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Hyundai Ioniq

Hyundai Ioniq 5N im Test: Das Biest im Wolfspelz

Dieses Elektroauto polarisiert: Der Hyundai Ioniq 5N kommt nicht nur mit bis zu 478 kW (650 PS) im Booster-Modus daher, sondern kann innen wie außen wie ein Verbrenner klingen und simuliert sogar Schaltvorgänge inklusive mitunter kräftig ruckelnder Verzögerung. Das führt bei vielen Freunden des sanften und leisen elektrischen Fahrens für Nasenrümpfen, doch Fans vom sportlichen und nicht immer vernünftigen Fahren kommen eher auf ihre Kosten. Der 5N ist knapp 4,72 Meter lang und bewegt sich damit im oberen Bereich der Kompaktklasse.

hyundai ioniq 5n im test: das biest im wolfspelz

Daniel Krenzer

Wir haben uns den irren 5N zwei Wochen lang näher ansehen können. Folgende Punkte sind uns dabei besonders aufgefallen:

Die Pluspunkte des Hyundai Ioniq 5N

Der Fahrspaß: Halleluja, ist das eine Rakete! Schon der Ioniq 5 als Allradvariante ist ja ein durchaus forsches Elektroauto, doch während sich die Performance beim “normalen” Ioniq überwiegend aufs Geradeausfahren bezieht, ist der 5N ein echter Rennwagen und Kurvenräuber – und geradeaus regelrecht ein Düsenjet. Vor allem, wenn man den “NBG”-Button drückt, was für N Grin Boost steht, wobei das N für den Nürburgring steht, genauso gut aber für Nahtoderfahrung stehen könnte; denn wer nicht aufpasst, kann sich mit dieser bekloppten Kiste auch schnell ins Jenseits schießen.

Zum einen peitschen im Boost-Modus bis zu 740 Newtonmeter Drehmoment den Kompaktwagen irrwitzig nach vorne, zum anderen wird der imitierte Sechs-Zylinder-Motorensound noch einmal deutlich präsenter. Und diese enorme Wucht zieht der 5N gnadenlos durch bis 260 Stundenkilometer. Doch auch auf kurvigen Landstraßen klebt der 5N stabil auf der Straße, und auch hier erschrickt man sich als Fahrer selbst nach Dutzenden solchen Manövern manchmal noch, welche Kraft der Wagen vor allem im Boost-Zustand entwickelt.

Wer möchte, der kann in 3,4 Sekunden Tempo 100 erreichen, doch es kann auch etwas länger dauern, wenn die Schaltsimulation aktiviert ist. Dann zeigt ein fiktiver Drehzahlmesser an, wann es mal Zeit wäre, per Lenkradpaddel in den nächst höheren Gang zu schalten. Und wenn man beim Ausrollen runterschaltet, dröhnt der Motor mitunter aggressiv laut auf. Wen das nervt, der kann dies innen auch abschalten – und außen muss der Sound sowieso erst manuell zugeschaltet werden. Das haben wir unterwegs aber stets unterlassen, denn unserer Auffassung nach verstößt dies gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung, Stichwort: unnötiger Lärm. Und auch bei den zahlreichen Renn-Einstellungen, die sich am Auto vornehmen lassen, wird stets darauf hingewiesen, dass dies eher für die Rennstrecke gedacht ist und womöglich gegen bestehende Regelungen verstoßen könnte.

Auf der Rennstrecke waren wir während des Testzeitraums zwar nicht, aber die Eindrücke reichen aus, um dem 5N dort so einiges zuzutrauen. Dazu gibt es ja auch bereits reichlich Anschauungsmaterial auf Youtube und Co.

