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USA verbannen China-Technik: Der Abschied vom Weltauto

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Der Name war Programm: 1993 brachte Ford die ersten Modelle des „Mondeo“ auf den Markt.

Die Elektroautos der „Neuen Klasse“ sind der große Hoffnungsträger für BMW . Acht Modelle, vollgepackt mit neuester Technologie, sollen in zwei Jahren fast überall auf der Welt verkauft werden. Für den amerikanischen Automarkt baut BMW die Elektroautos im mexikanischen Werk in San Luis Potosí. Die hochmodernen Batterien wird AESC aus einer neuen Fabrik im US-Bundesstaat South Carolina liefern. Sie bringen nicht nur die leistungsfähige 800-Volt-Architektur für mehr Reichweite und schnelles Laden mit, sondern sind dank ihrer Bauart in den flachen Limousinen und Kombiversionen besonders vorteilhaft. All das hat der BMW-Vorstand um den Vorsitzenden Oliver Zipse von langer Hand geplant, und alles läuft bisher wie gewünscht.

Moderne Rundzellen von AESC, dem japanischen Batteriehersteller, noch dazu in Amerika gefertigt, sollten über jeden Zweifel erhaben sein – dachten sich die BMW-Manager, als sie 2022 den Zuschlag erteilten. Und übersahen womöglich, dass die politischen Spannungen zwischen den USA und China noch zunehmen könnten. AESC gehört mehrheitlich dem chinesischen Envision -Konzern. Sollte der Handelsstreit nach der US-Wahl am 5. November eskalieren, dürften die strengen Anforderungen an die Batteriebeschaffung noch einmal verschärft werden. Ein japanischer Lieferant mit chinesischem Eigentümer könnte leicht auf die Sanktionsliste geraten.

„Das Restrisiko bleibt“

Für den BMW-Konzern und seine große Elektro-Hoffnung in dem so wichtigen US-Markt wäre das der GAU. „Die derzeitigen Rahmenbedingungen erlauben einen planmäßigen Ausbau der Produktion, zu möglichen, zukünftigen politischen Szenarien und deren Auswirkungen äußern wir uns nicht“, sagt ein Unternehmenssprecher dazu. „Das Restrisiko bleibt“, sagt indes ein früherer BMW-Manager, der daran erinnert, dass der Konzernvorstand seinerzeit die Überlegung verworfen hatte, die AESC-Batterien durch die leistungsschwächeren, aber geopolitisch unverdächtigen Produkte des rein japanischen Wettbewerbers Panasonic zu ersetzen.

Das Kräftemessen zwischen den Großmächten Amerika und China wird für die Autoindustrie zu einer der größten Belastungen, seit Henry Ford zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Auto via Fließbandfertigung zur Massenware machte. Der Ford -Konzern war es auch, der später die „Weltauto“-Idee propagierte. Damals, 1993, brachte der älteste amerikanische Autohersteller die ersten Modelle des „Mondeo“ auf den Markt – global weitgehend einheitliche Fahrzeuge, die auf gemeinsamen Plattformen basierten und sich auch im Design ähnelten. Jetzt driften die Weltmächte auseinander. Freihandel wird durch Hegemonie ersetzt. Und die Autohersteller sind gezwungen, ihre Lieferketten zu regionalisieren.

Fahrzeuge steckten in US-Häfen fest

Der Handelsstreit zwischen Washington und Peking hat bisher zu Einfuhrzöllen für chinesische Elektroautos von 100 Prozent geführt. Auch deutsche Hersteller haben die Folgen schon zu spüren bekommen, wenn sie wie BMW in ihrer Lieferkette chinesische Bauteile verwenden, die mit Sanktionen belegt sind. 8000 Autos der BMW-Marke Mini standen bei amerikanischen Händlern auf den Höfen und konnten nicht ausgeliefert werden, weil der Vorvorlieferant eines amerikanischen Zulieferers ein Elektroteil aus der chinesischen Provinz Xinjiang bezogen hat, die amerikanische Behörden unter Zwangsarbeitsverdacht gestellt haben. Das Gleiche ist dem Volkswagen -Konzern passiert. Mehr als 10.000 Fahrzeuge seiner Marken Audi, Bentley und Porsche hingen in amerikanischen Häfen wegen eines Bauteils fest, das im Einkauf etwa 90 Cent kostete und im Frühjahr mit viel Aufwand getauscht werden musste.

All das, so schätzen Branchenkenner, ist nur ein Vorbote. Amerika ziehe die „Wagenburg“ hoch, sagt ein Manager. Chinesische Technik werde so weit wie möglich vom US-Markt verbannt, und ob nach der Wahl Donald Trump oder seine demokratische Widersacherin Kamala Harris regiere, mache für die industriepolitische Grundlinie wenig Unterschied. Zu deren Kernzielen gehört, die heimische Industrie zu schützen und ihr Zeit zu verschaffen, um den Vorsprung der Volksrepublik in Schlüsseltechnologien wie der Batteriezelle oder bestimmter Netzwerktechnik aufzuholen.

Die deutschen Autokonzerne, aufs Engste mit China verbunden, hängen sprichwörtlich zwischen Baum und Borke. „Jetzt verdichtet sich die Zweiteilung der Welt“, heißt es aus dem Management eines großen Herstellers. Die Europäische Union ist mit Importzöllen auf chinesische Elektroautos auf einen Konfrontationskurs eingeschwenkt, wenn auch viel vorsichtiger als Amerika. Erwartet wird, dass die USA Druck ausüben, um die EU noch stärker in ihre Strategie der Abgrenzung einzubinden.

