Die Auto China 2024 in Peking überrollt einen förmlich mit ihren Neuheiten. Gerade die Hersteller aus China zeigen eine schier unüberschaubare Zahl neuer Modelle – zumeist Crossover ohne eigene Seele oder zumindest ein markantes Gesicht. Das macht ihnen einen vermeintlichen Start in Europa schwerer denn je.
Ein Rundgang durch die acht Messehallen der Auto China 2024 ist anstrengend. Das Messegelände nahe des Flughafens ist enger und deutlich kleiner als sein Gegenüber in Shanghai, wo die Auto China im jährlichen Wechsel jeweils im April stattfindet. Die Scheinwerfer sind gleißend, die LED-Displays gigantisch und es ist so voll, als würden die ausgestellten Messefahrzeuge verschenkt.
Im Nirwana der automobilen Austauschbarkeit
Doch was den zahllosen Neuheiten auf der Auto China ganz augenscheinlich fehlt, ist ein Markengesicht. Viele Marken oder die meisten Modelle verlieren sich im Nirwana der automobilen Austauschbarkeit. Auch wenn viele Designer, die ehemals bei europäischen und US-amerikanischen Marken Ikonen kreieren oder weiterentwickeln mussten, mittlerweile das Lager gewechselt und bei den chinesischen Firmen angeheuert haben, fehlt den meisten Modellen auf der Auto China ebenso ein markantes Gesicht wie den Fahrzeugen im überfüllten Straßenverkehr von Shanghai, Wuhan oder Peking.
Die chinesischen Marken haben gerade während der Covid-Pandemie gigantisch aufgeholt, und vorbei sind die Zeiten, in denen die europäischen Modelle ebenso scham- wie ideenlos abgekupfert wurden. Natürlich sieht der Xiaomi SU7 aus wie eine mäßige Kopie des Porsche Panamera und Land Rover Defender oder Mercedes G-Klasse, auf der Messe erstmals auch elektrisch zu bestaunen, finden in den Messehallen mehr als nur einen China-Zwilling. Doch der Umstieg in die Elektromobilität mit dem Verzicht auf zwingende Kühleröffnungen an der Front und der Umstieg auf schmale LED-Augen als Scheinwerfer machen vielen Marken eine Identitätsfindung augenscheinlich schwer.
An markanten Gesichtern hapert es
Allenthalben dominieren millimeterschmale LED-Leisten an Front und Heck, ausschweifende Lichtinstallationen, wenn man sich dem Fahrzeug nähert und eine Flut an Projektionen und Logos, wohin man auch schaut. Doch an markanten Gesichtern hapert es. Da wundert es nicht, dass Mercedes auf dem ikonischen Markengesicht seiner kantigen G-Klasse herumreitet, BMW sich mit der Neuen Klasse bemüht, die Doppelscheinwerfer behutsam weiterentwickelt in die Zukunft zu retten und Audi allen E-tron-Trends zum Trotz an seinem Singleframe-Kühlergrill festhält, auch wenn die Elektromodelle längst keine großen Kühler mehr benötigen. Trotzdem ist der chinesische Luxushersteller Hongqi nicht der Einzige, der bei seinen neuen Modellen auf gewaltige Kühler, bestenfalls sich aufrecht in den Fahrtwind reckend, setzt.
Zeekr Mix / Press-Inform
Und auch die Konzeptstudie des VW ID.Code, die für Volkswagen nicht nur in China ein neues Designzeitalter für Elektroautos einläuten soll, wirkt bei aller Gefälligkeit und gelungenen Proportionen recht beliebig an Front wie Heck. Marken, die die Gesichter besser und insbesondere markiger hinbekommen sind Polestar, Mazda, Volvo, Hongqi oder Li Auto mit ihren Modellen, die klassenübergreifend einem Wiedererkennungswert besitzen. Fahrzeuge wie der Robocar 07 oder der obige Zeekr Mix zeigen, dass es auch anders und betont mutig geht. Und gerade das scheint bei dem Überangebot der chinesischen Marken – auch vor einem etwaigen Marktstart in Europa oder Nordamerika – wichtiger denn je.