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Zwei ganz besondere Lamborghini

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Lamborghini Miura SV und Countach LP400

Die beiden Classic Cars Lamborghini Miura SV und der Countach LP400 parkten als Neuwagen nebeneinander in einer Garage. Nach mehr als 40 Jahren Trennung feiern wir das Wiedersehen mit einer Tour durch ihre alte Heimat.

Lamborghini Miura SV und Countach LP400 sind Classic Cars der besonderen Art und bedeuten für Gianfranco Innocenti einzigartige Erinnerungen. Wer nun von sich glaubt, gänzlich immun gegen Sozialneid zu sein, muss nur eine Minute lang zuhören, wenn ein Mann wie Innocenti sich an die Fahrzeuge seiner Jugend erinnert: “Als ich 18 wurde, kaufte mein Vater mir mein erstes Auto – einen DeTomaso Pantera”, erzählt Innocenti, der ursprüngliche Besitzer der beiden hier gezeigten Lamborghini-Modelle. Na, sind Sie jetzt nicht doch ein kleines bisschen neidisch?

Die Story geht noch weiter: “Ich besaß auch eine 750er Kawasaki”, führt Innocenti aus: “Mein Vater sagte, ich könne jedes Auto der Welt haben, wenn ich bloß das Motorrad abgäbe. Zwei Tage später saßen wir in Ferruccio Lamborghinis Büro und bestellten einen Miura SV.” Allenfalls passionierte Bahnfahrer:innen verspüren jetzt immer noch keinen Anflug von Neid. Aber wer je einem Lamborghini-Zwölfzylinder beim Frühsport zuhören durfte, wünscht sich, auch er wäre als Enkel der mit ihren Lambretta-Rollern reich gewordenen Familie Innocenti zur Welt gekommen. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

Die Jubiläums-Tour des Lamborghini Miura SV im Video:

“Mein Vater und Lamborghini kannten sich gut. Ich wollte die Spezialausstattung des Miura Jota, den stärkeren Motor und die geänderte Haube. Lamborghini stimmte zu und sagte: Ich lasse dazu für Dich gratis die Ansaugrohre polieren. Ich fuhr im ersten Jahr 20.000 Kilometer mit dem Miura, auf der Autostrada zwischen Padua und Bologna lief er 290 km/h. Danach musste ich einen Liter Öl nachfüllen. Dann kam der Countach, und mir wurde einer der ersten Kundenwagen zugesichert. Ich erhielt ihn im Juli 1974. Auch er beschleunigte fantastisch, rannte aber nicht ganz so schnell wie der Miura. Mein Vater war trotzdem erleichtert, als ich den grünen LP400 zwei Jahre später durch ein Rolls-Royce Corniche Cabrio ersetzte.”

Nun stehen beide Lamborghini zum ersten Mal wieder nebeneinander. Der berühmte Lamborghini-Testfahrer Valentino Balboni ist mit von der Partie und steuert Erinnerungen bei, denn er selbst überführte damals den brandneuen schwarzen Miura zur Familie Innocenti und kennt den Countach, seit das Modell laufen lernte: “Der Miura war besser ausbalanciert als der erste Countach. Das Countach-Getriebe wurde vor dem Motor eingebaut, und weil die neuen Pirelli noch nicht verfügbar waren, rollt der LP400 auf Reifen mit zu hohen Flanken. Der Schwerpunkt liegt deshalb zu hoch, der Countach zeigt in Kurven zu viel Seitenneigung und will selbst auf der Geraden noch übersteuern. Du brauchst ständig volle Konzentration.”

