Auto

Bundeskartellamt: Wettbewerbsschädliche Strukturen beim Angebot von Ladestrom

bundeskartellamt: wettbewerbsschädliche strukturen beim angebot von ladestrom

Bild: Mercedes-Benz

Das Bundeskartellamt hat den Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung zur Bereitstellung und Vermarktung öffentlicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge veröffentlicht. Der Bericht identifiziert Wettbewerbsdefizite und zeigt, durch welche Maßnahmen wettbewerbliche Strukturen besser geschützt beziehungsweise gefördert werden können, um die Attraktivität und einen erfolgreichen Hochlauf der E-Mobilität zu gewährleisten.

„Der Wettbewerb bei der Versorgung mit Ladestrom funktioniert vielerorts nicht richtig“, erklärt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. „Zahlreiche Städte und Kommunen haben geeignete öffentliche Flächen für Ladesäulen überwiegend oder sogar ausschließlich an das eigene kommunale Stadtwerk oder einzelne Anbieter vergeben. Das hat jetzt unmittelbar zur Folge, dass es in vielen lokalen Märkten nur sehr wenige Anbieter von Ladesäulen und Ladestrom gibt. Dort ist die Konzentration so hoch, dass marktbeherrschende Stellungen entstehen. Im Ergebnis haben die Verbraucherinnen und Verbraucher kaum Auswahl und die Gefahr höherer Ladestrompreise steigt, weil marktmächtige Anbieter keine Wechsel zur Konkurrenz befürchten müssen. Ein Zustand, der durch bessere Rahmenbedingungen für Flächenvergaben eigentlich vermeidbar gewesen wäre.“

Wettbewerbsschädliche Strukturen

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass insbesondere auf kommunaler Ebene eine diskriminierungsfreie Vergabe öffentlicher Flächen zu oft unterbleibt. Entlang der Autobahnen ist die Situation unterschiedlich, je nachdem, ob man bewirtschaftete Rastanlagen (solche mit Tankstelle, Restaurant etc.) oder einfache Rastplätze (reine Parkplätze, ggf. mit Toiletten) betrachtet.

An den einfachen Rastplätzen hat der Bund durch die Ausschreibung bundeseigener Flächen im Rahmen des sogenannten „Deutschland-Netzes“ die Voraussetzungen für einen offenen Marktzugang für Ladesäulen verbessert. Bei den bewirtschafteten Rastanlagen sollen aber im Gegensatz dazu Parkplatzflächen auf der Grundlage langfristiger Konzessionen weiterhin insbesondere bei der Tank & Rast-Gruppe verbleiben. „Hier besteht ebenfalls die Gefahr, dass die Tank & Rast-Gruppe durch die ausschließlich eigene Nutzung der Flächen oder die Vergabe von Flächen an nur einige wenige Ladesäulenbetreiber die Entstehung marktmächtiger Stellungen fördert“, stellt das Bundeskartellamt fest.

Gebietskörperschaften wie der Bund, Städte und Kommunen sind bei der Vergabe eigener Flächen nicht hoheitlich, sondern wirtschaftlich tätig. Sie unterliegen damit dem Kartellrecht und dürfen im Zuge der Vergabe von öffentlichen Flächen den Wettbewerb zwischen verschiedenen, um die Flächen konkurrierenden Betreibern von Ladesäulen nicht beschränken.

Preisgestaltung & Missbrauchspotenziale

Die aktuellen Preisunterschiede an den Ladesäulen könnten auf punktuell missbräuchlich überhöhte Preise hinweisen, so das Bundeskartellamt. „Wenn Anbieter über lokale Marktmacht verfügen, erhöht dies tendenziell den Anreiz und die Möglichkeit für Preiserhöhungen. Einzelne Preisüberhöhungen allein lassen allerdings noch nicht den Schluss zu, dass die Ladestrompreise in Deutschland systematisch und flächendeckend überhöht seien. Die Betreiber müssen noch ihre Investitionskosten für die errichtete Ladeinfrastruktur decken. Die Auslastung der Ladesäulen ist stellenweise aber noch sehr gering. Dies kann vereinzelt hohe Preise rechtfertigen.“

Marktstarke Anbieter verkauften vielfach nicht nur ihren eigenen Ladestrom an Endkunden. Vielmehr „tankten“ an diesen Ladesäulen auch diejenigen Autofahrer, die über eine Ladekarte Strom über Mobilitätsdienstleister beziehen. Die Preise und Bezugsbedingungen legten aber wiederum die Betreiber der Ladesäule fest. Lokal marktmächtige Betreiber könnten auf diese Weise die Strompreise dieser konkurrierenden Anbieter für Ladestrom im Verhältnis zu den eigenen Preisen missbräuchlich so hoch ansetzen, dass dem konkurrierenden Anbieter keine auskömmliche Marge verbleibt („Preis-Kosten-Schere“ oder „margin-squeeze“). „Die Konkurrenz könnte dadurch vom Markt verdrängt oder vom Markteintritt abgehalten werden, was die Marktmachtprobleme zusätzlich befördert“, erklärt das Bundeskartellamt.

„Regulatorische Eingriffe aus heutiger Sicht kontraproduktiv“

Ein kartellbehördliches Einschreiten kann laut Mundt nur von Einzelfall zu Einzelfall geprüft werden. „In der Breite werden wirksame Verbesserungen hin zu mehr Wettbewerb insbesondere durch Anpassungen des gesetzlichen Ordnungsrahmens entstehen können. Vergaben öffentlicher Flächen sollten befristet und im Wege eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens erfolgen. Auch staatliche Fördermittel müssen grundsätzlich diskriminierungsfrei vergeben werden. Öffentliche Ausschreibungen der Fördermittel wie im Rahmen des ‚Deutschland-Netzes’ sind hier das Mittel der Wahl.“

Regulatorische Eingriffe insbesondere in die Preisgestaltung wären aus heutiger Sicht kontraproduktiv, meint Mundt. „Sie können die Wirtschaftlichkeit privater Ausbauprojekte in Frage stellen, Angebote verdrängen und den angestrebten Ausbau der Ladeinfrastruktur sogar hemmen. Gleiches gilt für die derzeit geplante gesetzliche Vorgabe für Tankstellenbetreiber, in festgelegtem Umfang an ihren Tankstellen Ladeinfrastruktur zu errichten. Ein reguliertes Durchleitungsmodell wie bei den Stromnetzen ist nach unserer Einschätzung derzeit ebenfalls der falsche Ansatz. Es ist insbesondere derzeit nicht erkennbar, dass dies für Verbraucherinnen und Verbraucher zu günstigeren Ladestrompreisen führen würde.“

TOP STORIES

Top List in the World