Mobilität
Auf der Messe Eurobike in Frankfurt präsentieren zig Unternehmen Trends, Ideen und Fahrräder
Die Teststrecke sollte man zu Fuß wirklich nur an den aufgemalten Zebrastreifen überqueren.
Die Wormser Filiale der E-Bike-Kette e-Motion hat heute zu. Die Belegschaft ist geschlossen auf die Messe Eurobike nach Frankfurt gefahren. Werkstatt, Verkauf, Backoffice, alle in grünen Shirts, damit sie sich im Messegewühl nicht aus den Augen verlieren. Jetzt würden sie sich die Neuheiten anschauen, sagt Sandra Held, Leitung Backoffice.
Noch bis Freitag flanieren hauptsächlich Fachbesucherinnen und -besucher über das Areal. Natürlich sei es ein geschäftlicher Ausflug, betont Held. Man treffe etwa den Ansprechpartner bei Riese und Müller, den man sonst nur aus E-Mails oder von Telefonaten her kenne. Aber ein Ausflug ist es dennoch. Teambuilding heißt das im Sport. Held sagt: „Wir haben ein familiäres Betriebsklima.“ Alle im Geschäft hätten eine Stimme, jede Idee werde gehört. Alle seien wichtig, deswegen führen auch alle mit nach Frankfurt.
Zu entdecken gibt es reichlich. Mehr als 1900 Aussteller aus 62 Nationen, verteilt auf 150 000 Quadratmeter. Um die alle zu besuchen, müsste man mit dem Fahrrad fahren. Dafür ist es aber zu voll. Radeln kann man nur auf der ausgewiesenen Teststrecke. Dort sausen sie schon morgens unaufhörlich umher, auch mittags flaut es nicht ab. Auf den langen Gängen zwischen den Messehallen sind zwei junge Männer dagegen mit dem Skateboard unterwegs. So könnten sie die weiten Strecken besser überwinden, ruft der eine, klemmt das Brett unter den Arm und entschwindet eine Treppe hinauf. Kleiner Tipp: Bei Ruff Cycles (Halle 12) gibt es eine Skateboardhalterung fürs Rad. Noch cooler ist da nur die Surfbretthalterung am Stand von Rayvolt. Für schnell mal zum Strand radeln. Warum wir Ihnen das alles erzählen, wenn es doch nur fürs Fach ist? Weil die Messe am Wochenende auch fürs Publikum öffnet.
Und wie: 18 000 freie Stellen gebe es alleine im Handel, sagt Stephan Fuchs vom Verbund Service und Fahrrad (VSF). Fuchs und Team bespielen das Entree zu Halle 12.0 mit einer Karriere-Ecke. Vergangenes Jahr hat man rund 1000 Händler:innen befragt, wie viele Menschen sie einstellen könnten, und das Ergebnis hochgerechnet. 7000 Stellen in der Werkstatt, 6000 im Verkauf. Und das, wo die Betriebe im Jahr 800 Mechatroniker:innen ausbilden und 250 Monteur:innen. Die Lücke gelte es zu füllen, sagt Fuchs. Zum Beispiel mit Quereinsteiger:innen.
Ein paar Meter weiter informieren sich ein paar Gäste zum Thema „Reparaturannahme“. Wie er Kunden möglichst freundlich abweisen könne, weil ihm für alle schlicht die Zeit fehle, will einer wissen. „Immer etwas anbieten“, empfiehlt der Mann vom Verband. Einen Termin später im Jahr etwa. Oder auf eine andere Werkstatt verweisen. Oder Abläufe innerhalb der Werkstatt optimieren, empfiehlt VSF-Experte Ingo Witte. Da ist schon das Reparaturannahmegespräch wichtig. Mit dem Kunden oder der Kundin das Rad anschauen, klären, ob alle Ersatzteile da sind, eine Preisobergrenze absprechen und einen Abholtermin vereinbaren. „Das erspart viele Telefonate.“ Und: Auch mal loben. Etwa: „Ja, die Kette ist verschlissen – weil Sie so viel fahren.“
Mehr Fahrrad fahren müssten die Menschen, dafür setzt sich der Lobbyverband VCD ein, heute auf der Freifläche 11. Der Verband, der auch die Interessen des öffentlichen Nahverkehrs und der Fußgängerinnen und Fußgänger vertrete, hilft nach. Mit einem kostenlosen Verleih von Lastenrädern in Frankfurt, Darmstadt, Offenbach. Zu finden unter main-lastenrad.de im Internet.
Erfunden haben das die US-Amerikaner. Dort gibt es ein großes Netz von nicht asphaltierten Feuerwehrstraßen. Wie geschaffen für ein Rennrad mit breiten Reifen. Leihen kann man sich das beim Gravel Club. Und gemeinsam Touren unternehmen, erklärt Clubmitglied Bernd. Ganz entspannte Touren seien das, versichert er. „Die Langsamsten bestimmen das Tempo.“
Noch entspannter geht es womöglich beim Cyclits Cycling Collective aus Köln zu, einem feministischen Radsportverein. 100 Mitfahrende hat der inzwischen, etwa zehn Prozent Cis-Männer. Die anderen sind Flinta*. Die Abkürzung steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen. Was so kompliziert klingt, ist eigentlich nur eine Truppe, die mehr Menschen aufs Rad bringen möchte, die sich bislang womöglich nicht so trauen. „Den Radsport diverser machen“, nennt es Lara Kolleck. Denn „Radfahren ist noch immer eine Männerdomäne“, sagt Janina Rösch.
Fotos in Magazinen zeigen Männer, Heroen der Landstraße, die Berge bezwingen. Wahre Materialschlachten sind zu bewundern. In Radgruppen gehe es ums perfekte Rad, und wer die meisten Kilometer am schnellsten fahre. Bei Ausfahrten der Cyclits dürften alle mit, auch die Langsamen und die mit schäbigen Rädern. Ob sie sich denn schon all die tollen Neuheiten auf der Messe angeschaut habe? Rösch lacht. „Ja, irgendwann rutschst du da rein“, sagt sie. „Wenn man sieht, was es alles gibt.“
Die Belegschaft eines Radladens aus Worms besucht geschlossen die Messe in Frankfurt.