Miura SV: Schwergängige Pedalerie

Es fängt schon beim Einsteigen und Rangieren an. Der Countach gehört zu den unübersichtlichsten Sportwagen aller Zeiten. Dazu später mehr, zuerst beschäftigen wir uns mit den Eigenarten des Miura. Dessen schwergängige Pedalerie ragt so weit in den Fußraum hinein, dass Fahrer:innen mit langen Beinen die Füße stark anwinkeln müssen und es nur mit Übung schaffen, ruckfrei anzufahren. Wenigstens kollidieren die Hände beim Kurbeln am Lenkrad nicht mit den Knien, weil Tacho und Drehzahlmesser zurückversetzt hinter dem Lenkrad postiert wurden und sämtliche anderen Anzeigen in einer Art Armaturen-Penthouse über dem Getriebetunnel wohnen. Die Heckscheibe des Miura steht senkrecht direkt hinter den Köpfen der Insass:innen, im Innenspiegel sieht man die zur kontrollierten Ableitung der Motorwärme eingesetzten Luftschlitze in der Heckjalousie. Darunter haust quer zur Fahrtrichtung eingebaut der berühmte V12, gefüttert von vier Dreifachvergasern des Typs Weber 40 IDL3L.

Miura-Lenkung wunderbar austariert

Der Motor entwickelt bemerkenswert früh enorme Zugkraft, selbst bei 1800 Touren nimmt er willig Marschbefehle an, versammelt seine Kavallerie und bläst ab 4000 Umdrehungen zur Attacke. Das vordringliche Geräusch im Cockpit kommt zunächst dennoch vom Getriebe, dessen heulende Wellen und laut klackend einrastende Zahnräder den ersten Schaltvorgang akustisch präzise dokumentieren. Erst, wenn der Miura anschließend Fahrt aufnimmt und ab etwa 110 km/h im dritten Gang weiter beschleunigt, drängt sich der Motor in den Vordergrund mit seinem wilden, scharfkantigen Getöse und einer Salve von Auspuffknallern, wenn ruckartig das Gas zurückgenommen wird, um weiter hochzuschalten.

Die Lenkung ist wunderbar austariert, sie braucht zweieinhalb Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag. Der Miura muss nicht in die Kurve gezwungen, er will vielmehr mit Fingerspitzengefühl dirigiert werden – ein bemerkenswerter Kontrast zum brutalen Kraftaufwand bei jedem Schaltvorgang. Der lange Radstand nimmt dem Miura viel von der Nervosität eines Mittelmotorwagens, er treibt dir in schnellen Kurven nicht den Schweiß auf die Stirn. Allerdings erfordert das Anpeilen der Kurven Gewöhnung, denn die Distanz zwischen Fahrersitz und Vorderrädern ist beachtlich lang.

Lamborghini Countach LP400: Tacho wird teilweise verdeckt

Der Blick über die Fronthaube erinnert glatt an den Ausblick aus dem Cockpit eines Jaguar E-Type. Im Grunde bleibt nur beim Halt vor roten Ampeln genug Zeit, um die fein skalierten Jaeger-Uhren zu bewundern oder die auf dem Mitteltunnel angebrachte Metallplakette, die diesen schwarzen Miura SV als Nummer 110 aus der finalen Serie des Urvaters aller radikalen Lamborghini-Zweisitzer ausweist. Wie der Miura ist auch der Countach mit weißen Ledersitzen und einem in Schwarz gehaltenen Armaturenträger ausgestattet, doch hier liegen die acht Rundinstrumente horizontal auf einer Ebene. Tacho und Drehzahlmesser werden partiell vom Lenkrad verdeckt, doch die wirklich relevanten Bereiche ihrer Skalen, zwischen 6000 und 8000 Touren sowie zwischen 240 und 300 km/h, sind jederzeit gut erkennbar – im Gegensatz zu allem, was hinter dem Fahrersitz passiert.

