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Gemütlich sind wir später

gemütlich sind wir später

Einen Vorsprung (durch Technik) konnte Audi mit dem Q6 e-tron bislang nicht herausfahren, das liegt an der Entwicklungszeit, die durch allerlei Troubles (hauptsächlich jene der VW-Softwareschmiede Cariad) verlängert wurde. Zum Trost: Dem technisch eng verwandten Porsche e-Macan widerfuhr das gleiche Schicksal. Die beiden Elektro-SUVs teilen sich die Plattform, wie man das schon bei den Sportlimos Taycan und e-tron GT durchgespielt hat.

Bei Audi füllt der 4,77 Meter lange Q6 die Lücke zwischen Q4 (4,58 m) und Q8 (4,9 m). Was man sieht: eine martialische Frontpartie mit Reptilienblick, eher grimmig, eine Flanke, die zum Heck hin muskulös herausgearbeitet ist, und eine vertraut wirkende Rückseite mit obligatem Leuchtenband. Check: Mit dem e-Macan besteht keine Verwechslungsgefahr.

Die Frage, wie viel an Bildschirmen man in ein Auto packen kann, wäre im Innern des Q6 e-tron beantwortet, denn wir sitzen bereits hinter dem Lenkrad – ein wichtiger Hinweis, dass wir uns nicht etwa am Desk eines Börsentraders befinden.

Damit Menschen auf dem Beifahrersitz kein Neid befällt ob der skateboardgroßen Digitallandschaft des Zugführers, hat auch er einen (optionalen) Screen abbekommen, um nicht aus dem Fenster zu schauen oder anderen analogen Tätigkeiten nachgehen zu müssen.

Ein Klick auf den Startknopf setzt das Animationsspektakel zur Begrüßung in Gang, dabei wurden wir eigentlich schon beim Herannahen von ausgefeilten Lichtspielen der LED-Scheinwerfer willkommen geheißen. Die Heckleuchten in OLED-Technik können noch viel kunstvoller glimmen und schimmern.

Ein Hebelchen, das man spitz mit Daumen und Zeigefinger führt, aktiviert die Fahrstufe und setzt 2,4 Tonnen Leergewicht in Bewegung, eine Parkposition gibt es irritierenderweise nicht.

Zwei Elektromaschinen treiben unseren quattro an (bevor eine Heckantriebsvariante und eine mit kleinerem Akku ins Sortiment stoßen), hinten nach gängiger PSM-Bauart, vorn ein Asynchronmotor, der bei Nichtbedarf, was die allermeiste Zeit der Fall ist, ohne Schleppverluste dienstfrei gestellt wird.

Im Ernstfall liegen 285 Kilowatt Gesamtleistung an, mehr als ausreichend für fideles Vorankommen wie zum Beispiel in sportwagenmäßigen 5,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Mehr noch hat (bei gleicher Antriebshardware) die 360 kW star­ke SQ6-Variante in petto. Raum für weitere PS-Eskalation lässt die Ansage einer RS-Ausführung.

Im Bemühen, den hohen Aufbau und die Leermasse nicht den Fahreindruck bestimmen zu lassen, hat Audi jede Menge Fahrwerkstechnik aufgeboten, u. a. mit Fünflenkerachsen vorn und hinten. Und tatsächlich sind es eher die Mitfahrenden, die auf einer kurvigen Landstraße die dynamischen Grenzen setzen.

Lenkung: Extrem agil, aber auch nervös

Es ist aber auch eine Lenkung an Bord, die sagenhafte Agilität suggerieren soll und auf geringste Eingaben reagiert, die am Ende aber einen leicht nervösen Charakter offenbart. Durch die Notwendigkeit ständiger kleiner Lenkkorrekturen leidet der Geradeauslauf; Kurven durchfährt man nicht mit einem genau bemessenen Schwung, sondern mit einer Serie von Einzelbewegungen, so alert ist das Ansprechen. Unser Musiktipp an die gutmeinenden Entwickler, die offenbar jede SUV-Behäbigkeit gründlich ausmerzen wollten: Probier’s mal mit Gemütlichkeit!

Entspannung, namentlich bei der Reichweite, versprechen indes die üppige Dimensionierung des Hochvoltspeichers mit 100 kWh Kapazität (94,9 kWh nutzbar) und die 800-Volt-Architektur für hohe Ladeleistung (max. 270 kW), sprich kurze Aufenthalte am Schnelllader. AC-Laden ist auf 11 kW beschränkt. Der Verbrauch als mitbestimmender Faktor war auf ersten Testfahrten allerdings eher hoch, das muss im Alltagstest genauer überprüft werden.

Audi hat eine Tradition als Leichtbaumarke, wichtiger erscheint heute aber der zweifelhafte Komfort beidseitig elektrisch betätigter Ladeklappen und anderer Gewichts­treiber.

Das Leben an Bord – zuweilen ein bisschen anstrengend, ehrlich gesagt. Sorgfältig designte Hochwertigkeit rundum, aber Ablenkung und Aufmerksamkeitsbedarf des Home Cinema zu nennenden Infotainments mit gezählt zwei Dutzend Positionen, aus denen man sich die relevanten erst heraussuchen muss, sind enorm. Man wird sich wohl an mündliche Eingaben gewöhnen müssen.

Dabei wäre es vielleicht einmal die Überlegung wert gewesen, das Auto als Rückzugsraum vom digitalen Dauerfeuer auszugestalten, aber da sind wir noch in die Gegenrichtung unterwegs.

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