Die Alltagstauglichkeit: Der Ioniq 5N ist zwar eine völlig irre Rennmaschine, doch auf Knopfdruck verwandelt sie sich auch in einen angenehmen Gleiter, in der sich durchaus auch Kind und Kegel wohlfühlen können. Der Kofferraum ist mit 480 bis 1540 Litern für die Klasse durchaus geräumig, vorne wie hinten sitzt es sich auch beim unsportlichen Fahren sehr angenehm. Zudem lässt sich der Hyundai Ioniq 5N im Eco-Modus und ohne Sound und Schaltung sehr entspannt und halbwegs effizient fahren. Unter 20 kWh Verbrauch zu kommen, wird aber in der Tat eher schwierig, ist im Stadt- und Überlandverkehr aber mit vorausschauendem Fahren machbar.

hyundai ioniq 5n im test: das biest im wolfspelz

Die Optik: Schon der Standard-Ioniq 5 ist ein sehr auffälliges Elektroauto, was neben seiner kantigen Form auch am Lichtdesign liegt, das zumindest in den höheren Ausstattungen auf eine Retro-Pixel-Darstellung setzt, die an Zeiten der ersten Spielekonsolen erinnert. Beim Ioniq 5N wurde noch einmal deutlich am Außendesign gefeilt und auch Spoiler und Luftdurchlässe installiert, die nicht nur optischen Zwecken dienen.

Von vorne wirkt der 5N sehr bissig, fast schon aggressiv, ohne dabei räudig auszuschauen. Rundum gibt es rote Akzente, die vor allem als schmaler Streifen an der vorderen Stoßstange sowie als kleines verbindendes und aufrecht stehendes Element am Heck gefallen. Zudem ist das Hyundai-Blau für die N-Modelle schon bei den Benzinern schick gewesen, doch mit einem zusätzlichen optionalen Matt-Effekt (990 Euro Aufpreis) sieht es am 5N besonders klasse aus. Es gibt aber freilich auch andere Farben für den abgefahrenen Bruder des Standard-Ioniq.

Die Ladeperformance: Das Hyundai-Biest lädt, wie es fährt: Wie der Teufel persönlich. Der 80 kWh nutzbare Energie fassende Akku lässt sich dank 800-Volt-Technik mit bis zu 263 kW aufladen, wobei wir im Test maximal 261 kW zu sehen bekamen – das allerdings bei einem Akkustand von um die 30 Prozent. Und selbst bei gut 50 Prozent erlebten wir wiederholt noch nahezu die maximale Ladeleistung. Laut Hersteller beträgt deren Schnitt bei einem optimalen Ladevorgang von 10 bis 80 Prozent beachtliche 205 kW. In nur 17 Minuten sind diese 70 Prozentpunkte zusätzlicher Akkustand hinzugewonnen. Das schaffen nur wenige andere Elektroautos.

An der normalen AC-Ladesäule muss man sich aber mit den herkömmlichen 11 kW begnügen, auch optional sind keine 22 kW möglich. Dafür beherrscht der Ioniq V2L und kann mit bis zu 3600 Watt Ausgangsleistung als Energiequelle verwendet werden. Ein kräftige 100-Watt-Soundanlage für die Außenbeschallung könnte bei vollem Akkustand bei voller Lautstärke mehr als einen Monat lang durchhalten. Wenn das mal nicht wieder gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrsordnung verstoßen würde…

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Die Minuspunkte des Hyundai Ioniq 5N

Die Prolligkeit: Ein flacher Witz für die Kenner des Rhein-Main-Gebietes: Das Offenbacher Kennzeichen steht dem Hyundai Ioniq 5N außerordentlich gut. Denn zumindest gefühlt ist in Offenbach der Anteil der aufgemotzten Poser-Autos überdurchschnittlich hoch. Und auch dem 5N sieht man auf dem ersten Blick an, dass er nicht nur gefahren, sondern auch gesehen werden möchte. Und optional natürlich gehört. Wer es nicht mag, die Blicke auf sich zu ziehen und sogar mal einen abfälligen Blick zu ernten, der sollte sich vielleicht lieber in einen VW ID.4 setzen.

