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Marko über Berger - Formel 1 - MOTORSPORT

Helmut Marko beschreibt, warum Gerhard Berger nie Formel-1-Weltmeister wurde, obwohl er vom Talent her locker das Zeug dazu gehabt hätte

Marko über Berger - Formel 1 - MOTORSPORT

Gerhard Berger ist, unglaublich, aber wahr, 65. Der ewige Lausbub aus Wörgl hatte am 27. August Geburtstag, fuhr danach als Gast zum Grand Prix von Italien in Monza – und war am Montag beim Stanglwirt in Going, wo ihm ServusTV anlässlich seines Ehrentags eine ganze Sendung Sport und Talk (diesmal ausnahmsweise nicht aus dem Hangar-7) widmete. Unter den geladenen Gästen: Helmut Marko.

Marko ist ein langjähriger Wegbegleiter des bisher letzten österreichischen Grand-Prix-Siegers in der Formel 1, und einer, der Berger in seinen Anfangsjahren im Motorsport unterstützt hat. Berger selbst sagt über Marko: “Ich weiß nicht, ob ich heute dasitzen würde ohne Helmut.”

Und er erinnert sich: “Meine Karriere war ja schon fast zu Ende, als ich den Helmut kennengelernt habe, als der Helmut aufgetaucht ist in Hockenheim.” Eine Begegnung im Rahmen eines Formel-3-Wochenendes, die Berger “einfach als Riesenglück” bezeichnet.

Hockenheim 1982: Was ist da passiert?

Denn: Berger stand am Ende seiner Motorsportsaison 1982 vor dem Ende seiner Karriere. Zwar hatte er sich bei verschiedenen Autorennen als durchaus talentiert erwiesen. Doch es fehlte das Geld, um das Fernziel Formel 1 weiterhin verfolgen zu können.

In seinem Buch Grenzbereich (erschienen 1989 beim Orac-Verlag in Wien) hat Berger aufgeschrieben, dass er “eigentlich schon mehr mit der Zukunft der Europatrans beschäftigt war als mit dem Rennfahren”; also mit dem Speditionsunternehmen seines Vaters Johann.

Marko wollte in Hockenheim erfahren, was Berger denn 1983 so vorhabe, und ließ ihn dann wissen: “Ruf mich einmal an, dann kommst zu mir nach Graz, und dann reden wir miteinander. Vielleicht finden wir zusammen ein Geld.”

Berger kam also nach Graz, war eigenen Angaben nach gleich zum ersten Termin “ein bisserl spät dran” – und kassierte dafür seinen ersten Rüffel vom “Doktor”, wie Marko in der österreichischen Rennsportszene schon damals voller Respekt genannt wurde: “Freund, Pünktlichkeit!”

Marko brachte Berger daraufhin mit Burghard Hummel zusammen, einen der wichtigsten Strippenzieher hinter den Kulissen des österreichischen Motorsports der vergangenen Jahrzehnte. Auch dort eckte Berger erstmal an.

In Grenzbereich schreibt Berger selbst: “Als ich [nach dem ersten Treffen mit Hummel] wieder zu meinem schwarzen Porsche marschiert bin, den ich eine Stunde zuvor mit qualmenden Reifen eingeparkt hatte, rief mir der Hummel noch nach: ‘Einen Rat möchte ich dir geben, Berger. Bevor du zu einem Sponsor gehst, verkauf deinen Porsche. Oder komm wenigstens mit einem anderen Auto. Weil wenn der Sponsor sieht, dass du ein besseres Auto fährst als er, wird er dir wahrscheinlich kein Geld geben.”

Berger befolgte den Rat, verkaufte seinen Porsche und legte sich stattdessen einen bescheideneren Audi 100 zu. Was Hummel sehr imponierte. Der Rest ist dann Geschichte: Berger stieg 1984 in die Formel 1 auf, gewann 1986 auf Benetton seinen ersten von insgesamt zehn Grands Prix und war jahrelang einer der bestbezahlten Rennfahrer der Welt.

Berger: “Riesenglück, dass Helmut in Hockenheim war”

Heute sagt er: “Es war einfach ein Riesenglück, dass Helmut auch in Hockenheim war und sich dann mir ein bisschen angenommen hat, und mir die die Augen geöffnet hat, was Rennsport heißt und was Profirennsport ist. Ich kam ja da aus den Bergen, und trainiert habe ich in den Wäldern, mit irgendwelchen Schrottautos. Ich hatte keine Ahnung, was Profirennsport wirklich ist.”

Jetzt, mit 65, könne er aber “den einen oder anderen Fehler eingestehen”, lacht Berger bei ServusTV und sagt, es sei “sicherlich einer meiner größten Fehler” gewesen, den Weg mit Helmut Marko frühzeitig wieder zu verlassen.

“Als ich dann schon Formel 1 gefahren bin, als die Erfolge gekommen sind, haben sich natürlich Gruppen von Leuten um mich gebildet, die den ganzen Tag gesagt haben, wie toll ich bin. Und das habe ich natürlich auch noch gern geglaubt.”

