Politik

FDP-Störmanöver gefährdet EU-weites Verbrenner-Aus für 2035

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Das eigentlich bereits beschlossene Aus in der EU für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035 könnte auf der Zielgeraden noch von der FDP gekippt werden. Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing hat die Zustimmung zum Beschluss widerrufen.

Er forderte zuletzt, dass „auch nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden müssen, die mit eFuels klimaneutral betrieben werden“. Weil der deutschen EU-Botschafterin am Mittwoch eine klare Position aus Deutschland fehlte, musste die finale Abstimmung über Europas Verbrenner-Aus verschoben werden. Der „Spiegel“ hat über die augenblickliche Gemengelage einen ausführlichen Bericht veröffentlicht.

Zum Hintergrund: An sich gibt es in der Europäischen Union eine nach jahrlangen Verhandlungen gelungene politische Einigung über das europäische Verbrenner-Aus. Deutschland hat diese bisher befürwortet und der Europäische Rat hat den Gesetzentwurf im November 2022 mit Deutschlands Zustimmung bestätigt. Das Parlament kurze Zeit darauf ebenfalls. Das einzige, was noch fehlt, ist die Zustimmung der Mitgliedstaaten. Eigentlich eine Formalie.

Die FDP pochte bereits im vergangenen Jahr darauf, eine Öffnungsklausel für E-Fuels in den EU-Beschluss aufzunehmen. Offenbar will sie nun maximalen Druck aufbauen, indem sie das Verbrenner-Aus als Ganzes gefährdet. Deutschland könnte das Verbrenner-Aus zwar nicht alleine kippen, doch Italien, Polen und Bulgarien haben bereits angekündigt, dass sie nicht zustimmen werden bzw. eine Abschwächung fordern.

Wenn Deutschland ebenfalls nicht zustimmt, gäbe es keine nötige qualifizierte Mehrheit im Rat und das Gesetz wäre abgelehnt. Die Sturheit der FDP könnte unterdessen auch die Regierungskoalition in Deutschland gefährden. Einige Grüne sollen dem „Spiegel“ zufolge intern schon den Koalitionsbruch gefordert haben.

Denkbar sind dem Nachrichtenmagazin zufolge nun drei Szenarien: Erstens, man ignoriert die FDP, es kommt wie geplant am kommenden Dienstag zur Abstimmung und die FDP blockiert das Verbrenner-Aus, womit dieses scheitert. Zweitens, die Abstimmung wird verschoben, der Text neu verhandelt. Dann müsste er aber auch noch mal durch das EU-Parlament. Drittens, Frans Timmermans, EU-Kommissar für Klimaschutz, lenkt ein und versichert der FDP, dass er sich um die E-Fuels kümmern wird, woraufhin die FDP zufriedengestellt wäre und die EU-Minister am Dienstag das Paket doch wie geplant bestätigen.

Die Reaktionen auf das nun doch noch mal auf der Kippe stehene Verbrenner-Aus fallen erwartungsgemäß heftig aus. Laut Sebastian Bock, Deutschland-Geschäftsführer der Umweltorganisation Transport & Environment, „läuft Deutschland Gefahr, eine der zentralen Säulen der EU-Klimagesetzgebung einzureißen.“ Der Beschluss zum Verbrenner-Aus sei ein zentraler Teil des EU-Klimaplans »Fit für 55«, die CO₂-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken.

Auch die Grünen laufen Sturm: „Das Verhalten der FDP ist irrational“, äußert Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünenfraktion im Bundestag. »Wir haben die Diskussion (um E-Fuels, Anm. d. Red.) schon zweimal geführt und abgeschlossen. Das permanent wieder aufzuwärmen macht es weder besser noch anders.“

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen und Verhandlungsführer für die Grünen im EU-Parlament, warnt zudem, dass Deutschland sich in der EU als völlig unzuverlässig erweise, sollte man jetzt plötzlich seine Zustimmung zurückziehen. „Man kann nicht erst monatelang in der Verhandlung Ja sagen und wenn es zur Abstimmung kommt, Vielleicht. Das zerstört Vertrauen, in der EU und der Wirtschaft. Die Automobilbranche erwartet von uns klare, verbindliche Regelungen, mit denen sie endlich langfristig planen können.“

Neben der groß angelegten FDP-Schelte gibt es aber auch Befürworter der Blockadehaltung: Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, begrüßt den Widerruf von Verkehrsminister Wissing:  „Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu erreichen“, bekräftigt sie. Weil E-Fuels gerade für die Klimabilanz bereits zugelassener Verbrenner wichtig seien, müsse die Debatte erneut geführt werden. Nun sei die Kommission am Zug.
spiegel.de (Paywall), michaelbloss.eu

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