Der Verbrauch: Wie bereit erwähnt, ist es durchaus möglich, mit dem 5N weniger als 20 kWh zu verbrauchen – doch Spaß macht das dann keinem mehr. Wer sich ein solch performantes Elektroauto zulegt, der möchte ja nicht fahren wie Tante Lisbeth beim Sonntagsausflug. Zudem lässt der Wagen das kaum zu. Abseits des Eco-Modus ein bisschen auf das Gaspedal getreten, wirkt das Biest schon so gierig, dass man es einfach nicht enttäuschen möchte.

Wir haben den 5N also in den zwei Wochen ordentlich getreten, sind auf der Autobahn bei freier Strecke mitunter wie gestört mit 240 Sachen die Berge hinaufgerast, sind solange an einem Audi RS6 drangeblieben, bis er uns sogar vorbeigelassen hat und haben beinahe jede Gelegenheit genutzt, auf den Nahtod-Knopf zu drücken. Sowohl wir als auch das Testauto haben überlebt, der Verbrauch aber sorgt für sich aufstellende Nackenhaare. 1100 Kilometer waren es am Ende etwa bei unseren Tests, und der Verbrauch (für den wir uns aus nachhaltiger Sicht ein wenig schämen) pendelte sich bei 36 kWh pro 100 Kilometer ein. Klar, es waren auch mal Fahrten um die 25 kWh dabei, doch auch diejenigen im dreistelligen Kilometerbereich mit knapp 50 kWh Durchschnittsverbrauch wollen wir ehrlicherweise nicht verschweigen. Aber das gilt ja auch schon beim Verbrenner: Wer schnell fährt, der muss sich das auch leisten wollen.

hyundai ioniq 5n im test: das biest im wolfspelz

Der Preis: Klar, ein Verbrennerauto mit solch enormer Beschleunigung und Rennstreckentauglichkeit würde weitaus mehr kosten. Dennoch sind Preise ab 74.900 Euro für den 5N kein Pappenstiel. Matt lackiert mit Panoramadach und Zusatzpaketen ist mit knapp 79.000 Euro dann immerhin das Ende der Fahnenstange erreicht. Für das Gebotene ist das an sich ein toller Preis, aber im Vergleich zu den Verbrenner-N-Modellen Hyundai i20 und i30 natürlich Welten teurer. Und trotzdem finden sich beispielsweise an den Türgriffen mitunter billige Materialien wieder, die nicht so recht zum Preis passen. Das Geld wurde bei der Entwicklung aber auch ganz offensichtlich in die Sportlichkeit investiert.

Fazit

Der Hyundai Ioniq 5N ist DAS Elektroauto für Petrolheads. Es fühlt sich dank der weitestgehend genial umgesetzten Schaltsimulation und des vertraut klingenden, nur minimal synthetischen Motorensounds wie ein richtig geiles Benziner-Sportauto an, ohne auf fossile Treibstoffe zurückgreifen zu müssen. Das kann den ein oder anderen sicher von der Elektromobilität überzeugen, allerdings in einer anderen Preisklasse, als derzeit Hyundai i20N und i30N ihre Fans finden.

Gut gefallen hat uns die Vielseitigkeit des 5N, der sowohl absolut irrwitziges Rennbiest und sanft gleitendes Familienauto sein kann. Der Fahrspaß ist enorm, auch wenn der Blick auf die Monatsabrechnung der Ladekarte Tränen in die Augen treiben kann. Der 5N ist kein Elektroauto für jeden, zu auffällig, prollig, übersportlich und extrem ist er in vielen Dingen, zu objektiv unnötig die in ihm verbauten Spielereien.

Aber er ist ein Pionier, der auch eingefleischten Verbrennerfreunden zeigt, dass sie in der elektrischen Welt gar nicht auf ihre geliebten Details verzichten müssen – und im Gegensatz dazu sogar noch viel mehr hinzugewinnen. Der Hyundai Ioniq 5N ist ein gelungener, wenn auch komplett irrer Wurf der Koreaner.

Transparenzhinweis: Das Testfahrzeug wurde uns zwei Wochen lang von Hyundai kostenlos zur Verfügung gestellt. Unsere hier ehrlich niedergeschriebene Meinung beeinflusst dieser Umstand jedoch nicht.

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