnig klingt). Die bei Einzelradaufhängung zur Kompensation eingesetzten Traktionshilfen wurden über die Jahre zwar perfektioniert, die diagonale Kraftübertragung über lediglich zwei Räder wird davon aber nicht besser. Sie hängt ja nur von der auf den Boden übertragbaren Kraft ab, und das ist eine physikalische Größe, die sich von Schlupfregelungen leider nicht beeinflussen lässt.

Doch nicht einmal dieser Gedanke verfängt. Denn auch anderswo kann man die ganze Kraft ja nicht nutzen. In Deutschland – einzige Ausnahme in Europa – könnte man zwar sehr schnell fahren. Abseits von Rennpisten ist das allerdings absurd. Bei einem Auto wie einer G-Klasse, die ja immer noch hoch geländefähig ist – wenn auch nicht mehr so gut, wie es technisch möglich wäre – möchte man “absurd” gern steigern können. Sie wird nie zum Sportwagen und so bleibt dem Fahrer lediglich eine eklatant krasse Möglichkeit zur Geradeausbeschleunigung. Suzuki hingegen hat es nicht einmal nötig, irgendeinen Wert für den sogenannten Standardsprint anzugeben.

Geschwindigkeit und Langeweile

Würde man ihn wissen wollen, dächte man am Wesen dieses Autos weit vorbei. Opfer einer bequemen Verkaufsmasche läsen die Papierwerte im Katalog mit der Begeisterung, mit der wir als Jungs damals durch die Seitenscheiben nach Tachos Ausschau hielten und ehrfurchtsvoll “boah – 160!” ausriefen, wenn die Skala mal so weit reichte. Heute wissen wir, wie sich das anfühlt: Sehr langweilig im Vergleich zu 40 auf einer nicht asphaltierten Passstraße, beispielsweise. Doch so war es uns nun mal vom Autoquartett anerzogen. Wir glichen Blinden, die über Regenbogen reden.

mit dem suzuki jimny geht eines der letzten konsequenten autos Nacktes Blech statt “Manufaktur-Schriftzug und Zierelement”. Dem Forstarbeiter ist’s recht.

Die Autoindustrie hat angesichts dieses offenbar leichten Spiels Ideale – sollte sie je welche gehabt haben – längst aus dem Fenster geworfen. Die dort einst mit Begeisterung arbeitenden Ingenieure, die Produkte gestalten durften, die wirklich eine Verbindung schufen zwischen der Welt da draußen und dem Fahrer, stehen jedenfalls nicht mehr am Zeichenbrett. Heute versuchen ihre Nachfolger am CAD-Bildschirm die Vorgaben der Controller einzuhalten und müssen wider besseres Wissen Wasserpumpenräder aus Plastik, unterdimensionierte Steuerketten und – im eklatanten Fall BMW – Autos mit Frontantrieb konstruieren, die dann mit “Freude am Fahren” beworben werden. Eh klar: der Shareholder-Value. Mitarbeiter, denen das bewusst ist, erleiden kognitive Dissonanz. Psychologen wissen, dass das auf Dauer krank macht.

Unbeschränkte Stärken

Mit alledem hatte Suzuki nichts am Hut, als sie den Jimny und seine zahlreichen, bis 1968 zurückreichenden Vorgänger konstruierten. Sie haben bis heute lediglich ein Nutzfahrzeug durch die Zeitläufte getragen, an dem es von Beginn an nichts zu verbessern gab, außer hin und wieder die Abgaswerte. Die in der Autowerbung so gern zitierte “DNS” blieb erhalten. Akkurat aus diesem Grund ist es eines der wenigen Autos, das auch heute noch wirkliche “Freude am Fahren” ermöglicht. Dass man dem Jimny seine Spezialisierung noch deutlich anmerkt, macht seinen Charakter aus. Das ist aber kein Fehler, sondern eine Tugend. Wenn er zu wenig Rückstellkraft in der Lenkung bietet, laut, lahm und unkomfortabel fährt, dabei auch noch säuft, ist seinem Konzept geschuldet. Man freut sich darüber, weil man weiß, dass dafür seine Stärken eben nicht weiter eingeschränkt wurden als unbedingt nötig.

mit dem suzuki jimny geht eines der letzten konsequenten autos

Wie bei der G-Klasse, die seit einigen Jahren bereits mit vorderer Einzelradaufhängung unterwegs ist, damit sie es auf der Straße wenigstens ansatzweise so um Kurven schafft, wie es Normalautonutzer erwarten. Sie wurde zudem für den Komfort deutlich verbreitert. Beides sind spürbare Nachteile im Gelände, von der bereits über die vergangenen Generationen immer weiter eingeschränkten Achsbeweglichkeit gar nicht zu reden. So wurde ein ehemals scharfes Werkzeug stumpf geschliffen. Die Verkaufszahlen erreichten indes Höhen, die ein reinrassiger Geländewagen niemals eingesammelt hätte. Mit diesem Geld kann Mercedes-Benz seine Elektroauto-Palette quersubventionieren, die dann die im Vergleich zum Jimny völlig irren Emissionen der G-Klasse und anderer Hochmotorisierter kompensiert. Aufgemerkt, Suzuki: So läuft das Geschäft!

