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Lamborghini Huracán: Fahrbericht

STO, Sterrato, Spyder und Tecnica: Wir machen uns mit den vier heute noch erhältlichen Derivaten des auslaufenden Lamborghini Huracán auf den Weg durch Italien. Arrivederci, V10!

Zu aller Anfang steht der V10. Jener mittlerweile sagenumwobene 5,2-Liter, der bereits in den letzten Le­bensjahren des Gallardo zum Ein­satz kam. Vor knapp zehn Jahren ging er mit 610 PS an den Start. Bis heute hat sich daran nicht wirklich viel geändert. Zwar gab es nach ei­nigen Jahren ein kleines Upgrade auf 640 PS, doch die Grundcharak­teristik blieb über die Jahre iden­tisch: ein emotionales Sahnetrieb­werk mit wunderbar linearer Leistungsentfaltung, wie es eben nur ein Sauger kann.Denn Turbopun­ches von unten heraus sind zwar etwas Feines, doch diese fühlen sich irgendwie immer an, als wür­de ihnen oben heraus die Luft aus­gehen. Der Sauger dagegen ent­wickelt mit steigenden Drehzahlen immer mehr Kraft, was im direkten Verhältnis zu den sich ebenfalls erhöhenden Fahrwiderständen steht. Der Sauger bricht also im Fahrer-Popometer nicht ein, son­dern verlangt nach immer mehr. Dieses Gefühl von “Er will gedreht werden” kommt genau daher.lamborghini huracán: fahrbericht

Im Spyder schaut es mit der Kopffreiheit schlechter aus – zumindest mit geschlossenem Dach.

Bild: Kevin Brych / AUTO BILDDas müssen wir uns auf dieser Tour immer wieder ins Gedächtnis rufen, schließlich soll der Nach­folger noch in diesem Jahr einen aufgeladenen Achtzylinder mit Hybridunterstützung bekommen. Puristen werden sich trotzdem die Hände vor das Gesicht schlagen, aber dem Großteil der Kundschaft, der eher auf die Außenwirkung als auf die inneren Werte aus ist, dürfte es egal sein.

Die Maximalleistung liegt bei 8000 Umdrehungen an

Fahrgefühl-Fetischisten dage­gen genießen jede der 8000 Um­drehungen, bis die Maximalleis­tung anliegt. Geschaltet wird über ein Siebengang-Doppelkupp­lungsgetriebe, einen Handschalter gab es letztmals beim Gallardo. Die großen Paddel sitzen fix an der Lenksäule, und auch die restliche Bedienung ist längst nicht mehr zeitgemäß – auch wenn Lambor­ghini seinen Dauerbrenner kürz­lich mit einem aufgefrischten Info­tainment jung gehalten hat.Die Verwandtschaft zu Konzernmutter Audi lässt sich nicht verleugnen: Spiegelverstellung, Lenkradtasten, Türverriegelung – dazu die schrul­lige Blinkerbedienung wie bei ei­nem Motorrad. Wer das Glück hat, sich einen Huracán gönnen zu können, hat das alles schnell ver­innerlicht, für uns ist es immer wieder ein Aha-Moment.Auch an diesem frostigen Mor­gen, als wir in den weißen Sterrato mit seinen roten und schwarzen Details einsteigen. Mit uns unter­wegs sind drei weitere Journalisten aus England, Frankreich und Spa­nien. Dazu Lambo-Pressemann Enrico, der den Konvoi mit einem Techniker im Begleit-Urus-S an­führt und bei Bedarf als Fotoauto fungiert.Die erste Etappe führt uns zur Moto-GP-Rennstrecke in Mu­gello, an der wir für ein kurzes Be­weisfoto und den ersten Fahrzeug­tausch anhalten wollen. Auf die Strecke selbst dürfen wir leider nicht, denn so viel Zeit haben wir nicht übrig. Rund 500 Kilometer liegen vor uns, die wir zunächst auf der Autostrada unter die Räder nehmen, denn durch Bologna quält man sich am besten nicht durch die Stadt.lamborghini huracán: fahrbericht

Typisches Toskana-Bild: einsame Landstraße, Zypressenallee – in der Stille brüllt der Zehnzylinder seine Melodie in die Botanik.

