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Ineos Fusilier stromert dem Mercedes EQG hinterher

Der britische Autobauer stellt dem Grenadier mit dem Fusilier einen kompakten SUV mit Elektroantrieb zur Seite. Wahlweise mit Range-Extender.

Eigentlich sollte der Fusilier ja die Hauptrolle spielen, der neue vollelektrische SUV. Doch als Ineos-Besitzer Sir Jim Ratcliffe bei der Weltpremiere vor seinem Londoner Lieblings-Pub zum neuen Elektroauto befragt wird, macht der Chemieingenieur und Multimilliardär aus seinem Herzen keine Mördergrube – und rechnet scharf mit der Industriepolitik der EU ab. „Man kann die Menschen nicht zwingen, eine bestimmte Art von Auto zu kaufen“, mahnt der Geschäftsmann und straft damit die Fokussierung der klimabewegten Politiker auf die Elektromobilität ab. Einmal in Fahrt, legt Ratcliff gleich nach. „Die Menschen stimmen mit den Füßen ab und kaufen diese Fahrzeuge nicht!“

Allerdings muss sich auch ein Mann mit einer derart klaren Meinung den Gegebenheiten den Brüsseler Vorgaben beugen: Stand heute werden in der EU ab 2035 keine neuen Autos mit Verbrennungskraftmaschine mehr verkauft werden dürfen. „Als europäischer Automobilhersteller muss man ein grünes Modell im Angebot haben, sonst kann man nicht überleben“, gibt Ratcliffe zu. Er macht damit implizit klar, dass für ihn der vollelektrische Ineos Fusilier das eher ungeliebte Modell ist: Der Firmeninhaber bevorzugt die Variante mit Range Extender.

ineos fusilier stromert dem mercedes eqg hinterher

„Ohne grünes Modell kann man nicht überleben“ Ineos-Boss Sir Jim Ratcliffe kann dem geplanten Verbrennerverbot 2035 nicht viel abgewinnen. Seinen Elektro-SUV bietet er eher notgedrungen an – und favorisiert die Version des Fusilier mit Range Extender.

Die soll über eine Batterie mit einer Kapazität von 50 Kilowattstunden(kWh) verfügen und dank der Stromversorgung durch den zum Generator umfunktionierten Verbrennungsmotor eine Gesamtreichweite von rund 700 Kilometern haben.

„BEVs“, erläutert der Firmenchef, „eignen sich perfekt für bestimmte Anwendungen, wie kürzere Strecken und Lieferdienste im städtischen Umfeld. Allerdings müssen Industrie und Politik auch realistische Erwartungen in andere Technologien setzen, die dazu beitragen können, das notwendige Tempo des Wandels zu beschleunigen. Aus diesem Grund bieten wir die Möglichkeit eines zusätzlichen Antriebs für den Fusilier, der die Emissionen drastisch senkt und gleichzeitig die erforderliche Reichweite und Betankungsfähigkeit bietet.“

Markteinführung Anfang 2027

Die technischen Details sind noch nicht in Stein gemeißelt, da die ersten Prototypen erst im nächsten Jahr getestet werden und der Ineos Fusilier wohl erst Anfang bis Mitte 2027 beim Händler steht. So soll erst im Herbst 2024 entschieden werden, welche Art von Triebwerk als Reichweitenverlängerer dienen wird. Es könnte ein Dreizylinder, Vierzylinder oder gar ein Wankelmotor sein. Auch ein Zweizylinder ist noch in der Diskussion. Allerdings spielen da die Vibrationen eine Rolle.

„Wir brauchen keinen Hightech-Motor“, erklärt Chefingenieur Hans-Peter Pessler. Das macht aus technischer Sicht auch Sinn, da der Verbrenner nicht direkt am Vortrieb beteiligt ist und deswegen nur in einem Betriebszustand betrieben wird. Zuverlässigkeit und ein geringer Verbrauch sind wichtiger.

ineos fusilier stromert dem mercedes eqg hinterher

Wahlweise mit Range Extender Vom kompakten SUV Fusilier wird Ineos auch eine Version mit Range Extender anbieten – für Kunden, denen eine elektrische Norm-Reichweite von 400 Kilometern nicht reicht. Fotos: Ineos