Schon in den vergangenen Jahren haben sich die Autowelten in China und dem Westen auseinanderentwickelt, ob bei Elektroautos oder im autonomen Fahren. Manche versuchen indes, Brücken zu bauen. CATL, der chinesische Weltmarktführer für Batteriezellen, hat eine Lizenzvereinbarung für die Batterieproduktion mit Ford geschlossen. Das könnte eine Lösung sein, um das Wissen chinesischer Konzerne zu nutzen und sich gleichzeitig vor nachträglichen Maßnahmen durch die amerikanische Regierung zu schützen. Ob das gelingt, ist indes fraglich. Denn die Skepsis gegenüber Fords Kooperation mit CATL ist groß im Kongress in Washington. Der damalige Chef des China-Komitees im Repräsentantenhaus, der frühere republikanische Abgeordnete Mike Gallagher, fand es „unethisch“, dass Ford für die Kooperation Subventionen bekommt. Die Abgeordneten verlangten zudem Einblick in die Vereinbarung. Ford plant inzwischen nur noch mit einer kleineren Fabrik.

Auch umgekehrt gibt es Probleme

Umgekehrt geraten westliche Firmen in China in Schwierigkeiten, wenn sie amerikanische Technik nutzen. Der amerikanische Elektropionier Tesla bemüht sich seit Monaten, sein Fahrassistenzsystem „Full Self-Driving“ in China zu starten. Erst in der vergangenen Woche hieß es in der Parteizeitung „China Daily“, dass das Unternehmen von Elon Musk noch immer kein grünes Licht bekommen habe. Die größte Hürde sei die Datensicherheit. Ausländische Firmen dürften nicht unabhängig geographische Daten sammeln und müssten mit lokalen Partnern kooperieren. Die Amerikaner gehen nicht anders vor. „Gerade bei der Datenökonomie wird der Hegemonieanspruch der USA sehr stark ausgespielt“, sagt ein Manager, der westliche und chinesische Technologiefirmen berät.

Deutschland bemüht sich weiterhin um Kooperation. Im April gab es ein Abkommen der Bundesregierung mit China zum autonomen Fahren, im Juni folgte ein weiteres zum Datenaustausch rund ums Auto. Das amerikanische Handelsministerium hingegen hat gerade seinen Entwurf für ein neues Gesetz zu vernetzten Fahrzeugen veröffentlicht. Kameras, Mikrofone, GPS-Geräte oder andere Hardware und Software mit Verbindung zum Internet: All das will Handelsministerin Gina Raimondo von amerikanischen Straßen verbannen, wenn es in China oder Russland „entworfen, entwickelt oder hergestellt“ wurde, von dort geliefert wird oder auch nur in irgendeiner Form mit dort ansässigen Personen oder Unternehmen zusammenhängt.

Betroffen sind Unternehmen wie Continental , einer der größten Autozulieferer der Welt. Der Dax-Konzern aus Hannover nutzt wie die meisten Wettbewerber die Kostenvorteile des chinesischen Produktionsstandorts und liefert beispielsweise Telematik aus der Volksrepublik an Kunden auf der ganzen Welt – auch in die Vereinigten Staaten. Wirtschaftlich ergebe ein Anti-China-Block für vernetzte Fahrzeuge nur Sinn, wenn Amerika die Europäer „an Bord“ habe, lautet die Einschätzung der Rhodium Group, einer internationalen Denkfabrik.

Entwicklung der Situation in den USA entscheidend

Die deutschen Autohersteller produzieren zum Teil in Amerika, liefern aber auch Fahrzeuge aus Europa dorthin. In den Vorstandsetagen nimmt die Nervosität mit Blick auf die US-Wahl zu. Derzeit nehme Amerika mit bestimmten Initiativen die Produkte und Bauteile aus China in den Fokus, heißt es etwa von VW. Allerdings liefen die Vorgänge noch, und die Gesetzgebung sei nicht abgeschlossen. „Daher können wir aktuell noch keine belastbare Aussage über Umfang und Auswirkungen dieser Regulierungen auf unsere Produkte und Lieferketten treffen.“ Ganz grundsätzlich beobachte man „eine Fragmentierung der Globalisierung“ und dass sich „Märkte bei Technologien auseinanderentwickeln“, sagt ein Sprecher.

Mercedes gibt zu, dass man die „Entwicklung der Situation in den USA“ sehr genau beobachtet. Ein Konzernsprecher will aber nicht sagen, wie man sich für den Fall verschärfter Handelsbarrieren wappnen kann. Auch die Zulieferer geben sich angesichts der heiklen Lage zurückhaltend. Dabei werden die Anforderungen, die Großkunden wie VW an sie stellen, immer konkreter. Sie reichen bis hin zu der Auflage, dass die Hersteller von Komponenten garantieren müssen, Produkte ohne Bauteile aus China zu liefern. „Wir bauen immer nach der Spezifikation unserer Kunden“, sagt ein Sprecher des Zulieferers ZF . „Wenn der Kunde keine Bauteile aus China möchte, nutzen wir keine Bauteile aus China.“ Bosch bestätigt lediglich die „kontinuierliche Überprüfung lokaler Regulierungen und Kundenanforderungen“.

Den Preis zahlt der Autofahrer. Denn der Rückgang der globalen Arbeitsteilung treibt die Entwicklungskosten nach oben. BMW, Volkswagen, Mercedes Benz und Co. werden voraussichtlich zwei unterschiedliche Technologien – in der Fachsprache heißt das „Technology Stacks“ – für China und die Vereinigten Staaten anbieten. „Am Ende wird das Bestreben, chinafreie Autos zu produzieren, die Fahrzeuge verteuern, weil die Hersteller bislang die Länder, in denen sie Komponenten bestellt haben, vor allem danach ausgesucht haben, wo es am kostengünstigsten war“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management. Dann wird die Neue Klasse von BMW auch eine teure Klasse.

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