Bild: Kevin Brych / AUTO BILDDoch nach ein paar Kilometern nervt uns das monotone Gezuckel. Gut, dass uns das Navi eine kurvige Alter­nativroute vorschlägt, auf der wir zum einen die Grenze der Emilia-Romagna in die Toskana überfah­ren und darüber hinaus von herr­lichen Alleenstraßen, gesäumt von den hier so typischen Zypressen, empfangen werden. Ich glaube zumindest, es sind Zypressen – was die Flora angeht, bin ich schon froh, einen Baum von einer Blume unterscheiden zu können …Trotz unseres szenischen Um­wegs und einiger Fotostopps kom­men wir nicht als Letzte am Treff­punkt an. Die beiden französischen Youtuber mit ihrem STO sind noch etwas nach uns am Ziel. Und genau dieses Geschoss übernehmen wir nun. Während der offroadige Sterrato mit seinen Stollenreifen und martialischen Anbauteilen die letzte der Sonderversionen ist, hatte der STO 2021 zuerst das Vergnügen. Er war das ultimative Tracktool der Huracán-Baureihe. Innen leer geräumt, alles voller Kohlefaser, eine eigene aktive Aerodynamik – so überzeugte er uns schon im Supertest.In ihm geht es zunächst auf eine kleine Fotorunde mit allen vier Modellen, dann wieder auf die Autobahn. Vorher entdecken wir jedoch noch einen bekannten Ortsnamen: Sant'Agata – aller­dings nicht Bolognese, sondern Sant'Agata Mugello. Aber in Italien sind ja so einige Kirchen der hei­ligen Agatha gewidmet – und da­mit oft auch die Orte selbst.Vorbei an Florenz geht es südwestlich über verschlungene Landstraßen nach Volterra. Auf einem Bergrücken inmitten einer zerfurchten Hügellandschaft gelegen, gilt sie als eine der schönsten Städte in der Toskana. Allein die Anfahrt ist ein Schauspiel, besonders bei derartigem Traumwetter und mit einem 640 PS starken und rein hinterradgetriebenen Untersatz. Doch auch die historische Altstadt und die allgegenwärtige Alabaster-Handwerkskunst sind äußerst sehenswert.

Zum Glück bröckelte bei den Gas­stößen nicht der Putz vom histo­rischen Gemäuer

Und gerade diese Altstadt haben wir nun mit unseren vier Huracán ganz für uns. Während die Kolle­gen essen gehen, toben wir uns mit Fotograf Kevin eine Stunde lang aus, positionieren die insgesamt 2530 PS zu ein paar überragenden Gruppenbildern und unterhalten nebenbei Jung und Alt. Denn zur Mittagszeit fährt alle zehn Minuten ein kleiner Schulbus auf die Piazza, und auch die städtischen Mitarbei­ter aus dem Rathaus und der an­liegenden Polizeistation haben gerade Mittagspause.Das lässt sich natürlich keiner entgehen – sie schlendern mehr oder weniger auffällig um die Autos herum, fast alle machen Fotos, einige tuscheln, manche stellen interessierte Fra­gen. Was kostet der? Wie schnell fährt der? Kann man mal den Mo­tor sehen? Die Antworten: mindes­tens 229.709 Euro (Tecnica); zwi­schen 260 (Sterrato) und 325 km/h (Evo Spyder) und: Ja, klar, ihr dürft den Zehnzylinder sogar hören. Zum Glück bröckelte bei den Gas­stößen nicht der Putz vom histo­rischen Gemäuer.Nach der Stärkung geht es wei­ter im Evo Spyder. Dem einzigen noch übrig gebliebenen “norma­len” Huracán, denn das Coupé wurde Mitte letzten Jahres einge­stellt. Auch der Spyder leistet mitt­lerweile 640 PS, kommt stets all­radgetrieben zum Kunden und liegt soundtechnisch ganz vorn. Auch mit geschlossenem Stoff­mützchen, denn in der Zwi­schenzeit hat es angefangen zu nieseln. Dabei kommt ein wei­terer Nachteil des Spyder zum Vorschein: die Kopffreiheit. Klappt das im Coupé noch sehr manierlich, kann ich hier mit meinen 1,96 Metern nicht mehr aufrecht sitzen.Nun muss es aber ein biss­chen schneller vorangehen, denn wir haben schon gewal­tig Verzug. An einer Raststa­tion wechseln wir in den Tec­nica – unser letztes Derivat für diese Reise und irgend­wie mein persönlicher Fa­vorit in der Huracán-Palette. Nicht nur, weil er der günstigste ist, sondern auch weil sie mit ihm die Baureihe optisch am gelun­gensten überarbeitet haben und er am meisten Fahrspaß bringt.

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