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BYD Seal: Besser als das Model 3 von Tesla?

BYD will mit der elektrischen „Robbe“ in der Premiumklasse räubern – und enttäuschte Tesla-Kunden gewinnen. Kann das gelingen?

3,8 s steht an der Heckklappe des BYD Seal. Früher hätte das auf einen Hubraum von 3800 Kubikzentimetern verwiesen, das „S“ für die Sportversion gestanden. Doch die 4,80 Meter lange Limousine aus China wird nicht von einer Verbrennungskraftmaschine angetrieben, sondern von zwei Elektromotoren. Von Zylindern und Kolbenhüben kann da eigentlich keine Rede mehr sein. Tatsächlich stehen die 3,8 für eine ganz andere Meßgröße: die Beschleunigung von Null auf 100. Exakt 3,8 Sekunden benötigt der Seal in der allradgetriebenen und besonders sportlichen Version „Excellence“, um die 100 km/h-Marke zu knacken. Damit zieht der BYD mit dem legendären Porsche GT gleich – und übertrumpft zumindest in dieser Disziplin auch die aktuelle Topversion des allradgetriebenen Model 3 von Tesla. Tempo 100 erreicht dieser Stromer erst nach 4,4 Sekunden.

Ab 47.990 Euro mit Vollausstattung

Damit sendet der BYD Seal, der in diesen Tagen nach Deutschland kommt, schon mal eine Kampfansage. An Tesla, aber auch an BMW und seinen i4, dem er eine Zehntelsekunde beim Sprint abnimmt und auch beim Preis deutlich unterbietet: Den Seal mit Heckantrieb gibt es hierzulande schon für 47.990 Euro, für den Allradler sind 53.700 Euro zu überweisen. Und da ist schon alles drin. Beim ähnlich großen „Grand Coupé“ aus Bayern beginnt der Spaß bei 56.500 Euro – und vieles muss dann noch hinzugekauft werden, was beim Seal serienmäßig an Bord ist. Wie das Panoramadach, Leichtmetallräder im 19-Zoll-Format oder ein Head-up-Display, um nur einige der Austattungshighlights zu nennen. Das Tesla Model 3 Dualmotor hat – Stand heute – zwar einen um 200 Euro niedrigeren Grundpreis. Aber mit 19-Zoll-Rädern, Metallic Lackierung und dem sogenannten Autopiloten landen wir dann auch schon bei knapp 60.000 Euro.

byd seal: besser als das model 3 von tesla?

Alles andere als zweifelhaft Ein kurzer Zwischenstopp an der Burg Zweifel im Bergischen Land gibt Gelegenheit, die von Wolfgang Egger gestaltete Karosserie blinken zu lassen. Der ehemalige Audi- und Alfa Romeo-Designer, so das Fazit, hat einen guten Job gemacht.

So viel zu den Rahmendaten, die dem Tester durch den Kopf gehen, als er in Köln den neuen Seal umkreist und sich von einem Verkäufer der Senger-Gruppe die Details erläutern lässt. Was gleich – negativ – auffällt: Der Seal hat die gleiche kleine Heckklappe wie das Model 3 – wünschenswert wäre ein Kofferraumdeckel, der wie beim Polestar 2 auch die Heckscheibe umfasst. Das würde die Beladung des 430 Liter großen und tiefen Gepäckabteils erheblich erleichtern. Ansonsten hat unser eisblauer BYD einen 53 Liter großen Frunk vorne für die Aufnahme des Ladekabels und allerlei Kleinkram sowie die beinahe gleichen ausfahrbaren Türgriffe wie der Tesla – was durchaus auf der Habenseite zu verbuchen ist.

Da scheppert nix

Dort landen auch die hochwertige Verarbeitung – die Fugenverläufe innen wie außen hätte auch einem Martin Winterkorn keine Zörnesröte ins Gesicht getrieben. Und auch Innen gibt es wenig zu meckern – da scheppert hörbar nichts. Und wie wir bei der ersten Sitzprobe feststellen, bietet der Seal nicht nur viel Platz vorne wie hinten. Auch die Qualität der – veganen – Oberflächen ist ansprechend und Premium-like.

byd seal: besser als das model 3 von tesla?

Information Overkill Zwei Monitore und ein Head-up-Display liefern den Insassen des BYD Seal jede Menge Informationen über den Zustand des Wagens, Geschwindigkeit und Fahrtroute – und bei Bedarf viel anderes mehr. Foto: BYD

Im Stil der Zeit und nach dem Vorbild von Tesla gibt es vorne einen i-Pad ähnlichen, 15,6 Zoll großen Touchscreen für die Navigation, das Infotainmentsystem sowie zur Steuerung der schier endlosen Einstellungsmöglichkeiten. Ohne das geht es heute nicht mehr. Aber dieser Bildschirm lässt sich sogar um 90 Grad drehen, um beispielsweise den Streckenverlauf im Navi-Modus besser zu überschauen. Für die wichtigstens Fahrinformationen hat BYD zusätzlich hinter dem Lenkrad ein kleines Display montiert. Und obendrein hat BYD wie im BMW ein Head-up-Display montiert. Dagegen sieht ein Model 3 geradezu ärmlich aus.

