Kia

Kia Niro

Der 2023 KIA Niro EV Platin im Test!

Der KIA Niro EV zeigt sich im Test mit dem Komfort und der Praktikabilität des Vormodells – aber leider auch mit dessen Technik.

KIA Niro EV: Praktisch aber nicht mehr zeitgemäß

Es ist mittlerweile fast 5 Jahre her, dass der KIA e-Niro auf den Markt kam. Damals mit 204 PS starkem Elektromotor an der Vorderachse und 64 kWh fassendem Lithium Akku, der für eine Reichweite von bis zu 455 km sorgte. Dieser leicht pummelige Crossover aus Kombi und SUV setzte eine neue Messlatte für Elektroautos außerhalb der Luxusklasse. Er gewann 2017 den reddot Design Award und wurde 2019 zum besten Elektroauto bei den Business Car Awards gekürt. Verdient.

Und jetzt, einige Jahre später, sehen wir die Neuauflage des e-Niro, jetzt Niro EV genannt, vor uns: mit aufgeräumtem Cockpit inklusive Head-up-Display, vielen Fahrassistenten und 204 PS starkem Elektromotor an der Vorderachse und 64 kWh fassendem Lithium Akku, der für eine Reichweite von bis zu 460 km nach WLTP sorgt. Kein Wunder, wenn euch das bekannt vorkommt, denn der neue elektrische Niro setzt auf den gleichen Antriebsstrang wie sein Vorgänger. Weiterhin praktisch, aber leider vom Antriebsstrang her nicht mehr zeitgemäß. Aber sehen wir uns die einzelnen Punkte im Detail an.

Der KIA Niro EV innen und außen

Außen ist der Niro durch seine Crossover-Form weiterhin gut zu erkennen. Dennoch hat sich beim 4,42 Meter langen Fahrzeug einiges getan. Die LED-Scheinwerfer an der Front sind schärfer geschnitten und zwischen ihnen befindet sich nun ein Kühlergrill mit Wabenmuster. An den C-Säulen findet man jetzt „Side-Blades“, die das Fahrzeug windschlüpfriger machen sollen. Inwiefern das funktioniert, kann ich nicht beurteilen. Für die Optik macht es aber nur wenig Unterschied. Die Heckleuchten sind – abgesehen von einem LED-Streifen im Spoiler – nicht mehr in die Kofferraumklappe integriert, sondern befinden sich nun am hinteren Ende der Sideblades.

Die Ladebuchse öffnet sich weiterhin an der Front, zwischen den Scheinwerfern. In den meisten Fällen ist die Platzierung dort sehr praktisch, im Testzeitraum gab es aber auch Ladesäulen, bei denen eine seitliche Platzierung besser gewesen wäre.

Der Innenraum wirkt aufgeräumt und modern, beherbergt viel Kunststoff – teilweise in schicker Klavierlack-Optik – und einige Ablagen. Fahrerinformations- und Mitteldisplay zeigen eine Fülle an Informationen an. Zusätzlich bietet der neue Niro auch noch ein Head-up-Display, das sich gut ablesen lässt. Über die per Taste umschaltbare Touch-Leiste darunter kann man entweder das Infotainment oder die Klimaanlage bedienen. Das funktioniert gut, schaltet jedoch recht rasch wieder von selbst zum Infotainment zurück. Die Soundanlage mit sechs Lautsprechern konnte mich leider nicht überzeugen. Sie hat wenig Druck und bleibt im Hintergrund. Wenn man sehr laut dreht, wird der Klang unsauber.

Die beiden vorderen Kunstledersitze der Platin-Ausstattung sind vielfach elektrisch verstellbar und bieten hohen Komfort. Aber auch hinten sitzt man im Niro halbwegs bequem und hat eine USB-C-Buchse an der Innenseite des Beifahrersitzes und eine 230-V-Steckdose unter dem mittleren Sitz. Der Kofferraum dahinter kann sich ebenfalls sehen lassen. 475–1.392 Liter passen in den Koreaner, wenn man ihn voll belädt. Im Frunk findet man nochmals 20 Liter Stauvolumen, zum Beispiel für ein Ladekabel.

der 2023 kia niro ev platin im test!

Photo © Christoph Adamek/autofilou.at

So fährt sich der KIA Niro EV

Wenn man es darauf ankommen lässt, beschleunigt der 204 PS starke KIA Niro EV in 7,8 Sekunden auf Tempo 100, da zerren die gesamten 255 Nm Drehmoment der permanenterregten Synchronmaschine an der Vorderachse. Maximal fährt er 167 km/h. Ob man das will, ist eine andere Frage, denn der Niro EV ist dafür eigentlich zu gemütlich ausgelegt. Die Federung ist weich, bügelt viele Unebenheiten weg, aber schwankt dafür in flott gefahrenen Kurven. Dazu fühlt sich die Lenkung eher synthetisch an und gibt wenig Feedback.