Die aufgeblasene G-Klasse ist nur ein Beispiel für den erfolgreichen Ersatz von Kompromisslosigkeit durch Beliebigkeit. Wie man es anders machen kann, zeigt auch der für die Straße gedachte Roadster Mazda MX-5. Er pflegt seit vier Generationen ein ähnlich hoch spezialisiertes Konzept wie der Jimny und hat daher ganz bewusst weder einen Turbolader noch Platz im Interieur. Klein, leicht und intelligent wirft er sich aber mit fünfmal mehr Genuss um Kurven als jeder dreimal so hoch motorisierte Bling-Bling-Bolide. Diese verfetteten Linearbeschleuniger sind trotzdem begehrt, denn allzu viele wollen gern die Behauptung der Autoindustrie glauben, ein Auto könne alles gleich gut können. Dabei ist genau das die Garantie für Autos, die zu nichts mehr richtig taugen.

Im Stau merkt man es wenigstens nicht. Zum Gähnen ist es dennoch. Mich wundert wenig, wenn genau solche Hochmotorisierten in meinem Wohngebiet, einer großen 30er-Zone, von einer zur nächsten Kreuzung mit Radau und Vollgas beschleunigt werden und dabei zwischen den spielenden Kindern gut 100 km/h erreichen. Die Fahrer solcher oft mit “M” und “AMG” ausgezeichneten Autos scheinen ihre innere Leere kaum zu ertragen. Da hilft offenbar auch kein “Burmester® 3D-Surround-Soundsystem mit einem beleuchteten Satelliten-Lautsprecher im Dachhimmel” (Katalog Mercedes-Benz) für viele Hundert Euro.

Wo niemand nach der Leistung fragt

Dass der Jimny als quasi alternativloses Werkzeug für Freileitungsbauer, Hausmeister, Forst- und Waidleute in der EU nun scheitert, liegt wohl daran, dass es sich für Suzuki nicht gelohnt haben dürfte, eigens Elektroautos in seine Flotte zu nehmen. Selbstverständlich wird er aber weiter produziert. Er ist anderswo sehr erfolgreich und hat weltweit noch eine stabile Karriere, solange er Menschen helfen kann, abgelegene Waldgebiete, unwegsame Gebirgsregionen und andere noch nicht durchasphaltierte Gegenden zu erschließen. Eben überall dort, wo garantiert niemand nach der Motorleistung fragt. Nutzanwender in Europa werden sich mit dem Material begnügen müssen, das es bis dato nach Europa geschafft hat – und dabei leider mit Liebhabern konkurrieren, welche gerade beginnen, die Preise zu verderben.

mit dem suzuki jimny geht eines der letzten konsequenten autos Dankbar nahmen wir den Verteilergetriebeschalthebel in die Hand. Zum Glück hatte Suzuki die windige Knöpfchen-Lösung aus dem Vorgängermodell, wie sie die VerSUVung mit sich bringt, wieder zurückgenommen.

Nutzanwender dürfen dennoch hoffen: Der Jimny ist in der EU letztlich gescheitert, weil er Benzin verbrennt. Erste geländegängige potenzielle Nachfolger mit Elektroantrieb sind aber schon fertig konstruiert. Das bayerische Start-up-Unternehmen Evum Motors hat ein ebenso kompaktes Elektro-Allradfahrzeug für Land- und Forstwirtschaft oder kommunale Anwendungen am Start. Es verkauft seine Elektroautos noch mit hohem Verlust. Ob es dereinst eine rentable Serienfertigung hinbekommt, steht in den Sternen. Falls ja, heißt es: Obacht, Suzuki! Evum ist Dir auch global auf den Fersen. Das aCar ist ausdrücklich für einen späteren Verkauf in Entwicklungsländern gedacht und lokale Photovoltaik wird zurzeit rasant billiger. Die europäischen Liebhaber des kleinen Geländewagens aus Japan wird das wenig trösten. Sie werden mit verständlicher Trauer ums verlorene Original leben müssen.

Hintergrund

(fpi)

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