Bei den anderen technischen Attributen sind beide Fusilier-Varianten grundsätzlich identisch. Hier wie da kommen die Akkus von Samsung und bestehen aus prismatischen Zellen. Allerdings hat der Energiespeicher beim vollelektrischen Modell eine Speicherkapazität von rund 100 kWh, was für etwa 430 Kilometer Fahrstrecke reichen soll. Für den Vortrieb sorgen zwei permanenterregte Elektromaschinen (PSM) mit jeweils 190 kW (258 PS) Leistung an der Vorder- und Hinterachse. Somit steht eine Spitzenleistung von 380 kW oder 517 PS zur Verfügung, um das rund 2,7 Tonnen schwere Gefährt in weniger als sieben Sekunden auf Tempo 100 zu beschleunigen. Das maximale Drehmoment verraten die Techniker noch nicht. Sie deuten aber an, dass es hoch genug sein wird, um dem Fusilier eine Steigfähigkeit von 100 Grad zu verleihen.

Skateboard statt Leiterrahmen

Damit das auch klappt, hat der rund 4,50 Meter lange Geländewagen an der Hinterachse ein Untersetzungsgetriebe, das in den PSM-Motor integriert ist. Dazu kommen zwei mechanische Quersperren für die Achsen und eine virtuelle zentrale, die mithilfe der Ansteuerung der beiden E-Maschinen realisiert wird. Um den Fusilier auf die Beine zu stellen, nutzen die Ingenieure nicht wie sonst bei Geländewagen üblich einen Leiterrahmen mit zwei Starrachsen, da der Rahmen der Batterie im „Weg stehen“ würde. Stattdessen steht das E-SUV auf einer Skateboard-Plattform, was Ineos auch eine gewisse Variabilität bei der Wahl des Aufbaus lässt. Soll heißen: Es könnten durchaus weitere Derivate folgen. Vom größeren, 4,90 Meter langen Grenadier bietet Ineos eine auf 5,44 Metergestreckte Pickup-Variante namens Quartermaster an. Und möglicherweise bald auch eine Version mit Brennstoffzelle.

Gebaut wird der Ineos Fusilier übrigens nicht in Hambach, sondern in Graz bei Magna. „In der gleichen Fabrik wie die Mercedes G-Klasse“, merkt Ratcliffe nicht ohne Stolz an. Dass man auf die Magna-Expertise bei der Fertigung eines Geländewagens setzt, ergibt aus der Sicht eines jungen Autobauers Sinn. Warum der Fusilier aber wie eine Miniaturausgabe der Stuttgarter Off-Road-Ikone (von der es noch in diesem Jahr eine Elektro-Version namens EQG geben wird) aussehen muss, erschließt sich nicht ganz. Zumal Unternehmenschef Ratcliffe die Vision hat, Ineos als vollwertigen Autobauer mit mehr als nur drei Baureihen auf dem Markt zu etablieren. Um ein Gesicht in der Menge der Crossover und SUVs zu sein, bräuchte man eigentlich ein unverwechselbares Antlitz – und keine Kopie.

Preise um die 70.000 Euro

Zumal die Ambitionen für den Fusilier durchaus ambitioniert sind. Pro Jahr wollen die Briten 40.000 bis 50.000 Einheiten des Modells absetzen. Dabei sollen natürlich Märkte wie die USA und China eine wichtige Rolle spielen. Ob in diesen Regionen auch eine eigene Produktion des Fusilier aufgebaut wird, steht noch in den Sternen. In den Gedankenspielen der Ineos-Macher spielt das aber durchaus eine Rolle.

ineos fusilier stromert dem mercedes eqg hinterher

Wie aus dem Gesicht geschnitten Die Ähnlichkeiten zwischen dem Ineos Fusilier und dem – ebenfalls bei Magna in Graz produzierten – Mercedes EQG stechen ins Auge. Allerdings soll der 4,60 Meter lange Stromer bereits Ende 2024 auf den Markt kommen, der Fusilier erst 2027.

Offen ist noch Preis. Der Ineos Fusilier, hieß es bei der Premiere, soll sich im Bereich des größeren, Grenadier Station Wagon (zwischen 71.140 und 81.890 Euro) bewegen, der dem Landrover Defender nachempfunden ist. Eine Konkurrenz mit dem Mercedes EQG (ab knapp 200.000 Euro), der kommenden vollelektrischen G-Klasse, wird ausdrücklich ausgeschlossen.

Das ist auch ganz im Sinne von Sir Jim: „Wir sollten Entscheidungen hinterfragen und nicht den anderen Schafen folgen!“

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