In 3,8 Sekunden auf Tempo 100

Die Sprachsteuerung – „hey BYD“ funktioniert schon erstaunlich gut. Und Fahrer und Beifahrer finden in der Mittelkonsole gleich zwei Schalen zum drahtlosen Laden ihrer Smartphones vor. So sammelt das Modell schon eine Reihe von Pluspunkten, ehe es auf eine Tour durchs Bergische Land geht. Da gibt es einen weiteren Minuspunkt: Die Sitze könnten einen Tick sportlicher sein, etwas mehr Seitenhalt bieten. Denn wenn der Fahrer am Standtrand in den Sportmodus schaltet und den 390 kW (530 PS) starken Antrieb kitzelt – wir erinnern uns: 3,8 Sekunden auf Tempo 100 – wird er bei jedem Tritt aufs Fahrpedal vehement ins Polster gedrückt. Dankenswerterweise erinnert eine Stimme aus dem Off immer wieder an die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit. Ansonsten wäre man alsbald den Führerschein los. Wen die permanenten Warnrufe stören: Sie lassen sich mit zwei Tastenklicks schnell abschalten.

byd seal: besser als das model 3 von tesla?

Flotter Feger In 3,8 Sekunden beschleunigt der BYD Seal aus dem Stand auf Tempo 100. Da kann mancher Sportwagen nicht mithalten. Foto: BYD

Die „Robbe“ drückt in schnellen Kurven zwar spürbar über die Vorderräder und schwänzelt auf nasser Fahrbahn auch gerne ein wenig. Aber ansonsten liegt sie dank des tiefen Schwerpunkt gut auf der Straße. Die (serienmäßigen) adaptiven Dämpfer sorgen zudem auf den hierzulande inzwischen recht oft holprigen Landstraßen für einen hohen Fahrkomfort. Aber die Quittung für seine sportliche Fahrweise kriegt der Fahrer wie bei allen Elektroautos spätestens an der nächsten Ladesäule. Daran ändert auch nichts die „revolutionäre“, extrem flach bauende und feuersichere „Blade Batterie“ im Fahrzeugboden nichts, die 82,5 KWh Strom speichern kann.

Ladeleistung könnte höher sein

Der Energieinhalt soll beim Allradler für angeblich für 520 Kilometer Reichweite gut sein – wenn man es denn schafft, den Normverbrauch zu treffen, der für den „Excellence“ mit 15,8 kWh/100 km angebeten ist. Bei unserem Testverbrauch von 19,9 kWh/100 km hätten wir schon nach spätestens 400 Kilometern eine Ladestation aufsuchen müssen. Und dort vermutlich eine Enttäuschung erlebt. Denn der BYD lädt zwar an einer Wallbox mit den üblichen 11 kW, am Schnellalder aber nur mit maximal 150 kW. Um den Akku wieder bis zu 80 Prozent zu befüllen, braucht es deshalb wenigstens eine halbe Stunde – da ist der Tesla (maximale Ladeleistung 250 kW) einige Minuten schneller. Dass BYD beim Seal noch nicht auf die 800-Volt-Architektur wechselte – für die neue e-Plattform 3.0 fit wäre – ist vor dem Hintergrund unverständlich.

byd seal: besser als das model 3 von tesla?

Kleine Klappe, viel dahinter Bis zu 400 Liter Gepäckvolumen nimmt der Kofferraum des BYD Seal auf. Die Beladung des Abteils wird aber durch die kleine Klappe etwas erschwert. Für das Ladekabel und Kleinkram gibt es vorne noch einen „Frunk“.

Aber nicht auszuschließen, dass die Chinesen hier bald nachlegen werden: Das BYD-Schwestermodell Tang (mit 86,4 kWh großem Akku) nimmt Gleichstrom nur mit maximal 110 kW auf – da ist der neue Seal schon einmal besser. Und wie schnell BYD auf Kritik aus dem Markt reagiert, zeigt auch der eingangs der Schriftzug auf dem Heckdeckel. Anfangs pragte hier in großen Lettern „Beyond your dreams“, um den Markennamen mit Leben zu erfüllen. Inzwischen sollten die drei Buchstaben samt Modellbezeichnung und Beschleunigungszeit reichen, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Das Auto hat es durchaus verdient. Jetzt muss nur noch das Vertriebsnetz wachsen. Aktuell hat BYD nur sieben Vertriebspartner an 17 Standorten in Deutschland. Im kommenden Jahr soll das Netz auf 100 Stützpunkte wachsen. Auch das ist eine Kampfansage.

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