Countach LP400 mit V12 und furiosen Klang

Gut, in einem Fahrzeug vom Kaliber des Countach spielt der rückwärtige Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften eine untergeordnete Rolle, denn mit dem furiosen Klang des hier längs zur Fahrtrichtung eingebauten V12 im Ohr wagt es ohnehin niemand, zum Überholen anzusetzen. Im Countach entwickelt der auf sechs Doppelvergaser vom Typ Weber 45 DCOE umgerüstete Zwölfzylinder einen Sound mit noch mehr Gänsehaut-Garantie. Die Karosserie wirkt wie aus dem Vollen gemeißelt und ist doch leichter als das in hautenger Eleganz dahinfließende Miura-Kostüm. Kupplung und Schaltung erfordern weniger Kraftaufwand, die Straße voraus breitet sich vor der ultraflach geneigten Frontscheibe aus wie in einem Cinemascope-Kinofilm. Verblüffend schnell freundet man sich mit dem Countach an und berauscht sich daran, ihn auf gerader Strecke wie ein Projektil abzufeuern.

Dieser physisch spürbare Kraftausbruch wird untermalt von einem wahren Klanggewitter und vollzieht sich mit solcher Leichtigkeit, dass er dazu verleitet, zu viel Speed in die nächste Kurve mitzunehmen. Solange der Weg stur in Richtung Horizont führt, ahnt man nicht, nach wie viel Kraftaufwand die Lenkung verlangt. Alles, was den Ur-Countach optisch auszeichnet – seine fast planen Seitenflächen, die puristische Keilform ohne Spoiler, die ästhetisch perfekten Cromodora-Räder mit schmalen Reifen –, gereicht ihm in schnell gefahrenen Biegungen zum Nachteil. Rasch wird klar, warum Testingenieur Bob Wallace gebetsmühlenhaft nach besseren Reifen rief und die Kundschaft bald nach der Markteinführung “mehr Downforce” verlangte: Der Countach schiebt und wandert alarmierend schnell zum Kuvenaußenrand.

LP400: Unfertiges Sportwagenkonzept

Genauso schnell wächst die Erkenntnis, dass wir es hier mit der unfertigen Urfassung eines fabelhaften Sportwagenkonzepts zu tun haben. Erst in der vom Rennstallbesitzer Walter Wolf initiierten Konfiguration “S” mit dem großen Heckflügel erreichte der Countach Ende der Siebzigerjahre schließlich ein Qualitätsniveau, das fünf Jahre zuvor noch unerreichbar schien: “Wir nahmen einfach Autos aus der laufenden Produktion und prüften sie anhand einer Liste auf typische Fehler”, erzählt der ehemalige Leiter des Testteams, Orazio Salvioli. “Das Arbeitstempo war gemächlich. Wenn Termine anstanden, haben wir uns beeilt. Doch die Fertigung von Miura und Countach ähnelte immer der Arbeit in einer Restaurierungswerkstatt.

Technische Daten von Lamborghini Countach und Miura

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Lamborghini Miura SV/Countach LP400

Der Countach löste den Miura ab. Schnelles Fahren wurde mit ihm nicht leichter. Noch fehlte der Feinschliff.

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Mit seiner gestreckten Silhouette wirkt der Miura optisch wie ein Wagen mit Frontmotor.

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Purist:innen schwören zwar auf die Reinheit der Linien, aber der Countach ohne Heckflügel war in Kurven ein echtes Biest.

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Der Miura bietet die bessere Rundumsicht, aber Pedalerie und Schaltung erfordern viel Kraft.

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Ab 1800/min nimmt der quer eingebaute Miura-V12 ruckfrei Gas an und dreht nahtlos bis 8000/min hoch.

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Der weit hinten längs eingebaute Countach-V12 muss weniger Masse bewegen als sein Pendant im Miura.

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Kupplung und Getriebe lassen sich im Countach leichter bedienen, die Sicht nach hinten ist gleich null.

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Valentino Balboni bei seiner Lieblingsbeschäftigung: Fahren in einem Lamborghini, am besten im Countach oder im Miura.

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Nach mehr als 40 Jahren Trennung wird das Wiedersehen mit einer Tour durch ihre alte Heimat gefeiert.

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Karsten Rehmann: “Den ersten Lamborghini fuhr ich 15 Jahre nach später als Signore Innocenti, und zu der Zeit besaß nicht nur das Auto, sondern auch ich den erforderlichen Reifegrad für einen solchen Boliden.”

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