Marko gehörte aber nicht zu diesen Schulterklopfern: “Der Helmut war dann am Telefon, hat gesagt: ‘Was bist denn da schon wieder für einen Scheiß zusammengefahren?’ Und das war natürlich unangenehm. Der Helmut war immer unangenehm. Aber das war genau das, was notwendig war für einen jungen Sportler. Und somit habe ich vielleicht den Helmut viel zu wenig genutzt, weil er wäre natürlich der perfekte Mann gewesen für die Begleitung der kompletten Karriere.”

Wie Marko vom jungen Berger schwärmt

Eine Karriere, die letztendlich nicht durch einen WM-Titel in der Formel 1 gekrönt wurde. Berger war zweimal WM-Dritter, 1988 und 1994, aber Marko ist heute noch überzeugt: “Er hat das Potenzial zu Weltmeisterschaften gehabt. Er hat das Potenzial gehabt, ein ganz Großer zu werden.”

Denn: “Ich habe gleich gemerkt, dass das ein außerordentliches Talent ist. Wie Gerhard gesagt hat: Er ist da aus den hinteren Bergen von Tirol gekommen. Alle anderen sind schon fünf oder zehn Jahre Go-Kart gefahren. Das heißt, er hat einen wahnsinns Trainings- und auch Wissensnachteil gehabt – und war trotzdem mit den Leuten, die zu der Zeit schnell waren, auf einem Level.”

“Nicht so erfreut” habe Marko dann, “dass er aus seinem Talent nicht das gemacht hat, was möglich gewesen wäre.” Denn Berger sei “sehr gern Ski gefahren, aber Skifahren und Motorracing ist was anderes. Du brauchst Nacken, du brauchst diese ganze Kraft da oben drinnen, und da waren einige Rennen …”

Ein Punkt im Interview, an dem Berger lachend dazwischen grätscht: “Helmut, wir müssen nicht alles erzählen! Wir können auch mal was weglassen.” Doch Marko lässt sich davon nicht aus der Erzählung bringen: “Das ist der Grund, warum du nicht Weltmeister geworden bist.”

Andererseits hatte Berger laut Marko “schöne, gut bezahlte Jahre bei Ferrari, war dort der geliebte Nummer-1-Fahrer, und er ist zu McLaren gegangen. Dort war Senna. Der hat ein Image gehabt, so wie der Verstappen. Da wollte eigentlich niemand sein. Und er wollte das wissen, hat das auf sich genommen. Und das zeigt, welchen Wettbewerbsgeist er in sich hatte.”

Marko erinnert sich noch an Bergers ersten McLaren-Grand-Prix, in Phoenix 1990. Berger fuhr dort aus dem Stand gleich mal auf Poleposition, ehe er das Auto im Rennen in die Leitplanken setzte. Berger erinnert sich: “Da hab’ ich eigentlich geglaubt, das ist schon alles gegessen mit dem Senna. Aber es war dann doch nicht so.”

Als es für Berger nach dem Wechsel von Ferrari zu McLaren nicht so lief, wandte er sich doch wieder seinem alten Förderer Marko zu. “Ein Jahr lang” sei dieser als eine Art Mentor und Manager an seiner Seite gewesen. Was viele heute gar nicht mehr wissen.

Marko: Berger wollte Sennas Überlegenheit nicht wahrhaben

Marko erinnert sich: “Als dann plötzlich der Senna schneller war, das ist nicht in seinen Kopf gegangen. Da kamen Konspirationstheorien auf. ‘Der kriegt anderes Material, was ist da los?'” Dabei hatte Sennas teaminterne Dominanz nur sehr wenig mit unterschiedlichem Material zu tun.

Marko fand heraus, dass Senna um zehn Prozent weniger Sprit verbrauchte als Berger. Hochgerechnet auf das Rennen “sind das fünf Sekunden”. Und der geringere Spritverbrauch lag auch daran, dass Senna durchtrainierter war als Berger. Weniger Gewicht bedeutet weniger Benzinverbrauch.

Marko lächelt, wenn er sagt: “Gerhard war um die Zeit schon recht gut und angenehm unterwegs, wenn man diese Formulierung wählen möchte.” Sprich: Es war ihm wichtiger, die schönen Seiten des Lebens zu genießen, als wie Senna mit kilometerlangen Strandläufen zu trainieren.

Und trotzdem war Berger irgendwie auch Wegbereiter für Markos späteren Erfolg als Motorsportkonsulent bei Red Bull. Denn der damals noch junge Rennfahrer was eins der ersten Testimonials des Jungunternehmens Dietrich Mateschitz für Red Bull.

Marko erinnert sich ans Jahr 1986: “Gerhard hat den Grand Prix von Mexiko überraschend mit dem Benetton gewonnen, hat eine Dose Red Bull getrunken – und am nächsten Tag war Red Bull in Österreich ausverkauft. Und das hat die Liebe vom Dietrich zum Motorsport, zur Formel 1, noch wesentlich erhöht, und hat auch die Investitionen, die dann gekommen sind, leichter gemacht.”

Das komplette ServusTV-Video mit dem Interview mit Gerhard Berger zu dessen 65. Geburtstag (57 Minuten) gibt’s jetzt auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de zu sehen.

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