Bei gemäßigten Temperaturen und ebensolchem Fahrverhalten zeigt sich der Niro EV von seiner besten Seite. Der Verbrauch pendelte sich bei uns zwischen 18 und 19 kWh auf 100 km ein. Fährt man jedoch mit 130 km/h auf der Autobahn (was übrigens nur 125 „echten“, also nach GPS gemessenen km/h entspricht) bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wird der Elektro-Niro schnell hungriger. Durchschnittlich 23–25 kWh standen dann auf dem Bordcomputer, zwischenzeitlich waren es sogar an die 30 – nämlich dann, wenn die Batterievortemperierung aktiv ist. Die geht mit bis zu 4,7 kW Leistung zu Werke und auch nur dann, wenn der Wintermodus in den Einstellungen aktiv geschaltet ist und eine Ladestation im Navigationssystem als Ziel festgelegt wurde. Dann heizt sie im Winter den Akku vor, allerdings nur bis 16–17 Prozent Batterieladezustand erreicht wurden. Darunter hört sie auf. BMW zum Beispiel temperiert die Batterie bis hinab zu 6 Prozent State of Charge vor. Mehr als 270 Kilometer schafften wir auf der Autobahn bei winterlichen Temperaturen nicht.

Leistung und Laden: Besser zu Hause laden

KIA hat derzeit einen großen Unterschied in der Ladeleistung zwischen seinem 400 V- und 800 V-System. Während der KIA EV6 in unserer Bestenliste der Ladezeiten eine Top-Platzierung hat, führt der Niro EV ein Dasein auf den hinteren Plätzen.

der 2023 kia niro ev platin im test!

Image © Raphael Gürth/autofilou.at

Über AC schafft er maximal 11 kW, über DC maximal 72 kW. Bei einem ersten Versuch hat eine Ladung der brutto 64,8 kW großen Batterie von 10–80% stolze 54 Minuten gedauert. Das ist nicht mehr zeitgemäß.
Selbst unter optimalen Bedingungen und vortemperierter Batterie sah die Ladekurve des koreanischen Stromers nicht viel besser aus. Immerhin erreichte und übertraf er die angegebene Batterieladeleistung mit 82 kW (86 kW laut Ladestation) deutlich, die Dauer des Ladevorgangs (10–80 %) blieb dennoch zu lange (~50 min.). Das Problem: Für eine optimale Ladekurve, braucht es 25 °C Batterietemperatur. Und die sind im Winter trotz Batterieheizung schwer zu erreichen. Darüber hinaus wäre laut meines Ladetests ein Aufladen über 77 Prozent hinweg nicht sinnvoll, da hier die Ladeleistung von 44 kW auf 25 kW einbricht, bevor der Niro bei knapp über 81 Prozent SoC eine dreiminütige Chillerphase (die Leistung wird auf ~2,4 kW begrenzt) einlegt. Müsste ich mit dem Niro EV schnell Strecke machen, würde ich nicht weiter als bis 64 Prozent aufladen, da schon hier die Ladeleistung von 60 auf 44 kW einbricht. Viel Autobahn-Reichweite bleibt dann aber nicht übrig: keine 150 Kilometer bei 64–10 Prozent State of Charge.

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Ladeleistung über Ladezeit

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Ladeleistung über SoC

Images © Raphael Gürth/autofilou.at

Wer wenig Langstrecke fährt und hauptsächlich über Nacht zu Hause lädt, kann vielleicht über diesen Makel hinwegsehen. Für Wechselstrom lässt sich auch die Ladeleistung einstellen bzw. reduzieren. Praktisch, wenn man an der Ladestation in der Kurzparkzone steht.

So viel kostet der KIA Niro EV

Den KIA Niro EV bekommt man in der Basisausstattung derzeit ab 51.040 Euro. In der hier getesteten, sehr umfangreichen Platin-Ausstattung (diverse Assistenten, V2L-Funtkion, Remote Smart Parking, induktive Ladeschale, elektrisch verstellbare Kunstledersitze etc.) kostet er mindestens 55.740 Euro. Dazu kommen 650 Euro für eine Metallic-Lackierung und 600 Euro für das kleine Glasschiebedach. Das macht insgesamt 56.990 Euro und stellt mich vor ein Problem: Wieso sollte ich für 57.000 Euro einen Niro EV nehmen, wenn ich für das gleiche Geld auch einen 229 PS starken EV6 bekomme, zwar mit etwas schlechterer Ausstattung, aber größerer Batterie, höherer Reichweite und kurzen 18 (!) Minuten Ladezeit für weitere 200 km. Oder für 53.600 Euro einen Hyundai IONIQ 6 mit ebenfalls 229 PS, ähnlicher Ausstattung und nochmals höherer Reichweite. Dasselbe gilt auch für das deutliche größere Tesla Model Y, das es mit Hinterradantrieb sogar schon ab knapp 44.000 Euro und mit Allradantrieb und 533 km Reichweite nach WLTP ab knapp 51.000 Euro gibt.

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Der Kaufpreis im Verhältnis zur Reichweite | Picture © autofilou.at

Mein Fazit

Der KIA Niro EV macht es mir nicht einfach. Ein vertrauter, komfortabler und praktischer Innenraum trifft auf gute, aber nicht überragende Fahrleistungen und nicht mehr zeitgemäße Ladetechnik. Würde das Auto 40.000 Euro (oder weniger) kosten, wäre es vielleicht ein Tipp für Preisbewusste. Aber so muss man 2024 eigentlich entweder zum EV6 oder zur Konkurrenz greifen.

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