Abschiedsstimmung: Dem Conti-Standort Wetzlar droht das Aus – trotz seiner Entwicklungserfolge
Vor dem Werkstor von Continental an der Philipsstraße in Wetzlar flattern rote Fahnen der IG Metall im böigen Wind. Zwei Männer halten ein mehrere Meter breites weißes Transparent. Darauf steht: „Wir können Zukunft. Darum Arbeitsplätze hier sichern.“ Genau danach sieht es aber nicht aus. Der börsennotierte Automobilzulieferer will seinen Standort in der Stadt an der Lahn schließen. Das hat das Management den Arbeitnehmervertretern mitgeteilt – und deshalb hat sich ein Großteil der rund 470 Beschäftigten zu einer Betriebsversammlung und anschließender Kundgebung getroffen. Zu den Gästen zählen außer Kollegen der Conti-Standorte Babenhausen, Frankfurt-Rödelheim und Karben auch Landtagsabgeordnete und Oberbürgermeister Manfred Wagner (SPD).
„Wir können Zukunft. Darum Arbeitsplätze hier sichern.“: Mitarbeiter von Continental protestieren gegen die Schließung des Standorts Wetzlar.
Komplexe Bauteile
Das Unternehmen fertigt an der Lahn Lithographie-Optiken. Im Kern geht es dabei um Spiegel. Verwendet werden sie unter anderem vom niederländischen Chipmaschinenhersteller ASML, der als Technologieführer für Lithographiesysteme gilt. Die Bauteile von Zeiss sind sehr komplex, in ihnen geschieht vereinfacht gesagt Folgendes: In einem Optik-Strahlengang befinden sich verschiedene Spiegel, die einen Laserstrahl so leiten, dass er Strukturen für Chips auf den Wafer druckt, wie es heißt. Zeiss beansprucht für sich, die stabilsten und exaktesten Spiegel zu fertigen. Mit ihren Lithographie-Optiken befähigt die Firma die Chiphersteller weltweit, Mikrochips mit Nanometerpräzision herzustellen. „Denen werden die Produkte aus den Händen gerissen“, sagt Gewerkschaftssekretär Stefan Sachs.
Auch Continental in Wetzlar kann sich technologisch sehen lassen. Wie Betriebsratsvorsitzender Jörg Seidler sagt, liefert die Filiale etwa Kernkomponenten für den Aurora genannten selbstfahrenden Lastzug, der in Amerika auf bestimmten Strecken fahren darf. Und autonomes Fahren gilt nicht nur mit Blick auf Autos als zukunftsträchtig. Allerdings hält das Management den Standort für zu klein, und die Kosten sind laut Seidler nicht dort, wo sie sein könnten.
Bei genauerer Betrachtung ist Philips immer noch in Wetzlar zugegen. Wie Wagner sagt, gehört dem Konzern der Grund, auf dem – von Continental nicht benötigte – Hallen stehen. Die Stadt würde dieses Gelände gerne entwickeln. Doch habe sich der Automobilzulieferer nicht sehr interessiert gezeigt. Wagner meint, die Hallen stünden mit hohen Werten in den Büchern des Unternehmens, die sich am Markt nicht erzielen ließen. Folglich hätte Continental die Hallen abwerten müssen. Letztlich sei der Vorstoß der Stadt nicht als Chance begriffen worden, was Wagner bedauert. Schließlich gibt es Nachfrage nach Flächen – siehe Optikindustrie.